In die zuletzt festgefahrenen Verhandlungen der Großen Koalition um die Reform der WLAN-Störerhaftung kommt nun offenbar Bewegung. Medienberichten zufolge geht die Bundesregierung mittlerweile auf Distanz zu ihrem eigenen Gesetzentwurf. Sogar im Innenministerium, aus dem bisher der größte Widerstand gegen eine bedingungslose Abschaffung der Störerhaftung kam, hat sich demnach die zutreffende Ansicht durchgesetzt, dass es europarechtlich unzulässig ist, WLAN-Betreiber zur Beschränkung des freien Zugangs zu ihren Netzen zu verpflichten. Zu dieser Einschätzung sind auch Justiz- und Wirtschaftsministerium gelangt.

Letzter Impuls für diesen drastischen Sinneswandel war offenbar das Schlussplädoyer des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof im Fall McFadden vs Sony Music. In seinem Votum hatte der Generalanwalt klargestellt, dass es gegen die Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie verstoße, die Haftungsfreistellung für WLAN-Betreiber an Bedingungen wie eine Passwortsicherung oder eine Vorschaltseite mit Rechtstreueerklärung zu knüpfen.

Die Richtlinie sieht vor, dass Personen, die anderen lediglich den Zugang zum Netz vermitteln, jedenfalls dann nicht für Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer haften, wenn sie diese nicht ausgewählt haben und nicht in den Datenverkehr eingreifen. Nach Ansicht des Generalanwalts können allenfalls ein Gericht oder eine Behörde einen WLAN-Betreiber im Einzelfall dazu verpflichten, bestimmte Maßnahmen zur Unterbindung von Rechtsverletzungen zu ergreifen. Eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zur Beschränkung des freien Netzzugangs hielt er hingegen für unzulässig. Das Schlussplädoyer ist zwar nicht bindend, in der Regel folgt der EuGH jedoch dem Generalanwalt.

Der Digitale Gesellschaft e.V. hatte bereits 2012 einen Gesetzentwurf (.pdf) vorgelegt, der den Vorgaben aus dem Votum des Generalanwalts voll entspricht. Zudem hatten wir die Bundesregierung und die Große Koalition schriftlich und in persönlichen Gesprächen immer wieder auf die Europarechtswidrigkeit ihres eigenen Entwurfes hingewiesen und für eine bedingungslose Abschaffung der WLAN-Störerhaftung geworben. Gleiches haben wir auch bei der EU-Kommission im Rahmen der TRIS-Notifizierung, beim Bundesrat und im Rahmen einer Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages vorgebracht. Nun sieht es so aus, als könnte unsere langjährige hartnäckige Arbeit, die nur aufgrund der Unterstützung durch Eure Spenden und Förderbeiträge überhaupt möglich war und ist, endlich Früchte tragen. Wir halten Euch auf dem Laufenden, wie es mit der Abschaffung der Störerhaftung und freien Netzen in Deutschland weitergeht.

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