Pressemitteilung, 10. September 2013

Kroes‘ Klientelpolitik gefährdet Netzneutralität auf europäischer Ebene

Am kommenden Donnerstag wird die Europäische Kommission unter der Leitung der Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes, einen Verordnungsentwurf vorlegen, mit dem ein einheitlicher europäischer Telekommunikationsmarkt geschaffen werden soll. Eine vorzeitig bekannt gewordene Fassung des Entwurfs enthält auch Regelungen zum Recht auf einen „freien Internetzugang“. Der Digitale Gesellschaft e.V. begrüßt die Zielsetzung des Entwurfs, hält jedoch die konkrete Umsetzung für verfehlt, da mit ihr faktisch die Netzneutralität in Europa abgeschafft wird.

„Frau Kroes verspricht uns seit mittlerweile vier Jahren, die Netzneutralität auf europäischer Ebene zu verankern.“, sagt Markus Beckedahl, Vorstand des Digitale Gesellschaft e.V.. „Leider entpuppt sich die nun geplante, längst überfällige Regulierung aber als Mogelpackung.“

Statt das Prinzip der Netzneutralität und damit ein freies und offenes Internet zu gewährleisten, legalisiere der Entwurf die Einführung zusätzlicher Daten- und Surfpakete. Die Kommission leiste auf diese Weise der Zerschlagung des Internet in einen langsamen Basiszugang und schnelle, kostenpflichtige Premiumdienste Vorschub. Zwar sollen diese Premiumdienste nur möglich sein, solange sie „die Qualität des Zugangs zum Internet nicht substantiell beeinträchtigen“. Wann eine solche substantielle Beeinträchtigung anzunehmen ist, definiere der Entwurf hingegen nicht. Rechtsunsicherheiten, Abgrenzungsschwierigkeiten und kostspielige Gerichtsverfahren seien damit bereits vorprogrammiert. „Frau Kroes sind die wirtschaftlichen Interessen der Telekommunikationsunternehmen offenbar wichtiger als ein offenes Netz und die Grundrechte der Nutzer. Ihre Klientelpolitik bereitet den Weg für ein Zwei-Klassen-Internet, das den Netzzugang verteuert und Innovationen verhindert.“, so Beckedahl weiter.

Der Entwurf weiche das Prinzip der Netzneutralität zudem durch zahlreiche völlig konturenlose Ausnahmen auf. Für den Basiszugang zum Internet erlaube er beispielsweise die Blockierung oder Verlangsamung von Inhalten, wenn dies der Verhinderung schwerer Straftaten diene. Offen lasse die Verordnung jedoch, um welche Straftaten es sich dabei genau handele. Beckedahl warnt: „Bei der Anwendung der Ausnahmeklausel könnten Gerichte auch Verstöße gegen das Urheberrecht als schwere Straftaten einstufen. Die geplante Verordnung könnte damit als Hintertür für eine europaweite Einführung von Netzsperren als präventive Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen dienen.“

Inzwischen wurde bekannt, dass auch zahlreiche EU Kommissare gravierende Bedenken gegen den Verordnungsentwurf geäußert haben (hier, und hier). Es bleibt daher zu hoffen, dass die zahlreichen Einwände gegen die Verordnung in der endgültigen Entwurfsfassung Berücksichtigung finden.

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