Seit

Tagen

weigert sich die Bundesregierung,
das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufzuheben.


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Auch in unserer Reihe „In digitaler Gesellschaft“ auf FluxFM sprachen wir über die Weigerung der Bundesregierung, das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung aufzuheben.

Am 21. Dezember 2016 hat der Europäische Gerichtshof zum wiederholten Mal entschieden, dass eine anlasslose Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten aus der elektronischen Kommunikation die EU-Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten verletzt.

Spätestens mit diesem Urteil ist klar, dass auch das Ende 2015 in Kraft getretene deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gegen europäisches Recht verstößt. Zu diesem Ergebnis gelangt Medienberichten zufolge auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der das Gesetz vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung begutachtet hat. Anstatt das Gesetz nun aber unverzüglich aufzuheben, spielt die Bundesregierung auf Zeit und gibt vor, zunächst genauer prüfen zu müssen, ob die deutschen Vorschriften im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH stehen. Schon jetzt weisen aber sowohl das Innen- als auch das Justizministerium darauf hin, dass sie die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung für zulässig halten.

Tatsächlich steht die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung jedoch gleich in mehreren Punkten nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH:

1. Was wird gespeichert?
Welche Daten, Kommunikationsmittel und Personen von der Speicherung betroffen sind, wird im Gesetz entgegen der vom EuGH postulierten Anforderungen nicht hinreichend klar definiert und beschränkt. Die Speicherung ist faktisch anlass- und uferlos.

2. Wo wird gespeichert?
Die Speicherung ist, anders als der EuGH es verlangt, nicht auf ein bestimmtes geografisches Gebiet eingegrenzt. Sie soll vielmehr flächendeckend in ganz Deutschland stattfinden.

3. Wessen Daten werden gespeichert?
Auch die Verbindungs- und Standortdaten von Berufsgeheimnisträgern werden unterschiedslos gespeichert. Der EuGH hält Ausnahmen für diese Personengruppe jedoch für zwingend erforderlich.

4. Wann ist der Zugriff auf die Daten erlaubt?
Laut EuGH dürfen die Strafverfolgungsbehörden nur auf die Daten solcher Personen zugreifen, die einer besonders schweren Straftat verdächtigt werden. Das deutsche Gesetz hingegen erlaubt den Zugriff allgemein zur Verfolgung schwerer Straftaten, ohne dabei den betroffenen Personenkreis einzuschränken. Mit dem bloßen Hinweis auf den Zweck der Strafverfolgung können die Behörden daher auch die Daten Unbeteiligter einsehen.

5. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Der Zugriff auf die Daten muss gemäß der Entscheidung des EuGH einem Richtervorbehalt unterliegen. Aufgrund eines unklar formulierten Verweises ermöglicht die deutsche Regelung es den Verfassungsschutzbehörden jedoch, IP-Adressen ohne richterliche Vorabkontrolle zu erheben.

Diese offenkundige und dreiste Verletzung unserer Grundrechte nehmen wir nicht hin. Wir haben uns deshalb noch im Dezember an die Europäische Kommission gewandt und angeregt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Ende Januar hat uns die Kommission den Eingang unseres Schreibens bestätigt und eine eingehende Prüfung der Vereinbarkeit des deutschen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung zugesichert.

Folgt die Kommission unserer Anregung, wird sie nicht unmittelbar Klage vor dem EuGH erheben, sondern zunächst die Bundesregierung zu einer förmlichen Stellungnahme auffordern. Außerdem wird die Bundesregierung die Möglichkeit erhalten, das Gesetz aufzuheben, um den Verstoß gegen das EU-Recht auf diese Weise selbst zu beseitigen. Wir bleiben in dieser Sache wie gewohnt weiter am Ball und halten Euch selbstverständlich auf dem Laufenden. Der Tageszähler am Beginn dieses Beitrags zeigt Euch, wie lange sich die Bundesregierung schon weigert, Konsequenzen aus dem vom EuGH ausgesprochenen Verbot einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung zu ziehen.

