Hallo liebe Freundinnen und Freunde der Digitalen Gesellschaft!
Wir melden uns zurück mit dem Neuesten zur Chatkontrolle und einem Rückblick auf das Chaos Communication Camp und einen Ausblick auf den 37C3.
Aber bevor wir zum inhaltlichen Teil kommen, wie immer zuerst der Aufruf zur finanziellen Unterstützung: Der Kampf für unsere digitalen Rechte ist nicht umsonst!
Dass der Kampf für Grundrechte im digitalen Raum aber keineswegs vergebens ist, könnt Ihr am Beispiel der Chatkontrolle weiter unten lesen. Allerdings gibt es noch zahlreiche Themen, die uns im nächsten Jahr erwarten und für die wir den bekannten langen Atem brauchen. Digitale Identitäten und Wallets, die elektronische Patientenakte, der European Health Data Space (EHDS) und natürlich immer wieder die Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung werden uns weiter beschäftigen. Damit wir unsere Arbeit fortsetzen können, sind wir auf Eure Fördermitgliedschaften und Spenden angewiesen. Hier könnt Ihr uns unterstützen.
Da seit unserem letzten Newsletter eine Weile vergangen ist, beschränken wir uns auf einige Schwerpunkte der vergangenen Monate. Detaillierte Informationen findet Ihr bei uns im Blog. Wenn Ihr mehr über unsere Arbeit erfahren wollt, könnt Ihr uns jederzeit ansprechen: per E-Mail, auf Mastodon oder beim Netzpolitischen Abend!
Inhaltsverzeichnis
Finanzierung der DigiGes und Unterstützung für den NPA
37. Chaos Communication Congress
Stellungnahme zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes
Sachverständigenanhörung zur Vorratsdatenspeicherung im Bundestag
Finanzierung der DigiGes und Unterstützung für den NPA
Im Frühjahr haben wir eine Förderung der Postcode Lotterie Deutschland für unseren Netzpolitischen Abend erhalten, mit der wir endlich eigenes Video- und Schnittequipment für unseren Verein anschaffen konnten und wieder mehr Zeit in dieses Projekt investieren. Vielen Dank dafür!
Eine weitere Förderung, diesmal von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) erlaubt es uns, das „Aushängeschild“ der Digitalen Gesellschaft, das Projekt „Netzpolitischer Abend“ weiterzuentwickeln, neue Formate auszuprobieren und durch Fahrtkostenerstattung die Berliner Bubble zu vergrößern und auch mal Referenten aus anderen Städten einzuladen. Diese Abende sind zeitintensiv in der Vorbereitung, Durchführung und Postproduktion. Daher ist die beste Nachricht, dass wir die Möglichkeit haben, nach über einem Jahr Pause jetzt bis Ende 2024 wieder eine_n Werkstudent_in im Team zu haben.
Seit Anfang Dezember unterstützt uns Toni (nicht nur) beim Netzpolitischen Abend als Mitarbeiter_in. Toni Maurer studiert im Bachelor Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-Universität. Politisch schwimmt dey in unterschiedlichen politischen Gefilden und interessiert sich für Überwachungstechnologien, queerfeministische Perspektiven auf die Welt und vieles mehr. Mit der DigiGes wagt Toni den Sprung in die netzpolitische Szene.
Neuer Büroraum
Nach längerer Suche haben wir jetzt endlich einen Büroraum gefunden, der unseren Bedürfnissen entspricht. Mitte Januar werden wir nach Kreuzberg umziehen. Das genossenschaftlich betriebene Gemeinschaftsbüro liegt in der Nähe vom Halleschen Tor und wird dann auch von der Miete her für uns deutlich günstiger.
Chatkontrolle
Die gute Nachricht zuerst: Der Gesetzgebungsprozess zur Chatkontrolle ist vorerst auf Eis gelegt!
Gemeinsam mit zahlreichen Organisationen, Experten und Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben wir es geschafft, dass die CSA-Verordnung in dieser Legislaturperiode (bis Juni 2024) nicht mehr beschlossen wird. Der EU-Rat konnte keine gemeinsame Positionen zum umstrittenen Vorschlag der Kommission und dem wesentlich moderateren Änderungsantrag des EU-Parlamentes finden.
