Gestern verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine wegweisende Entscheidung über mitgliedstaatliche Gesetze zur Vorratspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten aus der elektronischen Kommunikation. Dabei erteilten die Luxemburger Richter flächendeckenden, anlass- und verdachtsunabhängigen Datensammlungen eine deutliche Absage.

Im Kern besagt die Entscheidung, dass die Bevorratung von Informationen über Kommunikationsvorgänge (wie beispielsweise Ort, Zeit, Dauer, Teilnehmer, IP-Adressen und Kommunikationsmittel) nur zulässig ist, solange sie Ausnahmecharakter hat und nicht zur Regel wird. Nach Ansicht der Richter muss außerdem der Personenkreis, welcher von der Datensammlung betroffen ist, effektiv eingegrenzt werden. Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass die Sammlung auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt wird oder nur Daten von Personen gesammelt werden, die einen objektiven Bezug zu einem konkreten Verdacht aufweisen.

Diesen Kriterien hält die erst Ende vergangenen Jahres in Kraft getretene deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht stand. Gleichwohl haben Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium bereits gegenüber der Presse geäußert, dass sie das Gesetz wohl für vereinbar mit den europäischen Vorgaben halten.

„Nach dem klaren Richterspruch weiterhin an der anlasslosen Protokollierung des Kommunikationsverkehrs festzuhalten, grenzt an Realitätsverweigerung. Da die verantwortlichen Ministerien offenbar uneinsichtig bleiben wollen, haben wir uns heute schriftlich an die EU-Kommission gewandt und um Prüfung gebeten, ob ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet werden muss. Die pauschale Behandlung der Bevölkerung als potenziell Verdächtige muss ein Ende haben.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Unser Schreiben an die EU-Kommission finden Sie hier (.pdf). Im Zuge eines Vertragsverletzungsverfahrens können die Mitgliedstaaten gezwungen werden, Verstöße gegen das EU-Recht abzustellen.

Eine Meinung zu “Brief an EU-Kommission: Deutschland muss Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufheben

  1. Jörg B. sagt:

    Ich geb‘ mal wieder nen Tipp ab:
    Unsere kontrollbesessenen Politpromies und „Sicherheits“fanatiker („Supergrundrecht“) werden jetzt eine nationale Vorratsdatenspeicherung auf den Weg bringen, die sich zunächst augenscheinlich am heutigen Urteil des Eur. Gerichtshofes entlanghangeln wird.

    Im Detail werden dann aber wieder so laxe/weit auslegbare Formulierungen eingebaut, dass der erneute Gang zu Gericht absehbar sein wird. Ggf. werden noch geheime Abkommen auf den Weg gebracht, die erst mal wieder ge-whistleblow-d werden müssten.

    In der Zwischenzeit wird gespeichert, was das Zeug hält.

    Und vermutlich im Nachhinein wird sich noch rausstellen, dass Provider „bedauerlicherweise“ mehr und länger Daten weggespeichert haben, als sie eigentlich müssten.
    Als Steigerung dürfte vielleicht noch der BND/Verfassungsschutz/NSA zusätzlich an alle Live-Daten der TK-Unternehmen/Internetknoten dran, wg. Terrorismusbekämpfung, wg. „nationaler Sicherheit“ – sie verstehen.

    Warten wir es ab…

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