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Hintergründe zum aktuell noch gültigen Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung:
Analyse des Referentenentwurfs: Der rechtsstaatliche Lack ist ab.
Analyse der Leitlinien: Was bedeutet Maas‘ Vorschlag zur VDS
Vorschlag zur VDS: Rechtsstaatskosmetik statt Grundrechtsschutz
Kabinettsbeschluss zur VDS: Überrumpelungstaktik zum Abbau der Grundrechte
Zum SPD-Parteikonvent: Was die Union wirklich will und die SPD verhindern kann
Vorratsdatenspeicherung:SPD trifft historische Fehlentscheidung
Vorratsdatenspeicherung: De Maizière fordert Verschärfungen
Aufruf: EU-Kommission soll Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland stoppen
Vorratsdatenspeicherung im Bundestag: Grundrechtliches Fiasko verhindern!
Kurzbericht: Demo gegen die Vorratsdatenspeicherung
Klares Signal des Generalanwalts: Die Vorratsdatenspeicherung muss weg!
Sieg der Grundrechte: Europäischer Gerichtshof verbannt Vorratsdatenspeicherung auf den Müllhaufen der Geschichte
Brief an EU-Kommission: Deutschland muss Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufheben

Historie und Urteile:
Die Vorratsdatenspeicherung macht 80 Millionen Menschen in Deutschland anlasslos zu Verdächtigen. Ohne dass ihr Nutzen nachweisbar wäre, setzt sie unsere persönlichsten Daten einer hohen Missbrauchsgefahr aus und begründet zugleich eine Kontrollarchitektur, aus der es kein Entrinnen gibt. Sie ist der nächste große Schritt in Richtung eines totalitären Überwachungsstaats.

Warum das so ist und was Du gemeinsam mit uns dagegen tun kannst, erfährst Du im Folgenden.

WAS IST VORRATSDATENSPEICHERUNG?
Im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung sollen Telekommunikationsprovider gesetzlich verpflichtet werden, sämtliche Verbindungs- und Standortdaten der Email- und Telefon-Kommunikation ohne konkreten Anlass über mehrere Monate hinweg aufzubewahren. Wer, wann, wo und wie lange mit wem telefoniert hat, soll dabei ebenso protokolliert werden wie Absender, Adressat, Zeitpunkt und Betreff von versendeten Emails. Polizei und Staatsanwaltschaft sollen die Möglichkeit bekommen, auf diesen Datenbestand zuzugreifen, um schwere Straftaten zu verfolgen und zu verhindern.

WO LIEGEN DIE GEFAHREN?
Mit der Vorratsdatenspeicherung werden die strukturellen Voraussetzungen für eine total überwachte Gesellschaft geschaffen. Sie bedroht nicht nur die Privatssphäre und die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten, sie untergräbt auch den vom Grundgesetz garantierten freiheitlichen Charakter unseres Gemeinwesens.

Welche Gefahren im Einzelnen mit der anlasslosen und flächendeckenden Datenbevorratung verbunden sind, haben nicht zuletzt die Papiere aus dem Snowden-Fundus deutlich gemacht. Verbindungs- und Standortdaten erlauben es, Profile über die soziale Vernetzung einer Person, ihre Lebensgewohnheiten und ihre Aufenthaltsorte zu erstellen und ihr künftiges Verhalten antezipierbar zu machen. So haben auch Forscher der Stanford-Universität kürzlich im Rahmen einer Studie zur Aussagekraft von Verbindungsdaten gezeigt, dass daraus mit hoher Verlässlichkeit auf medizinische, finanzielle oder rechtliche Probleme sowie politische und religiöse Ansichten einer Person geschlossen werden kann. Bereits das Bewusstsein um das Bestehen einer solch tiefgreifenden Überwachungsarchitektur wird viele Menschen dazu veranlassen, mit bestimmten anderen Menschen im Zweifel nicht zu kommunizieren, bestimmte Orte nicht aufzusuchen und von ihren grundgesetzlich garantierten Freiheiten keinen Gebrauch zu machen.

