Seit einigen Tagen informiert Facebook seine Nutzerinnen und Nutzer über bevorstehende Veränderungen bei den Datenschutzbestimmungen, den Nutzungsbedingungen und der Cookies-Richtlinie. Die veränderten Regeln sollen künftig nicht nur für Facebook selbst, sondern auch für andere Dienste und Anwendungen des Unternehmens wie zum Beispiel WhatsApp und Instagram gelten. Während Facebook versucht, die Neuerungen als Fortschritt in Sachen Datenschutz und Privatsphäre zu vermarkten, geht es dem sozialen Netzwerk tatsächlich aber darum, Zielgenauigkeit und Preise seiner Werbung zu erhöhen. Leitendes Interesse für die Neuerungen ist nicht das Wohl der Nutzerinnen und Nutzer, sondern Wert und Gewinn des börsennotierten Unternehmens Facebook Inc.

Neu ist zunächst, dass Nutzerinnen und Nutzer von Facebook ungewollte Werbung und Werbeformen nicht mehr nur auszublenden können, sondern auch Informationen darüber erhalten, warum eine Anzeige als für sie relevant betrachtet wird. Indem sie sich dabei auch noch selbst direkt bestimmten Werbezielgruppen zuordnen, nehmen sie Facebook ganz nebenbei die Marktforschungsarbeit ab, sogar zum Nulltarif. So kann die Werbung sie künftig noch zielgenauer erreichen, was es Facebook erlaubt, seine Anzeigen noch hochpreisiger zu vermarkten.

Außerdem plant das soziale Netzwerk, Ortsangaben stärker in die personalisierte Werbung einzubeziehen und eine „Kaufen“-Schaltfläche einzuführen. Sie soll den Erwerb von Produkten ermöglichen, ohne Facebook dafür verlassen zu müssen. Unerwähnt bleibt, dass das Unternehmen auf diese Weise auch das Konsumverhalten seiner Nutzerinnen und Nutzer erheben und auswerten kann. Was Facebook als Verbesserung des Nutzungserlebnisses beschönigt, ist nichts weiter als der dreiste Versuch, die Ausweitung des Portfolios an gesammelten und zu Werbezwecken genutzten personenbezogenen Informationen mit Zuckerguss zu überziehen.

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Facebook gab außerdem bekannt, dass es demnächst die Werbeplattform Atlas einsetzen wird. Das System ermöglicht es, das Surfverhalten der Nutzerinnen und Nutzer auch außerhalb von Facebook geräteübergreifend zu verfolgen und auszuforschen. Über die Mitgliedschaft bei Facebook und die Gerätenummern kann Atlas Personen eindeutig identifizieren und Informationen über ihr Tun im Netz sammeln. Nutzerinnen und Nutzer müssen dazu nicht einmal mehr eine bestimmte Aktion ausführen, wie etwa das Betätigen eines Like-Buttons – es reicht, dass sie Apps nutzen oder Webseiten besuchen, bei denen im Hintergrund das Atlas-System läuft. Faktisch bedeutet dies eine durchgängige Überwachung der Menschen, wann und wo auch immer sie sich im Netz bewegen. Dadurch wird es für Nutzerinnen und Nutzer demnächst beinahe unmöglich, sich dem Datenhunger des Unternehmens zu entziehen – es sei denn, sie verzichten auf die Verwendung von Facebook.

Umgekehrt schafft Facebook zumindest oberflächlich betrachtet auch ein klein wenig mehr Transparenz in eigener Sache: wer sich durch die neuen Richtlinien und Bedingungen klickt, kann in einer bislang unbekannten Offenheit von den angewandten Techniken zur Datensammlung und -verarbeitung lesen – jedoch ohne etwas über den Gesamtzusammenhang der allumfassenden Kommunikationsauswertung zu erfahren. Nutzerinnen und Nutzer haben darüber hinaus ohnehin keine Möglichkeit, der Anwendung dieser Methoden zu widersprechen – wer Facebook ab dem 01.01.2015 nutzt, stimmt den Veränderungen der Nutzungsbedingungen und Richtlinien automatisch zu. Facebook lässt sich damit den Einsatz von intrusiven Technologien wie Cookies und Pixeltags/iBeacons offiziell absegnen.

