Die Netzpolitik-Affäre wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der Pressefreiheit in Deutschland. Durch die geplante Einführung der Vorratsdatenspeicherung droht sich die Situation für Journalisten weiter zu verschlechtern. Sie müssen die Affäre daher als Weckruf begreifen, um sich noch stärker als bisher gegen den Ausbau der Überwachung zu positionieren.

Die Affäre rund um die Ermittlungen gegen die beiden Redakteure von netzpolitik.org wegen Landesverrats ist alles andere als vorüber – nicht zuletzt, weil das Verfahren unverständlicherweise noch immer nicht eingestellt wurde. Gleichwohl macht ihr Verlauf bereits jetzt deutlich, wie angespannt das Verhältnis von Bundesbehörden und Teilen der Bundesregierung einerseits zu investigativen Journalisten andererseits ist.

Hinter den Strafanzeigen von Verfassungsschutzpräsident Maaßen steckt das klar erkennbare Ziel, Medien und ihre Informanten einzuschüchtern und sie von öffentlicher Berichterstattung insbesondere über den Ausbau der Internetüberwachung abzuhalten. Dieser Frontalangriff auf die Pressefreiheit in Deutschland kann durchaus als Kampfansage der Sicherheitsbehörden gegenüber kritischen Journalisten begriffen werden. Vor diesem Hintergrund kann ein Blick auf aktuell laufende Gesetzesvorhaben dazu beitragen, eine Vorstellung davon zu entwickeln, mit welchen Mitteln sich Bundesregierung und Bundesbehörden künftig gegen unliebsame Presseberichte wehren könnten.

In den Fokus rückt damit einmal mehr das geplante Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Zur Zeit liegt der entsprechende Gesetzentwurf bei der EU-Kommission, die ein Notifizierungsverfahren durchführt. Bis zu dessen voraussichtlichem Ende am 5. September gilt für den deutschen Gesetzgeber eine Stillhaltepflicht. Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es im Kern darum, die Anbieter öffentlicher Telekommunikationsdienstleistungen zu verpflichten, Verbindungsdaten aus der elektronischen Kommunikation für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen zu speichern. Polizeibehörden dürfen zum Zwecke der Verfolgung bestimmter Katalogtaten und zur Gefahrenabwehr auf diese Daten zugreifen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse fällt zunächst auf, dass der Katalog der Straftaten auch den Tatbestand des Landesverrats umfasst. Wäre das Gesetz bereits in Kraft, so hätte die Vorratsdatenspeicherung also durchaus im Zuge des jetzigen Ermittlungsverfahrens zum Einsatz kommen können, um herauszufinden, mit welchen Personen etwa im parlamentarischen Bereich die beiden Redakteure in Kontakt standen.

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Davor hätte sie vermutlich auch der vorgesehene Schutz von Berufsgeheimnisträgern nicht bewahrt. Denn anders als im Falle der Verkehrsdaten von behördlichen, kirchlichen und sozialen Einrichtungen werden die Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Rechtsanwälten oder Journalisten durchaus gespeichert, nur dürfen sie nicht abgerufen werden. Bezeichnenderweise regelt der Gesetzentwurf außerdem, dass Daten, die unter Verletzung dieses Verbots gleichwohl abgerufen werden, nicht verwertet werden dürfen. Der Gesetzgeber rechnet also offenbar damit, dass es zu regelwidrigen behördlichen Zugriffen auf die Daten von Berufsgeheimnisträgern kommen kann. Das vorgesehene Verwertungsverbot wäre für die Betroffenen in einem solchen Fall nur bedingt hilfreich. So dürfte das unerlaubt gewonnene Wissen zwar nicht in einem Strafverfahren verwertet werden, gleichwohl hätten die Behörden damit faktisch Kenntnisse etwa über die Kontaktpersonen von Journalisten erlangt. Bereits dieser Umstand könnte Informanten dazu veranlassen, künftig weniger oder gar keinen Kontakt zu Pressevertretern zu suchen.

Gerade im Fall des Online-Journalismus könnte eine weitere Taktik zur Umgehung des Schutzes von Berufsgeheimnisträgern darin bestehen, den Betroffenen schlicht die Eigenschaft als berufsmäßige Journalisten abzusprechen. Im Zuge der Berichterstattung über die Netzpolitik-Affäre war eine derartige Tendenz sogar ausgerechnet in einigen klassischen Printmedien zu beobachten, wo die Redakteure zu „Bloggern“ oder schlimmer „Blogwarten“ und ihre Plattform zum „Internetdienst“ degradiert wurden. Behörden könnten sich diese Betrachtungsweise zu eigen machen und so zunächst einmal auf die Verbindungs- und Standortdaten von Online-Journalisten zugreifen. Selbst wenn diese Sichtweise in einem späteren Gerichtsverfahren verworfen werden sollte, hätten die Behörden doch wiederum faktisch Kenntnis von den Kontakten der Journalisten erhalten, einschließlich der einschüchternden und abschreckenden Wirkung auf potentielle Informanten.

Geht es nach dem Willen konservativer Innenpolitiker, so würde es künftig noch nicht einmal eines Ermittlungsverfahrens oder einer konkreten Gefahr bedürfen, um die Vorratsdaten abzurufen. So plädiert Dr. Patrick Sensburg, CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses, in der Maiausgabe der Deutschen Richterzeitung dafür, dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie dem Militärischen Abschirmdienst ohne irgendwelche Tatbestandsvoraussetzungen den Datenzugriff zu erlauben. Selbst wenn dieser Vorschlag es nicht in den aktuellen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geschafft hat, so verdeutlicht er doch recht anschaulich, in welche Richtung innenpolitische Hardliner die Entwicklung lenken werden, wenn der jetzige Entwurf erst einmal verabschiedet und in Kraft gesetzt wurde.

Gefahr droht der Tätigkeit von Journalisten durch den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung nicht zuletzt aufgrund des vorgesehenen Straftatbestands der Datenhehlerei. Danach wird das Verbreiten von nicht allgemein zugänglichen Daten, die ein anderer rechtswidrig erlangt hat, mit einer bis zu dreijährigen Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe geahndet. Ausgenommen von der Strafbarkeit sind Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dienen. Als solche definiert der Entwurf unter anderem berufliche Handlungen von professionellen Journalisten, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden. Damit wird auch hier wiederum die Frage aufgeworfen, unter welchen Voraussetzungen jemand als berufsmäßiger Pressevertreter anzusehen ist. Zudem bleibt unklar, wie die Einschränkung, dass eine solche Handlung ausschließlich der Erfüllung beruflicher Pflichten dient, genau zu verstehen ist. So ist bereits fraglich, wie es sich auswirken würde, wenn neben der beruflichen Zielsetzung gleichzeitig auch noch andere Motive mit der Verbreitung der Daten verfolgt würden. Darüber hinaus gehört das Verbreiten zuvor entgegen genommener Daten zwar gewiss zu den berufstypischen Handlungen eines Journalisten, eine berufliche Pflicht dazu besteht hingegen selbst für professionelle Pressevertreter nicht.

Neben diesen Gesichtspunkten gibt es zahlreiche weitere gute Gründe, um die Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Schon die hier aufgezeigten Implikationen allein müssen jedoch für alle Personen, die in Deutschland publizistisch tätig sind, ein Weckruf sein, sich öffentlich deutlich und lautstark gegen das geplante Gesetz auszusprechen.

DG-VDS