Zuvor haben sich die Entwicklungen rund um den Gesetzentwurf zur Chatkontrolle überschlagen. Ylva Johansson hat sich gleich in zwei Affären verstrickt: Ein Lobbygeflecht rund um selbsternannte Kinderschutzorganisationen, einem AI-Startup, das Software zum Finden von Missbrauchsmaterial herstellt und Millionengelder für eine Kommunikationsagentur wurde von investigativen Journalisten ans Licht gebracht. Kurz darauf wurde bekannt, dass eine Werbekampagne für den Gesetzentwurf auf X/Twitter geschaltet wurde, die auf Mikrotargeting setzt. Genau dieses passgenaue Ausspielen nach religiösen und politischen Interessengebieten ist mehr als fragwürdig und wurde vor Kurzem im Digital Services Act (DSA) stark reguliert. Bei einer Anhörung im EU-Innenausschuss reagierte die Kommissarin mit Ausweichen, Abstreiten und Kleinreden.
Die Abstimmung über den Gesetzentwurf wurde vom EU-Rat inzwischen mehrfach verschoben. Seitdem liegt ein neuer Kompromiss vom EU-Parlament vor, der deutlich grundrechtskonformer formuliert ist und beispielsweise verschlüsselte Kommunikation komplett von der Durchsuchung ausgenommen hatte.
Als Teil des Bündnisses „Chatkontrolle STOPPEN!“ haben wir den Gesetzgebungsprozess eng begleitet und mit offenen Briefen, Kundgebungen, mehren Vorträgen und zwei hochkarätig besetzten Veranstaltungen gegen die Chatkontrolle gekämpft:
Am Mittwoch den 27. September haben wir mit dem Bündnis „Chatkontrolle STOPPEN!“ ein Panel mit Tobias B. Bacherle, MdB (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Anke Domscheit-Berg (Fraktion DIE LINKE), Manuel Höferlin (FDP) und Elina Eickstädt (Sprecherin Chaos Computer Club) organisiert. Die Moderation hat Elisa Lindinger (Superrr Lab) übernommen. Hier könnt Ihr Euch den Mitschnitt ansehen.
Eine weitere Diskussionsrunde gab es mit EU-Abgeordneten. Dieses mal im Online-Format mit Birgit Sippel (SPD / Fraktion S&D), Dr. Patrick Breyer (Piraten / Fraktion Grüne), Moritz Körner (FDP / Fraktion Renew), Dr. Cornelia Ernst (Linke / Fraktion GUE/NGL) und Elina „Khaleesi“ Eickstädt (Chaos Computer Club / Bündnis ChatkontrolleSTOPPEN!). Organisiert und moderiert von Konstantin Macher (Digitalcourage).
Bereits am 7. Juni, parallel zur Innenminister_innenkonferenz haben wir eine Kundgebung unter dem Motto „Big sisters are watching you!“ gegenüber des Tagungshotels veranstaltet. Einen Eindruck von der Demo und die Presseerklärung dazu findet Ihr wie immer in unserem Blog.
CCCamp 23
Im Sommer hat der CCC wieder ein Chaos Communication Camp veranstaltet und wir haben unsere Zelte gepackt und den Austausch mit Hackern und Aktivisten gesucht. Neben einem Treffen der Mitstreiter unserer HiP-Konferenz haben wir natürlich auch netzpolitische Themen zum Vortragsprogramm beigetragen:
Khaleesi (CCC), Konstantin (Digitalcourage) und Tom (DigiGes) an Tag 2 auf der Milliways-Bühne auf media.ccc.de.
Vortrag von Elisa Lindinger (Superrr Lab) und Tom: „Digital Rights in Europe“:
(hier der Direktlink zu media.ccc.de)
Außerdem hat Tom mit Anna Mattes von der GFF noch einen Workshop zum Fundraising für kleinere Initiativen und mit Konstantin einen Aktionsworkshop zur Chatkontrolle angeboten.
37. Chaos Communication Congress
Nach 3 Jahren coronabedingter Pause findet dieses Jahr wieder die größte europäische Hackerkonferenz statt: Der CCC lädt zum 37C3 nach Hamburg. Wir werden uns dort über die neuesten Entwicklungen im Spannungsfeld Technologie, Politik und Ethik informieren. Neben der Vernetzung mit anderen aktivistischen NGOs und Gleichgesinnten gibt es wieder zahlreiche Vorträge zu netzpolitischen Themen. Zur Chatkontrolle wird Khaleesi von unserem Bündnis gemeinsam mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber und Patrick Breyer, der in Brüssel gegen den Gesetzentwurf gekämpft hat auf der Bühne stehen: Am Freitag, den 29. 12. um 19:15h in Saal1 oder (wie alle Vorträge) im Stream auf media.ccc.de.
Stellungnahme zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes
Mitten in der Sommerpause hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vorgelegt.
Der Entwurf enthält einige kleinere Anpassung an die bislang ergangene Rechtsprechung zum Thema, etwa zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum, sowie eine halbherzige gesetzliche Festschreibung der Datenschutzkonferenz (DSK) – ohne sie allerdings mit eigenen Kompetenzen auszustatten. Vor allem aber wird eine ernsthafte Einschränkung des Auskunftsrechts der Betroffenen aufgrund von „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ der Verantwortlichen, also der Datenverarbeiter, vorgeschlagen.