Die Vorratsdatenspeicherung befördert auf diese Weise konformistisches Verhalten und ebnet den Weg in eine Einheitsgesellschaft.

Die für ein vertrauensvolles Miteinander und für den demokratischen Prozess besonders wichtigen Verschwiegenheitspflichten werden durch die Vorratsdatenspeicherung nachhaltig entwertet. Anhand der Verbindungsdaten lässt sich nachvollziehen, wann, wo und wie lange eine Person sich etwa mit Anwälten, Ärzten oder Geistlichen unterhält. Da diese Daten zudem Rückschlüsse auf die Inhalte solcher Gespräche erlauben, berührt die Vorratsdatenspeicherung den Wesenskern dieser Vertrauensverhältnisse. Gleiches gilt für den journalistischen Quellenschutz. Seine Funktion als vierte Gewalt in einem demokratisch verfassten Staat kann der Journalismus nur dann erfüllen, wenn für Informanten und Whistleblower beim Kontakt mit Journalisten die Gewissheit besteht, dass sie nicht enttarnt werden.

Die Vorratsdatenspeicherung tangiert damit nicht nur das Grundrecht der Pressefreiheit, sondern das demokratische Gefüge der Bundesrepublik insgesamt.

Die anlasslose Anhäufung von Verbindungsdaten wird darüber hinaus weitere Begehrlichkeiten wecken. Neben den Strafverfolgungsorganen dürften auch andere staatliche Stellen und privatwirtschaftliche Akteure wie Banken und Versicherungen großes Interesse an den gesammelten Daten haben. Letztere sind bereits heute bemüht, ihre Kunden durch Scoring- und Profilingalgorithmen zu kategorisieren und zu bewerten. Die Verbindungsdaten würden es ihnen erlauben, ein noch sehr viel genaueres Bild einer Person, ihrer sozialen Sphäre und ihrer Gewohnheiten zu zeichnen, um beispielsweise die Konditionen für Kredite und Policen entsprechend anzupassen. Wer zu viel, zu wenig oder mit den falschen Personen kommuniziert, könnte dann schlechtere Vertragsbedingungen erhalten oder als Vertragspartner komplett ausscheiden. Jüngst hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Verbraucher zwar Auskunft darüber verlangen können, welche Daten die Schufa über sie speichert, nicht jedoch über deren Verarbeitung, Gewichtung und algorithmische Aufbereitung. Hier wird der in der Maxime „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ liegende Trugschluss besonders fassbar: wer nicht weiß, welche seiner Verhaltensspuren Dritte bei der Beurteilung seiner Kreditwürdigkeit wie bewerten und mit anderen persönlichen Daten verknüpfen, kann auch nicht wissen, ob und was er zu verbergen hat.

Ist die Vorratsdatenspeicherung erst einmal etabliert, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch solche Unternehmen für ihre Zwecke Interesse an der Nutzung der staatlich verordneten Datensammlung anmelden.

Eine weitere eklatante Gefahr liegt in dem Missbrauch der gespeicherten Vorratsdaten durch Kriminelle. Die kaum überschaubare Vielzahl der Fälle von Datendiebstahl, unter anderem bei Telekommunikationsprovidern wie der Telekom und Vodafone, belegt eindrucksvoll, dass selbst hoch sensible Daten niemals völlig sicher vor dem Zugriff Dritter sind. Befürworter der Vorratsdatenspeicherung argumentieren gern damit, dass Verbindungsdaten bereits heute in großem Umfang zu Abrechnungszwecken gespeichert werden, weshalb die Vorratsdatenspeicherung die Missbrauchsgefahr nicht erhöhe. Diese Überlegung ist durchweg falsch. Zunächst speichern die Provider Verbindungsdaten von Flatrate-Kunden in der Regel nicht, da sie in diesen Fällen gar nicht für die Abrechnung benötigt werden. In allen anderen Fällen halten Provider diese Daten maximal sieben Tage lang vor. Auch wenn dadurch bereits grundsätzlich Missbrauchsmöglichkeiten entstehen, so sind diese jedenfalls bei der maximal eine Woche dauernden Speicherung der Verbindungsdaten allein der Nicht-Flatrate-Kunden weitaus kleiner als bei einer mehrmonatigen Aufbewahrung ausnahmslos sämtlicher Verbindungsdaten aus jeglicher Form der elektronischen Kommunikation aller Menschen in Deutschland.

