Liebe Freundinnen und Freunde des Digitale Gesellschaft e.V.,
Wo Anfang September noch Tausende gemeinsam mit uns bei der „Freiheit
statt Angst“ gegen Überwachung und für mehr Datenschutz auf die Straße
gingen, hat gut eine Hälfte der Wählerinnen und Wähler sich für
konservative Politik und mithin eine rückschrittliche digitale Agenda
entschieden. Der Wahlausgang erschwert eine fortschrittliche Netzpolitik.
Unsere netzpolitische Arbeit wird nicht leichter werden – dafür aber
umso bedeutsamer, vor allem wenn im Ende eine Große Koalition entsteht.
Die letzte Große Koalition brachte uns Vorratsdatenspeicherung, den
Staatstrojaner und die Netzsperren.
Trotzdem, oder besser deshalb haben wir einen Katalog netzpolitischer
Forderungen für die Koalitionsgespräche veröffentlicht. Wir erlauben
ausdrücklich das Kopieren der Texte – in einem anstehenden
Koalitionsvertrag sollten sich unserer Meinung nach einige der Punkte
wiederfinden.
Euer Digitale Gesellschaft e.V.
Inhalt
1. Koalitionsverhandlungen – Digitaler Wegweiser für die neue Regierung
2. Netzneutralität – Neelie Kroes auf Abschiedstournee
3. Freiheit statt Angst 2013
4. Netzsperren
5. In eigener Sache – Wir haben einen Politischen Referenten
6. Einladung zum 17. Netzpolitischen Abend
7. Die Videos vom 16. Netzpolitische Abend
8. Termine

1. Zehn netzpolitische Herausforderungen für die kommende Legislaturperiode

Der Digitale Gesellschaft e.V. richtet sich im Hinblick auf die
Koalitionsverhandlungen mit einem Forderungskatalog an die künftigen
Regierungsparteien. Unsere Forderungen zielen auf eine zukunfts- und
grundrechtsorientierte, nachhaltige Netzpolitik.
„Das Recht auf Privatsphäre ist für uns ein Kernthema der nächsten
Legislaturperiode. Das betrifft vor allem die europäische
Datenschutzgrundverordnung. Hier muss die neue Regierungskoalition auf
EU-Ebene Mindeststandards durchsetzen, damit ein europäischer
Datenschutz nicht hinter unsere nationalen Standards zurückfällt. Wenn
die künftige Koalition die Privatsphäre der Menschen wirklich
respektieren möchte, muss sie darüber hinaus auch die Funkzellenabfrage
abschaffen und die Vorratsdatenspeicherung endgültig verwerfen.”, so
Volker Tripp, Politischer Referent des Digitale Gesellschaft e.V. und
weiter „Zudem muss die Politik Lehren aus dem Überwachungsskandal
ziehen. Wir erwarten von der neuen Regierung eine bedingungslose Absage
gegenüber jeglicher Form anlassloser staatlicher
Kommunikationsüberwachung. Die Menschen vor einem Überwachungsstaat zu
schützen, bedeutet außerdem, den Export von Überwachungstechnologien
grundlegend zu überdenken. Hier muss es einen politischen
Richtungswechsel geben: weg von rein wirtschaftlichen Interessen hin zu
einer Exportpolitik, die strikt den Schutz der Menschenrechte voranstellt.”
Der, von uns entwickelte Forderungskatalog besteht aus zehn
Themenkomplexen von der Europäischen Datenschutzgrundverordnung über den
Export von Überwachungstechnologien, die Vorratsdatenspeicherung und
Funkzellenabfrage bis hin zu OpenData- und OpenGovernment-Initiativen.
So fordern wir zum Beispiel, dass die zukünftige Bundesregierung sich
zunächst bedingungslos gegen jegliche Form anlassloser staatlicher
Kommunikationsüberwachung aussprechen muss. Jegliche
Telekommunikationsüberwachung, auch nachrichtendienstliche, darf nur in
Ausnahmefällen, vorbehaltlich eines richterlichen Beschlusses und nach
strengen Kriterien stattfinden.
Außerdem fordern wir Rechtsänderungen auf europäischer und nationaler
Ebene. Die zukünftige Bundesregierung sollte sich daher für die
Ergänzung der EU- Urheberrechtsrichtlinie um einen Ausnahmetatbestand
für Remixe einsetzen. Des Weiteren sollte sie eine Änderung des
deutschen Urheberrechtsgesetzes anstreben, so dass das Zitatrecht und
das Recht zur freien Benutzung explizit auch Remixe umfassen.
Ein weiterer Punkt betrifft das Gefahrenpotential geplanter
Premiumangebote für den Innovations- und Wirtschaftsstandort
Deutschland. Im Sinne umfassender Netzneutralität sollte das
Telekommunikationsgesetzes so abgeändert werden, dass eine
Gleichbehandlung der Datenpakete nach dem End-to-End-Prinzip gesetzlich
festgeschrieben wird und ein klares Bekenntnis zum offenen Netz ohne
Einschränkungen erfolgt.

2. Netzneutralität

Die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes hat Mitte
September erneut einen Verordnungsentwurf zur Harmonisierung des
europäischen Binnenmarktes in der Telekommunikation vorgestellt. Dieser
proklamiert Regelungen zum Recht auf einen ‚freien Internetzugang‘ – was
der Digitale Gesellschaft e.V. selbstverständlich begrüßt. Faktisch
zielt er aber, so sind sich alle Beobachter einig, auf eine Abschaffung
der Netzneutralität in Europa.
Wir haben im Rahmen einer Pressemeldung unmittelbar auf die
Klientelpolitik von Kroes reagiert.

