„Mit der Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung hat das EU-Parlament den Weg in ein komplett überwachtes Europa geebnet. Statt ihrer Verantwortung nachzukommen und die Grundrechte von 500 Millionen Europäern zu verteidigen, sind die Abgeordneten auf das sicherheitsesoterische Geschwurbel konservativer Hardliner reingefallen. Tatsächlich fehlen bis heute jegliche Belege und Indizien für die Wirksamkeit anlassloser Massenüberwachung bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität.“, erklärt Alexander Sander, Hauptgeschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

„Bundesregierung und Bundestag dürfen diese offenkundig grundrechtswidrige Richtlinie nun keinesfalls umsetzen, sondern müssen sie vom Europäischen Gerichtshof kassieren lassen. Gegen ein deutsches Gesetz zur Massenüberwachung des Reiseverkehrs werden wir uns mit allen zur Verfügung stehenden politischen und juristischen Mitteln zur Wehr setzen.“, so Sander weiter.

Das Europäische Parlament hat heute die umstrittene Richtlinie zur Einführung eines EU-weiten Systems zur Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten beschlossen. Bei allen Flügen aus der und in die EU werden danach pro Passagier und Flugbuchung bis zu 60 Einzeldaten jeweils fünf Jahre lang gespeichert. Neben Angaben wie Name, Anschrift, Sitzplatz und Flugnummer befinden sich darunter auch sensible Informationen wie Essenwünsche, Kreditkartendaten oder E-Mail-Adressen. Die Daten werden permanent gerastert und mit anderen Datenbanken abgeglichen, um auffällige Verhaltensmuster aufzudecken und aktiv neue Verdächtige zu generieren. Bei innereuropäischen Flügen ist die Speicherung zwar ins Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt, die EU-Innenminister haben aber bereits im Dezember 2015 geschlossen die Teilnahme an dem System verabredet. Vorgeblich soll all das zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität dienen.

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Dabei gibt es bislang noch nicht einmal Indizien, geschweige denn Beweise dafür, dass derartige Massenüberwachung ein geeignetes oder gar effektives Mittel zur Erreichung dieses Ziels darstellt. So konnten sich etwa im vergangenen Jahr die Terroranschläge von Paris ereignen, obwohl Frankreich schon seit 2006 Kommunikations- und Fluggastdaten anlasslos speichert. Wie schon die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten ist auch die Bevorratung von Fluggastdaten offensichtlich unverhältnismäßig und verstößt deshalb klar gegen die EU-Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten.

Statt nun eilends die Umsetzung in deutsches Recht voranzutreiben, müssen Bundesregierung und Bundestag vielmehr ihre verfassungsmäßige Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte wahrnehmen und die Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof angreifen. Sollte das nicht geschehen, so wird der Digitale Gesellschaft e.V. alle politischen und juristischen Mittel ausschöpfen, um ein deutsches Gesetz zur Massenüberwachung des Reiseverkehrs zu kippen.