“Das Gesetz zur Antiterrordatei verletzt auch in seiner Neufassung elementare rechtsstaatliche Standards und treibt die verantwortlungslose Zentralisierung der Sicherheitsbehörden weiter voran.”, erklärt Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft.

In einem geschichtsvergessenen Moment hat der Bundestag heute eine Reform des Antiterrordateigesetzes beschlossen. Hintergrund der Neuregelung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr, mit dem das Gericht einige der Vorschriften als verfassungswidrig verworfen und den Gesetzgeber zu einer Nachbesserung bis Anfang 2015 verpflichtet hatte. Die Antiterrordatei ist eine sogenannte Verbunddatei. Staatsanwaltschaft, Polizei und Nachrichtendienste erhalten darüber direkten Zugriff auf Grunddaten sowie Hinweise auf weitere personenbezogene Informationen, die dezentral in verschiedenen Datenbanken der Sicherheitsbehörden abgelegt sind. Verbunddateien dienen, wie auch das Bundesverfassungsgericht mit Verweis auf das grundgesetzliche Trennungsgebot betont, ausschließlich der Informationsanbahnung, dürfen aber keinesfalls den Charakter eines zentralen, für alle beteiligten Behörden frei zugänglichen Datenpools haben.

Auch in der nun verabschiedeten Fassung verstößt das Gesetz insbesondere mit der “erweiterten Dateinutzung” gegen die Vorgaben aus Karlsruhe. Diese erlaubt neben einem direkten behördlichen Datenzugriff auch komplexe Verknüpfungen und Auswertungen im Rahmen sogenannter Analyseprojekte. Zwar fehlt eine klare Definition dieser Projekte, jedoch können in ihrem Rahmen auch Datensätze zu Kontaktpersonen einschließlich ungeprüfter Angaben, Vermutungen und Werturteilen von beliebigen Sicherheitsbehörden eingesehen und miteinander korrelliert werden. Des Weiteren erlaubt es das Gesetz, selbst verdeckt erhobene Informationen, etwa die besonders sensiblen Verbindungsdaten, als Grunddaten zu behandeln, so dass sie stets dem direkten behördlichen Zugriff ausgeliefert sind. Die Vorschriften zur Datenweitergabe verweisen zudem immer noch auf Regelungen in anderen Gesetzen, obwohl das Bundesverfassungsgericht genau diesen Umstand moniert und seine Verfassungskonformität bezweifelt hatte. Schließlich fehlt dem Bundesgesetzgeber auch schlicht die Kompetenz, um Zugriffe durch Landesbehörden auf Daten der Nachrichtendienste des Bundes zu regeln.

Volker Tripp kommentiert: “Das Grundgesetz ist kein Basar. Die offenbar zur Mode gewordene legislative Strategie, unter völliger Ignoranz verfassungsrechtlicher Grenzen zunächst Maximalforderungen der Geheimdienste und Polizeibehörden in Gesetzesform zu gießen, um sie hinterher vom Bundesverfassungsgericht auf das gerade noch zulässige Maß zurückstutzen zu lassen, ist in rechtsstaatlicher Hinsicht nicht nur erbärmlich, sondern auch gefährlich. Abgesehen davon, dass dieser Plan im Fall des Antiterrordateigesetzes wegen dessen tiefgreifender, nicht zu behebender Fehler nicht aufgehen wird, degradiert sich der Deutsche Bundestag durch ein solches Verhalten zu einem gedanken- und gewissenlosen Durchwinkverein. Wir appellieren daher an die Oppositionsfraktionen, von ihren verfassungsgerichtlichen Optionen Gebrauch zu machen, um diesen rechtsstaatlichen Schandfleck ein für allemal aus der Welt zu schaffen.”