Das heutige kritische Votum des Bundesrats zur Reform der Antiterror- und der Rechtsextremismusdatei enthält nach Ansicht des Digitale Gesellschaft e.V. begrüßenswerte Ansätze. Es greift jedoch insgesamt zu kurz, da es diese beiden verfassungsrechtlich höchst problematischen Instrumente im Kern weiterhin aufrecht erhält. Bundesrat und Bundestag müssen im nun anschließenden Vermittlungsausschuss die Chance nutzen, eine Trendwende in der Politik einzuläuten und die rechtsstaatlichen Standards des Grundgesetzes zu verteidigen anstatt sie weiter aufzuweichen.

Die Antiterror- und die Rechtsextremismusdatei sind sogenannte Verbunddateien. Staatsanwaltschaft, Polizei und Nachrichtendienste erhalten darüber Zugriff auf personenbezogene Informationen, die dezentral in zahlreichen weiteren Datenbanken der Sicherheitsbehörden abgelegt sind. Verbunddateien dienen der sogenannten Informationsanbahnung und enthalten selbst keine Datensätze, sondern nur Verweise auf die andernorts vorgehaltenen Daten. Eine Reform des Gesetzes über die Antiterrordatei war nach dem Urteil Bundesverfassungsgericht aus dem vergangenen Jahr erforderlich geworden. Darin hatte das Gericht Teile der Regelungen für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer Nachbesserung bis Anfang 2015 verpflichtet.

Völlig zu Recht lehnt der Bundesrat insbesonders die geplante Einführung der sogenannten “erweiterten Datennutzung” für die Antiterrordatei ab. Der Begriff bezeichnet die auf Big Data-Techniken gestützte Verknüpfung, Zusammenführung und analytische Auswertung der Daten, auf welche die Antiterrordatei verweist. Besonders problematisch ist dabei, dass sich die Referenzen nicht nur auf Grunddaten konkret Terrorismusverdächtiger beziehen, sondern darüber hinaus auch Datensätze zu Kontaktpersonen einschließlich ungeprüfter Angaben, Vermutungen und Werturteile auffindbar machen. Im Wege der “erweiterten Datennutzung” können diese dezentral gespeicherten Daten miteinander korrelliert und in der Folge daraus aktiv neue Verdächtige generiert werden. Davon sind nicht allein Personen betroffen, die konkret mit dem Terrorismus in Verbindung stehen, sondern auch deren nur flüchtige Kontakte oder gänzlich Unschuldige.

“Die Befugnis zur ‚erweiterten Datennutzung‘ ist bereits aus dem Gesetz über die Rechtsextremismusdatei bekannt, für das eine Evaluierung bis Anfang 2016 vorgesehen ist. Solange diese Bewertung noch aussteht, wäre es nicht nur vorschnell, sondern verfassungsrechtlich unverantwortlich, eine derart weitreichende Zugriffs- und Analysebefugnis für die Antiterrordatei zu schaffen. Da sie nicht nur in spezifischen Einzelfällen, sondern auch im Rahmen größerer Analyseprojekte zum Einsatz kommen könnte, würde eine derartige Nutzung aus einer Verbunddatei zur Informationsanbahnung eine operative Zugriffsdatei machen. Damit würde die informationelle Kooperation von Polizei und Nachrichtendiensten noch weiter als bisher vorangetrieben, was das verfassungsmäßige Trennungsgebot in nicht zu akzeptierenden Maße erodiert. Das Trennungsgebot ist eine elementare Strukturvorgabe des Grundgesetzes, die das Entstehen einer Geheimpolizei verhindern soll. Mit den Verbunddateien im Allgemeinen und der ‚erweiterten Datennutzung‘ im Besonderen wird eine solche Zusammenarbeit jedoch geradezu institutionalisiert und gefördert. Derartige Gesetze atmen den Geist des Zentralismus. Sie sind daher nicht nachzubessern oder zu reformieren, sondern schlichtweg aufzuheben. ”, fordert Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft.