„Mit der Totalüberwachung des Reiseverkehrs schlägt die EU einen gefährlichen Irrweg ein. Die geplante Richtlinie wird allenfalls ein trügerisches Sicherheitsgefühl auf Kosten der Grundrechte erzeugen. Bis heute fehlen Belege für die Wirksamkeit der Fluggastdatenspeicherung bei der Bekämpfung schwerer Straftaten. Außerdem hat der Europäische Gerichtshof anlasslosen Massendatensammlungen schon im vergangenen Jahr eine klare Absage erteilt. Statt den Fehler des Innenausschusses zu wiederholen, muss das Plenum die Verabschiedung der Richtlinie daher unbedingt verhindern.“, fordert Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft.
Heute hat der Innenausschuss des EU-Parlaments der geplanten Richtlinie zur anlasslosen Speicherung von Fluggastdaten zugestimmt. Die Kompromissfassung, die Unterhändler Timothy Kirkhope im Rahmen der Dreiecksgespräche zwischen Kommission, Ministerrat und Parlament ausgehandelt hatte, entspricht weitestgehend den Wünschen der Mitgliedstaaten.
Bei Flügen von der und in die EU sollen bis zu 60 Einzeldaten pro Passagier und Flug zunächst für sechs Monate offen und für weitere viereinhalb Jahre „maskiert“ in zentralen „Passenger Information Units“ gespeichert werden. Auch bei innereuropäischen Flügen ist die Erfassung dieser Daten vorgesehen. Neben Informationen wie Name und Anschrift der Passagiere unterliegen unter anderem auch Angaben zu Kreditkartennummern, Mailadressen oder dem verzehrten Bordessen der Speicherung. Die Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten dürfen ebenso wie Europol zur Bekämpfung und Verfolgung schwerer Straftaten auf diese Daten zugreifen. Ein Austausch der Informationen zwischen diesen Stellen soll zwar nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Mitgliedstaaten können jedoch eine Selbstverpflichtung zum Datenaustausch zu unterzeichnen.
Bereits am vergangenen Freitag hatten die im Rat vertretenen Innenminister der Mitgliedstaaten dem Vorhaben grünes Licht erteilt. Die finale Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments wird voraussichtlich Mitte Januar 2016 stattfinden. Statt die Richtlinie voreilig durchzuwinken, müssen die Abgeordneten die Totalüberwachung des Reiseverkehrs dabei unbedingt verhindern.
Schon im Urteil zur Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) anlasslose Sammlungen personenbezogener Daten ausdrücklich verboten. Aktuell überprüft der EuGH außerdem das geplante Fluggastdatenabkommen zwischen der EU und Kanada auf die Vereinbarkeit mit Grundrechten. Eine Verabschiedung der Richtlinie würde dieser Entscheidung vorgreifen und muss bereits aus diesem Grund unterbleiben. Obendrein gibt es bislang keine Belege für die Wirksamkeit anlassloser Massenüberwachung bei der Bekämpfung terroristischer Gewalt und anderer schwerer Straftaten. Im Gegenteil hat sich der Ausbau von Befugnissen zur Datensammlung, wie er etwa in Frankreich nach dem Überfall auf das Satiremagazin Charlie Hebdo im Januar 2015 betrieben wurde, gerade nicht als probates Mittel erwiesen, um derartige Verbrechen zu verhindern.
Bereits im Februar 2015 haben wir einen umfangreichen Übersichtsartikel zum Umfang und zur rechtlichen Bewertung der Richtlinie sowie der Abkommen zur Fluggastdatenspeicherung veröffentlicht. Außerdem hatten wir eine Video-Kampagne ins Leben gerufen, um die Überwachung des Reiseverkehrs zu verhindern.