„Wer in blindem Aktionismus Freiheiten opfert, spielt den Terroristen in die Hände. Es ist schlicht verantwortungslos, massive Grundrechtseingriffe im Namen der Terrorbekämpfung durchzuwinken, ohne dass es irgendeinen Nachweis für die Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Statt Europa mit immer neuen Sicherheitsplacebos in einen Kontinent der Überwachung zu verwandeln, brauchen wir endlich evidenzbasierte Strategien gegen Gewalt und Extremismus.“, fordert Alexander Sander, Hauptgeschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.
Der Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments (EP) hat heute über die geplante Terrorismusrichtlinie abgestimmt und damit zugleich seine Position für die nun folgenden Trilog-Verhandlungen festgelegt. Schon der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der EU-Kommission wurde unter dem Eindruck der Anschläge von Paris im vergangenen November im Schnellverfahren ohne Folgenabschätzung erstellt. Obwohl bislang keinerlei Nachweise über Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit der dort vorgesehenen Anti-Terror-Maßnahmen vorliegen, votierte der Ausschuss nun sogar für eine deutliche Verschärfung des Kommissionsvorschlags. Nach dem LIBE-Beschluss soll es neben Netzsperren künftig auch mehr Überwachung innerhalb und außerhalb des Netzes geben.
Mit den Änderungen werden die EU-Mitgliedstaaten dazu angeregt, terroristische Online-Propaganda aus dem Netz zu entfernen oder den Zugang zu diesen Inhalten zu blockieren. Das soll einerseits durch Selbstverpflichtungen der Diensteanbieter geschehen, andererseits durch staatliche, sanktionsbewehrte Anordnungen. Der LIBE-Ausschuss spricht sich außerdem für eine Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse bei der Verfolgung terroristischer Aktivitäten aus. Zwar hat sich der Ausschuss dagegen entschieden, ausdrücklich die Durchsuchung privater Computer, heimliche elektronische Überwachung oder Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen in privaten oder öffentlichen Fahrzeugen zu fordern; der verabschiedete Text ist allerdings so unscharf formuliert, dass sich derartige Maßnahme ohne Weiteres hinein lesen lassen. Der LIBE-Ausschuss hat damit die Chance vertan, klare rote Linien zum Schutz der Grundrechte zu ziehen. Mit Blick auf die nun folgenden Trilog-Verhandlungen kann dies durchaus als Angebot an den Ministerrat verstanden werden. Der hatte sich bereits im März dieses Jahres ausdrücklich für solche Überwachungsmaßnahmen ausgesprochen.