“Statt den dringend notwendigen Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik vorzunehmen, spricht sich das Europäische Parlament für mehr Internetkontrolle, mehr Datenzentralisierung und mehr anlasslose Speicherungen aus. Damit ignoriert es die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und verspielt eine wichtige Chance, dem ausufernden Überwachungswahn Einhalt zu gebieten.”, erklärt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.
Das Europäische Parlament (EP) hat heute eine Resolution zur künftigen Antiterrorstrategie der Union verabschiedet. Hintergrund ist der morgen beginnende EU-Gipfel, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten unter anderem über das weitere Vorgehen in Sicherheitsfragen austauschen werden. Mit der Resolution bringt das Parlament seine eigene Position zu diesen Fragen zum Ausdruck. Zugleich liefert es dem Europäischen Rat eine Orientierungshilfe für die morgen beginnenden Gespräche.
Statt klar gegen anlasslose, grundrechtswidrige Vorratsdatenspeicherungen Stellung zu beziehen, fordert das Parlament eine verstärkte EU-weite Nutzung von Instrumenten wie Passenger Name Record (PNR) und dem Terrorist Finance Tracking Programme (TFTP). Damit begibt es sich in Widerspruch zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), der die Vorratsdatenspeicherung gerade wegen ihres anlasslosen Charakters als Verstoß gegen EU-Grundrechte verworfen hatte. Zudem empfiehlt das Parlament, den Datenaustausch zwischen nationalen Sicherheitsbehörden und europäischen Einrichtungen wie Europol zu institutionalisieren und zu intensivieren. Auf diese Weise leistet es einem zentralisierten Sicherheitsapparat Vorschub und trägt so zur weiteren Erosion von Privatsphäre und Datenschutz bei. Auch befürwortet es eine vermehrte Einbindung von Netzbetreibern und Social-Media-Diensten bei der Bekämpfung terroristischer Online-Propaganda. Zwar lässt die Resolution offen, wie eine solche Einbindung im Detail aussehen soll, deutlich erkennbar wird jedoch die Tendenz, mehr Kontroll- und Zensurbefugnisse in die Hände von Unternehmen zu legen.