In einer für die Netzneutralität richtungsweisenden Abstimmung hat der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments (ITRE) heute über Änderungen am Entwurf für eine EU-weite Telekommunikationsverordnung entschieden. Das Ergebnis bildet nun die Grundlage für die weitere Beratung und Beschlussfassung im Plenum Anfang April. Leider fand sich unter den Ausschussmitgliedern keine Mehrheit für die konsequente und nachhaltige Gewährleistung eines freien und offenen Internet. Zwar wurden die für die Netzneutralität bedrohlichsten Passagen des Verordnungsentwurfs ein wenig entschärft, zugleich aber der Verbraucherschutz geschliffen und Hintertüren für die Einführung von Netzsperren sperrangelweit geöffnet.

„Der Zugang zum offenen Internet und die Wahlfreiheit bei Diensten, Inhalten und Endgeräten muss als einklagbares Recht der Nutzerinnen und Nutzer ausgestaltet werden. Indem sich der Ausschuss einer solchen Formulierung in den Weg stellt, verweigert er Verbraucherinnen und Verbrauchern das nötige Rüstzeug zur effektiven Verteidigung ihres Netzzugangs und beschert ihnen stattdessen neue Rechtsunsicherheiten.“, beklagt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Nach der nun beschlossenen Fassung steht es Nutzerinnen und Nutzern lediglich frei, auf beliebige Dienste und Inhalte im offenen Internet mit Endgeräten ihrer Wahl zuzugreifen. Ein Recht, mit dem sie diese Möglichkeit im Zweifelsfall gerichtlich durchsetzen könnten, ist hingegen nicht vorgesehen. Da es den Providern zugleich erlaubt wird, Spezialdienste zu offerieren, könnte die in dem Verordnungsentwurf garantierte Freiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher leicht einen neuen Tarifdschungel bedeuten, in dem sie sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Zugangsangebote und Zusatzpakete konfrontiert sehen.

Sorge bereitet außerdem eine Passage der nun beschlossenen Entwurfsfassung, welche die Einführung von Netzsperren begünstigt. Danach gehen Gesetze über die Rechtmäßigkeit von Informationen, Inhalten, Anwendungen oder Diensten den Regelungen zur Sicherung der Netzneutralität vor. Ein solches Gesetz könnte etwa vorsehen, den Datenverkehr im Netz nach rechtswidrigen Begriffen oder Inhalten zu durchleuchten und ihre weitere Übermittlung zu unterbinden. Ebenso könnten einzelne Webseiten oder Anwendungen als ungesetzlich kategorisiert und der Zugang zu ihnen blockiert werden.

Dazu erklärt Alexander Sander: „Vor der Errichtung einer EU-weiten Zensurinfrastruktur kann uns die Verordnung nur dann wirksam bewahren, wenn die Vorbehaltsklausel entfernt wird. Mit allem anderen würde man dem Schutz eines freien und offenen Internet einen Bärendienst erweisen. Wir rufen die Abgeordneten daher dringend dazu auf, diesen Fehler bei der kommenden Abstimmung Anfang April im Plenum zu beheben.“

Nähere Informationen zum Thema gibt es bei savetheinternet.eu oder auf unserer Mitmach-Seite.