Dazu haben wir eine Stellungnahme veröffentlicht, die insbesondere aufzeigt, dass mit der Einschränkung des Auskunftsrechts nicht nur ein wichtiges Instrument für Betroffene und Zivilgesellschaft aufs Spiel setzen. Sie würde auch gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen und wäre europarechtswidrig.
Sachverständigenanhörung zur Vorratsdatenspeicherung im Bundestag
Im Oktober fand eine öffentliche Anhörung zur Vorratsdatenspeicherung im Rechtsausschuss des Bundestages statt. Unser Mitarbeiter Tom Jennissen war dazu als Sachverständiger geladen und hat eine Stellungnahme dazu verfasst. Anlass war ein Antrag der Unionsfraktion für eine verdachtsunabhängige Speicherung von IP-Adressen und Portnummern für sechs Monate, der weitgehend mit vermeintlichem Kinderschutz begründet wurde, aber nicht auf diesen beschränkt war. Dabei wurde deutlich, das juristisch zwar jeder Versuch einer Erweckung der großen Untoten unter den Überwachungsmaßnahmen auf tönernen Füßen stünde. Aber die Begehrlichkeiten unter den Strafverfolgungsbehörden und in der Justiz sind weiter groß, so dass uns die Rufe nach einer erneuten Einführung wohl trotz des vernichtenden EuGH-Urteils im vergangenen Jahr noch weiter begleiten werden.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Anlässlich der abschließenden Befassung des Bundestags mit zwei Gesetzentwürfen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen haben wir gemeinsam mit Superrr Lab, dem InÖG, der deutschen Aidshilfe, dem CCC und D64 einen offenen Brief initiiert, der aufzeigt, woran die Digitalisierung im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten krankt. Wir haben Prüfsteine formuliert, die eigentlich selbstverständliche Grundlagen einer menschenzentrierten und technisch halbwegs aktuellen Digitalisierung im Gesundheitswesen sein müssten. Umso trauriger, dass die aktuellen Gesetzesvorhaben dem leider nicht gerecht werden.
Der offene Brief hat recht große Wellen geschlagen und wurde mittlerweile von zahlreichen weiteren Organisationen unterzeichnet, unter anderem dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Verbraucherzentrale Bundesverband oder dem Berufsverband der Psychologinnen und Psychologen.
Netzpolitischer Abend
Hier ein kleiner Rückblick auf unsere Netzpolitischen Abende. Normalerweise haben wir ja mehrere Gäste mit Beiträgen zu verschiedenen Themen eingeladen. Mal wird zu aktuellen Entwicklungen in der europäischen Netzpolitik berichtet, mal ein interessantes Projekt vorgestellt. Dieses Jahr haben wir auch zwei Themenabende veranstaltet:
Zum zehnten Jubiläum der Snowden-Enthüllungen haben wir uns in Kooperation mit netzpolitik.org mit den Folgen des Skandals für die staatliche Überwachung beschäftigt, mit dem NSA-Untersuchungsausschuss und der Geheimdienstkontrolle.
Die Beiträge von Anna Biselli, Anne Roth und Thorsten Wetzling mit anschließender Diskussion moderiert von Ingo Dachwitz findet Ihr hier.
Anfang September haben wir uns nochmal auf ein Thema fokussiert. Dieses mal ging es um digitale Gewalt. Fünf Expertinnen berichteten über die verschiedenen Facetten von Stalking mit Hilfe technischer Geräte und Software (und Googles Rolle dabei), die geplante „Digitale Gewaltschutzgesetz“ und warum sich die Probleme nicht einfach mit „mehr Tech“ lösen lassen. Den Mitschnitt gibt es hier.
Spannend auch „Wie kommt das Gemeinwohl in die Digitalpolitik?“ von Aline Blankertz (Wikimedia) und Malte Engelers Vortrag: Wieviel Kapitalismus steckt in der DSGVO und was ist „Digitaler Kapitalismus“? beim Oktober-NPA.
Alle Mitschnitte findet Ihr bei uns im Blog.
Alles Gute für das neue Jahr!
Mit diesem Rückblick und einem kleinen Ausblick wünschen wir Euch allen eine ruhige Zeit zwischen den Jahren (oder auch eine spannende Zeit in Hamburg). Kommt gut ins neue Jahr, hinterfragt die Digitalgesetzgebung, bleibt technologiekritisch und vor allem gesund!
In diesem Sinne:
„Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt.“ (William Gibson)