Die Vorratsdatenspeicherung eröffnet daher sowohl Anreize als auch Gelegenheiten für die Begehung von Straftaten, die von Wirtschaftsspionage bis hin zur Ausforschung und Erpressung einzelner Personen reichen können.

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RECHTSLAGE
Hintergrund der Vorratsdatenspeicherung ist eine mittlerweile aufgehobene EU-Richtlinie von 2006. Diese Richtlinie verpflichtete die Mitgliedsstaaten dazu, die anlasslose Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten und ihre Verwendung durch Strafverfolgungsbehörden gesetzlich zu regeln.

Bundesverfassungsgericht: Volkszählungsurteil vs. Vorratsdatenspeicherung
Deutschland hatte diese Richtlinie zwar bereits im Jahr 2008 umgesetzt, das entsprechende Gesetz wurde jedoch 2010 vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Die Richter sahen allerdings nur die konkrete Augestaltung des Gesetzes als verfassungswidrig an, während sie die Vorratsdatenspeicherung als solche in engen Grenzen für zulässig hielten.

Die Entscheidung rückte damit von einem zentralen Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 im berühmten Volkszählungsurteil aufgestellt hatte, ab. Danach ist es dem Staat gerade nicht erlaubt, Daten über seine Bürger massenhaft und ohne Anlass auf Vorrat zu sammeln und auszuwerten. Der “gläserne Bürger”, über den der Staat alles weiß, widerspricht laut Volkszählungsurteil dem freiheitlichen Menschen- und Gesellschaftsbild des Grundgesetzes.

Demgegenüber stellten sich die Richter in der Entscheidung von 2010 auf den Standpunkt, dass die anlasslose Bevorratung von Verbindungsdaten gerade noch zulässig sei, wenn die Datensammlung dezentral bei den Telekommunikationsprovidern und nicht unmittelbar durch den Staat selbst erfolge. In diesem Fall, so das Gericht, sei die Gefahr eines Missbrauchs der Daten durch behördliche Stellen, etwa im Wege der Profilbildung und lückenlosen Ausforschung der Privatsphäre, nicht gegeben. Solange der staatliche Zugriff auf die gespeicherten Daten hohen, gesetzlich klar geregelten Hürden unterliege und nur im Einzelfall zur Verfolgung oder Prävention schwerer Straftaten stattfinde, sei die Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundgesetz vereinbar.

Überwachungsgesamtrechnung muss neu bewertet werden
Diese Einschätzung muss im Lichte der Snowden-Veröffentlichungen ebenso wie der vom Bundesverfassungsgericht immer wieder eingeforderten Überwachungsgesamtrechnung grundlegend revidiert werden. Danach kommt es für die Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme nicht nur auf das Gewicht der einzelnen Maßnahme selbst an. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Maß sie im Zusammenspiel mit anderen, bereits existierenden Überwachungsmaßnahmen die Privatsphäre verkürzt.

In Deutschland gibt es bereits Funkzellenabfrage, Bestandsdatenauskunft, Videoüberwachung öffentlicher Plätze, den großen Lauschangriff und viele andere Überwachungsinstrumente mehr. Mit der Vorratsdatenspeicherung gewinnt die Überwachung der Gesellschaft endgültig einen flächendeckenden und lückenlosen Charakter, der es für die Menschen in Deutschland unmöglich macht, unbefangen von ihren grundrechtlich garantierten Freiheiten Gebrauch zu machen. Die Kombination der Daten aus unterschiedlichen Überwachungsinstrumenten erlaubt zudem ein derart tiefes Eindringen in den Wesenskern der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung, dass diese Grundrechte damit faktisch beseitigt werden. Anschaulich belegen dies etwa die Enthüllungen zum NSA-Programm CO-TRAVELLER. Durch die Verknüpfung von Verbindungsdaten aus der Vorratsdatenspeicherung mit Standortdaten aus der Funkzellenabfrage ermöglicht die Software sowohl ein exaktes Abbild der sozialen Kontakte als auch die Verfolgung des Aufenthaltsorts einer beliebigen Person bis in privateste Räumlichkeiten hinein.