Statt das Prinzip der Netzneutralität und damit ein freies und offenes
Internet zu gewährleisten strebt die Vorlage vielmehr eine Legalisierung
der Einführung zusätzlicher Daten- und Surfpakete an. Diese Form
kostenpflichtiger Premiumdienste sollen zwar nur möglich sein, solange
sie ‚die Qualität des Zugangs zum Internet nicht substantiell
beeinträchtigen‘. Wann eine solche substantielle Beeinträchtigung
anzunehmen ist, definiert der Entwurf hingegen nicht. Zudem weicht er
das Prinzip der Netzneutralität durch zahlreiche völlig konturlose
Ausnahmen auf. Für den Basiszugang zum Internet erlaubt er
beispielsweise die Blockierung oder Verlangsamung von Inhalten, wenn
dies der Verhinderung schwerer Straftaten diene. Offen lässt die
Verordnung jedoch, um welche Straftaten es sich dabei genau handele.
Unser Vorstand Markus Beckedahl äußerte sich dazu: „Bei der Anwendung
der Ausnahmeklausel könnten Gerichte auch Verstöße gegen das
Urheberrecht als schwere Straftaten einstufen. Die geplante Verordnung
könnte damit als Hintertür für eine europaweite Einführung von
Netzsperren als präventive Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen
dienen.“

Premiumdienste und diskriminierende Durchleitungssysteme stärken einzig
bestehende Machtverhältnisse im Netz, verhindern Innovation,
beeinträchtigen Meinungs- wie Informationsfreiheit und schaffen
schließlich ein Zweiklassen-Netz. Das wollen wir verhindern.

3. Freiheit statt Angst 2013

Am Samstag, dem 7. September 2013, fand die ‚Freiheit statt Angst
2013
‚-Demo statt.
Mit vielerlei aussagekräftigen Schildern, die Andi und einige eifrige
Helfer gebastelt hatten sowie einem Leporello mit den Forderungen von
Stopsurveillance.org (http://stopsurveillance.org) waren so auch die
Forderungen der DiGiGes Teil der Demo.
Tausende waren gekommen um gemeinsam mit einem Bündnis aus CCC,
Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen wie politischen Organisationen
gegen staatliche Überwachung zu demonstrieren.

4. Netzsperren

Das Europäische Parlament war Mitte des Monats einmal mehr kurz davor im
Rahmen einer Verordnung zum Online-Glücksspiele Netz-Sperren
einzuführen. Erfolgreich haben wir dies gemeinsam mit EDRi und Eurer
Unterstützung (auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken) verhindert!
Der angenommene Bericht enthält zwar noch immer die Möglichkeit der
Erstellung weißer und schwarzer Listen von illegalen Websites (was auch
immer „weiße Listen“ in diesem Zusammenhang heißen sollen) abgewehrt
haben wir aber eine allgemeine Verhinderung des Zugangs zu diesen Websites.

5. In eigener Sache

Seit dem ersten September haben wir mit Volker Tripp die Stelle eines
politischen Referenten besetzt. Volker ist Volljurist und arbeitet als
selbständiger Repetitor mit dem Schwerpunkt öffentliches Recht in
Berlin. Außerdem hat er seit 2010 in der „Breitband“ Redaktion
mitgewirkt und seit 2003 das iD.EOLOGY Netlabel betrieben. Einigen von
Euch ist er daher vielleicht von Deutschlandradio Kultur oder von
Veranstaltungen der CC-Musikszene bekannt. Wir hoffen, mit Volker unsere
politische Arbeit voranzutreiben und weiter zu professionalisieren.

6. Einladung zum 17. Netzpolitischen Abend

Wie jeden ersten Dienstag im Monat findet am 1. Oktober um 20 Uhr in der
c-base unser „Netzpolitischer Abend“ statt. Im ersten Vortrag wird Euch
diesmal unser neuer Politischer Referent Volker Tripp unseren
Forderungskatalog für die künftige Regierungskoalition vorstellen.
Danach richten wir unseren Blick auf die internationalen Perspektiven
von gemeinschaftlich organisierten W-LAN-Hotspots. Wir freuen uns sehr
dafür Sascha Meinrath vom Open Technology Institute und Al Banda von
ActiveSpaces begrüßen zu dürfen. Im Anschluss daran berichtet der
Security-Forscher Morgan Marquis-Boire vom kanadischen Citizenlab über
die Jagd nach Staatstrojanern. Danach wird es wie immer die Möglichkeit
geben, Detailfragen mit unseren Referenten bei Mate oder Bier zu
besprechen und den Abend ausklingen zu lassen.
Selbstverständlich könnt Ihr den Abend auch wieder im Livestream
verfolgen. Ihr findet ihn auf http://c-base.org/.

7. Die Videos vom 16. Netzpolitische Abend

Der letzte Netzpolitische Abend befasste sich mit den Themen
Netzgenossenschaften, Netzneutralität und dem Launch des DiGiGes-Comics
in englischer Sprache. Die Videos findet Ihr hier.

8. Termine

Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments (LIBE) wird
voraussichtlich am 21. Oktober über die Datenschutzgrundverordnung
abstimmen, die den europäischen Datenschutz der nächsten Jahrzehnte
regelt. Wie mächtig Daten sind ist am Beispiel Edward Snowdens unlängst
mehr als deutlich geworden. Notiz an alle: Diesen Termin im Auge behalten!