Die Proteste gegen die geplante Massenüberwachung des europäischen Flugreiseverkehrs zeigen erste Wirkung. Bereits Ende vergangenen Jahres hatten sich die Unterhändler von Ministerrat und EU-Parlament im Rahmen der Trilog-Verhandlungen auf eine Kompromissfassung für eine Richtlinie zur EU-weiten Fluggastdatenspeicherung (EU-Passenger Name Record, kurz EU-PNR) geeinigt. In dieser Woche sollte eigentlich die endgültige Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments stattfinden. Wie aus Brüsseler Kreisen zu erfahren war, wurde der geplante Termin nun jedoch überraschend verschoben. Zum finalen Votum über die Richtlinie wird es daher voraussichtlich erst Ende Februar oder Anfang März Ende April kommen kommen.
In den Fraktionen der Liberalen, der Konservativen und der Sozialdemokraten regen sich offenbar Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geplanten Richtlinie. Entsprechend nervös werden nun die Befürworter der Fluggastdatenspeicherung, sehen sie doch ihre als sicher geglaubte Mehrheit in Gefahr. Dabei ist es angesichts der äußerst klaren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten schon fast verwunderlich, dass erst zu einem so späten Zeitpunkt Skepsis an der Vereinbarkeit der Fluggastdatenspeicherung mit europäischen Grundrechten aufkommt. In der damaligen Entscheidung hoben die Luxemburger Richter nämlich nicht nur die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf, sondern definierten zugleich die grundrechtlichen Grenzen für jegliche Art von staatlich verordneten Massenspeicherungen personenbezogener Daten.
Als unverhältnismäßig und damit grundrechtswidrig sah das Gericht in der damaligen Entscheidung bereits den Umstand an, dass die Datensammlung anlasslos und verdachtsunabhängig erfolgt. Genau dies ist aber auch bei der nun vorgesehenen Fluggastdatensammlung der Fall, da bei jeder Flugbuchung von sämtlichen Passagieren stets bis zu 60 Einzeldaten erfasst und in sogenannten Passenger Information Units vorgehalten werden sollen. Dafür bedarf es weder eines Anhaltspunktes für die Verwicklung einzelner Fluggäste in schwere Straftaten, noch eines sachlichen Zusammenhangs zwischen den gespeicherten Daten und der Verfolgung solcher Delikte. In der Tat ist es kaum nachvollziehbar, dass etwa Angaben über das präferierte Bordessen einen wesentlichen Betrag zur Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Straftaten leisten sollen.
Ebenso stieß sich der EuGH bei der Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten an der Richtlinien-Vorgabe, dass die Daten zwischen sechs Monaten und zwei Jahren vorzuhalten seien. Hier bemängelte das Gericht, dass die Festlegung der Speicherdauer pauschal erfolgte und nicht differenziert nach unterschiedlichen Datenkategorien und ihrem jeweiligen Nutzen für die Strafverfolgung stattgefunden habe. Außerdem, so die Richter weiter, beruhe die Speicherdauer nicht auf objektiven Kriterien, die gewährleisten könnten, dass der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt sei. Auch diese Kritikpunkte treffen wiederum auf die nun geplante Fluggastdatenspeicherung zu. Sämtliche Passagierdaten sollen pauschal und ohne Abstufung nach ihrer Nützlichkeit für die Strafverfolgung für insgesamt fünf Jahre vorgehalten werden. Für die Bemessung dieses Speicherzeitraums fehlt obendrein auch eine sachliche Begründung, so dass nicht nachvollziehbar ist, ob der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt ist.
Es gibt also gute Gründe dafür, die geplante PNR-Richtlinie als Verstoß gegen EU-Grundrechte anzusehen. Da sich diese Einsicht nun offenbar auch bei mehr und mehr Mitgliedern des Europäischen Parlaments durchsetzt und der politische Rückhalt für die Massenüberwachung des europäischen Reiseverkehrs zu bröckeln beginnt, ist es besonders wichtig, den Protest gegen das Vorhaben noch einmal zu verstärken.
Wir begleiten das Thema schon lange und haben uns immer wieder mit Analysen, Eingaben und Appellen an die Parlamentarier gewandt, um sie davon zu überzeugen, gegen die Fluggastdatenspeicherung zu votieren. Nun, kurz vor der endgültigen Abstimmung im Plenum, haben wir eine Videoaktion ins Leben gerufen, um die Abgeordneten zur Verhinderung von EU-PNR aufzurufen. Dazu brauchen wir Eure Hilfe. Was Ihr gemeinsam mit uns jetzt tun könnt und wie Ihr Euch schnell und einfach an der Aktion beteiligt, erfahrt Ihr hier.
No PNR !!!