Urteil des EuGH im April 2014
Im April 2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Richtlinie entschieden und sie wegen Verletzung der EU-Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten als ungültig verworfen. Dabei gingen die Richter sogar über den Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón hinaus. Der hatte im Dezember 2013 die Ansicht vertreten, dass die Richtlinie in ihrer konkreten Ausgestaltung zwar gegen Grundrechte verstoße, eine Bevorratung von Verbindungsdaten zum Zweck der Strafverfolgung aber grundsätzlich zulässig sei und dem EU-Gesetzgeber daher eine Frist zur Nachbesserung eingeräumt werden solle. Obwohl die Richter die Auffassung Cruz Villalóns grundsätzlich teilten, gingen ihre Bedenken so weit, dass sie nicht nur Korrekturen an der Richtlinie verlangten, sondern sie gänzlich für nichtig erklärten.

Aus dem Urteil folgt zunächst, dass es für die Mitgliedsstaaten nun keine Pflicht mehr zur Umsetzung der Richtlinie gibt. Ob es zu einer Neuauflage der Richtlinie kommen wird, ist derzeit unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar. Dazu müsste zunächst die EU-Kommission einen neuen Entwurf vorlegen, anschließend müssten Parlament und Ministerrat darüber beraten und Beschluss fassen. Wie Ende Februar schon EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermanns sagte auch Innenkommissar Dimitris Avramopoulos bei einem Treffen der EU-Innenminister Mitte März 2015, dass die Kommission keinen neuen Anlauf für eine Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung plane. Gleichwohl hat Avramopoulos nur kurz darauf ein öffentliches Konsultationsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung angestoßen. Auf den ersten Blick stellt ein solches Vorgehen die Verlässlichkeit der Aussage, die Kommission werde keine neue Richtlinie auf den Weg bringen, in Frage. Hintergrund könnte jedoch auch sein, dass die Juristen der Kommission zu dem (zutreffenden) Schluss gelangt sind, dass eine Vorratsdatenspeicherung nach dem Urteil des EuGH rechtlich nicht mehr möglich ist. Das Konsultationsverfahren wäre dann lediglich eine Reaktion auf den politischen Druck aus den Mitgliedstaaten, die – wie etwa Deutschland – weiterhin die Einführung der Vorratsdatenspeicherung fordern. Die Kommission muss sich auf diese Weise nicht vorhalten lassen, gänzlich untätig zu sein, während sie es zugleich vermeidet, tatsächlich einen neuen Richtlinienvorschlag vorzulegen.

Einen Kommentar zum Urteil und zu seinen Folgen findet Ihr hier, eine ausführliche Analyse zu seinen Auswirkungen auf andere Arten der Vorratsdatenspeicherung hier.

Urteil des EuGH im Dezember 2016
Im Dezember 2016 traf der Europäische Gerichtshof erneut eine Entscheidung über gesetzliche Regeln zur Vorratsdatenspeicherung. In den betreffenden Verfahren ging es um die Frage, ob die entsprechenden mitgliedstaatlichen Gesetze in Schweden und im Vereinigten Königreich gegen EU-Grundrechte verstoßen. Die Entscheidung kam einem Paukenschlag gleich: Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine anlasslose Speicherpflicht von Verbindungs- und Standortdaten aus der elektronischen Kommunikation stets gegen die EU-Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten verstoßen. Außerdem stellte das Gericht klar, dass auch mitgliedstaatliche Gesetze, die eine solche Speicherpflicht vorsehen, an europäischen Grundrechten zu messen sind. Anlasslose Speicherpflichten sind also mit EU-Grundrechten schlichtweg unvereinbar, egal ob sie in einer europäischen Richtlinie oder in einem nationalen Gesetz geregelt werden.

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