Bundesjustizminister Heiko Maas will die Vorratsdatenspeicherung vorerst zurückstellen. Er werde keinen neuen Gesetzesentwurf für ihre Einführung in Deutschland vorlegen, bevor der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Frühjahr 2014 über die Vereinbarkeit der entsprechenden EU-Richtlinie mit europäischen Grundrechten entschieden habe, erklärte er in einem Spiegel-Interview. Die Richtlinie zwingt die EU-Mitgliedsstaaten bisher, die anlasslose Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten auf nationaler Ebene gesetzlich zu regeln. Bereits im Dezember 2013 hatte der einflussreiche Generalanwalt Pedro Cruz Villalón vor dem EuGH die Ansicht vertreten, die Richtlinie verstoße in ihrer jetzigen Form gegen EU-Grundrechte.

„Wir freuen uns über die besonnene Haltung des Bundesjustizministers zur Vorratsdatenspeicherung.“, sagt Volker Tripp, politischer Referent des Digitale Gesellschaft e.V.. „Nun wird es darauf ankommen, diese auch gegen Widerstände innerhalb der Koalition konsequent durchzusetzen. Eine vorschnelle Einführung der Vorratsdatenspeicherung verbietet nicht nur der Respekt vor der Rechtsprechung des EuGH, sie wird auch in der Koalitionsvereinbarung nirgends gefordert. Im Gegenteil findet sich gerade dort ein gewichtiges Argument für die Ansicht des Ministers.“.

Zwar sieht die Koalitionsvereinbarung eine gesetzliche Regelung der Vorratsdatenspeicherung vor, zur Begründung enthält sie jedoch lediglich den lapidaren Verweis auf die ansonsten drohenden Strafzahlungen wegen Nichtumsetzung der EU-Richtlinie. Tripp folgert: „Kippt der EuGH die Richtlinie, so entfällt mit dem Umsetzungszwang auch die vereinbarte Grundlage für das Vorhaben der Koalition. Es wäre damit politisch wie EU-rechtlich endgültig unhaltbar.“.

Verlangt das Gericht hingegen nur eine Nachbesserung der Richtlinie, ohne sie gänzlich zu verwerfen, so hält es der Digitale Gesellschaft e.V. immer noch für dringend geboten, dass die Bundesregierung ihre Pläne zur anlasslosen Kommunikationsüberwachung aufgibt.

Volker Tripp erläutert: „Der Bundesjustizminister ist völlig zu Recht besorgt über das enorm hohe Missbrauchspotential, das eine solche flächendeckende Datensammlung mit sich brächte. Der totalitäre Charakter der Massenspeicherung persönlicher Daten, den nicht zuletzt die Snowden-Enthüllungen eindringlich begreifbar gemacht haben, widerspricht fundamental dem offenen Gesellschaftsbild des Grundgesetzes. Statt eine Überwachungsinfrastruktur zu errichten, deren Gefahren in krassem Missverhältnis zu ihrem kaum nachweisbaren Nutzen stehen, sollte Schwarz-Rot eine freiheitliche Gesellschaft verteidigen und in der EU eine Vorreiterrolle beim Schutz der Grundrechte und der Achtung der Privatsphäre einnehmen. Besteht die Richtlinie fort, so erwarten wir daher von der Regierung, dass sie auf die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verzichtet und sich auf EU-Ebene mit Nachdruck für die ersatzlose Aufhebung der Richtlinie einsetzt.“.