Der Digitale Gesellschaft e.V. hat beim Bundesverfassungsgericht eine Stellungnahme (.pdf) zu einer Verfassungsbeschwerde abgegeben, bei der das Gericht über die Zulässigkeit des Samplings, von Juristen auch „elektronisches Kopieren“ genannt, zu entscheiden hat. Im Kern geht es in dem Verfahren um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es erlaubt ist, kleinste Tonausschnitte aus einer fremden Tonaufnahme zu entnehmen und sie in eigene Aufnahmen einzubauen. Die rechtliche Auseinandersetzung dreht sich dabei nicht um das Urheberrecht, sondern um das vom Inhalt der Aufnahme unabhängige Recht des Tonträgerherstellers und die Reichweite des Rechts auf freie Benutzung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sowohl 2008 als auch 2012 entschieden, dass es nur dann zulässig sei, Ausschnitte aus einer fremden Aufnahme zu entlehnen, wenn ein durchschnittlich befähigter und ausgestatteter Musikproduzent nicht die Möglichkeit habe, den Ausschnitt mit eigenen Mitteln nachzuspielen. Infolge dieser Entscheidungen war Sampling nur noch eine theoretische Option, in der Regel war diese Produktionstechnik faktisch verboten.
In seiner Stellungnahme kritisiert der Digitale Gesellschaft e.V. die Rechtsprechung des BGH unter anderem als Hindernis für die soziokulturelle Fortentwicklung. Bei der Herleitung des Maßstabs für die Zulässigkeit des Samplings lässt das Gericht außer Acht, dass digitale Technologien und digitale Vernetzung schon seit Jahren in der Breite der Bevölkerung angelangt sind. Viele Menschen, die nicht als professionelle Musikproduzenten arbeiten, nutzen daher heute nahezu ständig elektronische Werkzeuge, mit denen sie in einfacher Weise bestehende mediale Inhalte zitieren, umgestalten und verbreiten können. Weitaus schwieriger ist es für diese Menschen jedoch, einzelne Sequenzen einer bestehenden Aufnahme nachzuproduzieren. Indem der BGH für die Zulässigkeit des Samplings darauf abstellt, ob ein durchschnittlicher professioneller Musikproduzent zum Nachspielen des betreffenden Ausschnitts in der Lage wäre, werden Phänomene wie Remix, MashUp und Mem, die im Internet längst zu alltäglichen Kommunikations- und Kulturtechniken avanciert sind, weitestgehend illegalisiert.
Die Vorgeschichte des Verfahrens reicht übrigens bis in das Jahr 1997 zurück. Damals erschien der Titel „Nur Mir“ der Rap-Künstlerin Sabrina Setlur. In dem Stück findet eine nur zwei Sekunden lange Rhythmussequenz Verwendung, die dem Kraftwerk-Track „Metall auf Metall“ vom Album „Trans Europa Express“ entstammt. Die Sequenz wurde im Wege des Samplings elektronisch aus dem Original herauskopiert („gesamplet“) und dem Setlur-Titel in Dauerschleife unterlegt. Dagegen wehrten sich Kraftwerk zunächst mit einer Klage vor dem Landgericht Hamburg. In der Folge durchlief der Rechtsstreit zweimal den kompletten Instanzenzug und brachte zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hervor. Das letzte Wort hat in dieser Sache nun das Bundesverfassungsgericht.