„Gabriels erneutes Trommeln für die Vorratsdatenspeicherung ist bloße Augenwischerei. Indem er die Tatsachen verdreht und auf Beschlüsse verweist, deren Geschäftsgrundlage längst entfallen ist, versucht er seine eigene Partei und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.“, erklärt Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft.
In mehreren Interviews hat sich Bundeswirtschaftsminister und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel in jüngster Zeit für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung stark gemacht. Die Vorratsdatenspeicherung, so Gabriel, könne durch die schnelle Aufdeckung von Straftaten dazu beitragen, weitere Straftaten zu verhindern. Als Beispiel führte er die Erfahrungen im Zusammenhang mit den Anschlägen von Oslo und Utoya an. Außerdem wies Gabriel darauf hin, dass die SPD sich bereits im Dezember 2011 im Rahmen eines Parteitagsbeschlusses für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen habe. Er halte eine Einführung des Instruments daher unter engen Voraussetzungen wie einem Richtervorbehalt, relativ kurzen Speicherfristen und dem Einsatz nur bei schweren Straftaten für wünschenswert.
Gabriels Argumentation beruht bereits auf einer falschen Tatsachengrundlage. Wie bei den Mordanschlägen von Paris spielte die Vorratsdatenspeicherung auch bei die Aufklärung der Geschehnisse in Norwegen keine Rolle. Vielmehr wurden die Täter von den Ermittlungsbehörden stets im unmittelbaren Anschluss an ihre Taten gestellt. Zudem wurde der knapp dreieinhalb Jahre alte SPD-Parteitagsbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung mittlerweile von der Wirklichkeit überholt. Mit seinem Urteil vom Frühjahr 2014 hat der EuGH sehr viel strengere Maßstäbe aufgestellt als das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010. Danach ist es gerade die Anlasslosigkeit der Datenbevorratung, die zu einem Verstoß gegen EU-Grundrechte führt. Richtervorbehalt, kurze Speicherfristen und eine Beschränkung auf schwere Straftaten, wie von Gabriel gefordert, würden daran nichts ändern.
Insgesamt bewegt sich Gabriel mit seinem Vorstoß politisch auf dünnem Eis. Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung lehnen laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung die Vorratsdatenspeicherung ab. Nicht zuletzt zeigte die jüngste Bundestagsdebatte zum Thema, dass das Vorhaben auch innerhalb der SPD auf Widerstände stößt. Es ist richtig und essentiell wichtig, dass die Volksvertreter gerade in so gesamtgesellschaftlich bedeutsamen Fragen wie der Vorratsdatenspeicherung ihre verfassungsrechtliche Gewissensverpflichtung über parteipolitische Opportunität und Koalitionsdisziplin stellen. Sie müssen daher ihren Einfluss bei Genossinnen und Genossen aktiv nutzen und ihnen vermitteln, dass ein Nein zur Vorratsdatenspeicherung eine Frage des politischen Gewissens ist.