Vor diesem Hintergrund trägt auch die neu geschaffene Rubrik „Grundlagen zum Datenschutz“ kaum zu einer Verbesserung bei. Facebooknutzerinnen und -nutzer erhalten dort zwar eine Anleitung, wie sie kontrollieren können, was andere Nutzerinnen und Nutzer über sie erfahren. Doch auch dieser Versuch bleibt halbherzig. So ist bereits fraglich, ob Menschen die „Grundlagen zum Datenschutz“ überhaupt jemals aufrufen. Und wenn doch, sind sie vermutlich schnell von der Masse an Informationen erschlagen, die ihnen dort angeboten wird. Das schlichte Design soll Übersichtlichkeit simulieren – sich durch die einzelnen Infobereiche und Kurzpräsentationen zu klicken, ohne den Überblick zu verlieren, ist jedoch beinahe unmöglich.

Und hier schließt sich der Kreis: dass Menschen viele personenbezogene Informationen über sich preisgeben, ist Teil des Geschäftsmodells von Facebook. Das Unternehmen will die Kommunikation der Nutzerinnen und Nutzer untereinander stimulieren, weil ihm jede Kommunikation weitere Informationen liefert, mit denen es sein Werbenetzwerk optimieren kann. Die Preisgabe und Verwertung persönlicher Informationen sind das Kernanliegen des Unternehmens – zu behaupten, Facebook sei der Datenschutz besonders wichtig, wäre geradezu höhnisch.

Wer seine Privatsphäre wirklich schützen will, sollte deshalb selbst Maßnahmen ergreifen, statt dem Marketing von Facebook zu vertrauen. In den Browsereinstellungen lässt sich die Nutzung von Cookies deaktivieren oder zumindest eine Löschung nach jeder Sitzung anordnen. Auf www.youronlinechoices.com/de/praferenzmanagement können Nutzerinnen und Nutzer angeben, dass sie von personalisierter Werbung nicht erreicht werden möchten. Mit Browsererweiterungen wie NoScript und uBlock Origin können Javascript und Beacons blockiert werden. Wer nach so viel bitterer Medizin allerdings endgültig von Facebook geheilt ist, hat natürlich auch die Möglichkeit, ganz auf eine Mitgliedschaft in dem sozialen Netzwerk zu verzichten und sich stattdessen alternativen Plattformen, wie zum Beispiel Ello, zuzuwenden.

 

4 Meinungen zu “Facebooks neuer Datenschutz: Ein wenig Zucker und viel bittere Medizin

  1. Bettina Berens sagt:

    Ich bin Laie, habe folgende Frage:
    Wenn ich auf demselben PC zwei Browser installiere, Yandex z.B. und Modzilla, und ich nach jeder Yandex-Nutzung den PC neu hochfahre und dann Modzilla nutze, ist das ein laienhafter aber gangbarer Weg, um es Zuckerberg ein wenig schwieriger zu machen?

    • ich sagt:

      Jein. 2 unterschiedliche Browserprofile, ohne PC neustarten sollte den dadurch maximal erreichbaren Effekt auch schon erreichen. Die Frage ist: Was wollen Sie damit erreichen?

      * Wenn Sie dafuer sorgen wollen, dass Facebook Ihr Surfverhalten auf andren Webseiten nicht ohne weiteres (IP, biometrische Eigenschaften, ..) ihrem Benutzerprofil zuordnen kann: Ja, das funktioniert.
      * Wenn Sie nicht wollen, dass jemand den Sie nicht kennen ein komplettes Persoenlichkeitsprofil von Ihnen bekommt: Nein, das funktioniert nicht.

      Zu fragen ob man Facebook ohne Nebenwirkungen nutzen kann ist zu fragen ob man Alkohol trinken kann ohne betrunken zu werden. Wenn Sie nicht betrunken werden wollen/noch Autofahren wollen, gibt es nur einen Weg: Trinken Sie nicht. Wenn es dafuer nicht schon zu spaet ist.

  2. Ernesto sagt:

    +1 für den Text, aber … Ello als Alternative? Irgendwie fehlt mir der Grund, warum Ello auch nur ein Quant besser sein soll als Facebook … es ist zur Zeit finanziert durch Riskikokapital und wird früher oder später ein Geschäftsmodell brauchen. Da es kostenlos ist, wird auch Ello Daten verkaufen müssen – oder kostenpflichtig werden, was der Tod der Plattform wäre. Es ist Closed Source, und es ist ebenfalls zentral. Was genau ist daran also besser?

  3. Marian sagt:

    Statt auf facebook ganz zu verzichten, was wohl die wenigsten tun werden, kann man einfach einen eigenen Browser dafür verwenden. Das sollte zumindest sämtliches tracking durch facebook auf Seiten außerhalb von facebook verhindern.

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