Am kommenden Donnerstag, den 20. Januar 2022 wird das Europaparlament über seine Position zum geplanten Digital Services Act abstimmen. Mit dieser Position wird das Parlament in die anstehenden Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Rat gehen. Die abschließende Abstimmung ist noch in diesem Jahr geplant.

Kern und am heftigsten diskutierter Teil des Entwurfes für die Verordnung, die die Regulierung Digitaler Dienste insgesamt neu fassen und die E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 ersetzen soll, ist die Regulierung großer Plattformen wie Facebook, Google & Co. Obwohl der Digital Services Act in verschiedenen Bereichen teilweise sehr detaillierte gesetzliche Vorgaben für die Betreiber von großen Plattformen vorsieht, sieht es nicht so aus, als ob der Europäischen Union der ursprünglich erwartete große Wurf eines „Plattform-Grundgesetzes“ gelingen würde.

Zwar wird das Parlament voraussichtlich auf Grundlage des Berichts des federführenden Verbraucherschutz- und Binnenmarktausschusses (IMCO) einige Verbesserungen gegenüber dem Kommissionsentwurf einfordern. So soll etwa der Zugang zu den Daten und Algorithmen der großen Plattformen ausgeweitet werden und auch zivilgesellschaftlichen Akteuren offenstehen. Auch soll Mitgliedstaaten ausdrücklich untersagt werden, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu verbieten.

Dennoch wird auch das Parlament zahlreiche grundlegende Fehlentscheidungen des Kommissionsentwurfs voraussichtlich nicht korrigieren: So sollen Anreize zum „freiwilligen“ Einsatz von Upload-Filtern bestehen bleiben, auch wenn ihr Einsatz nicht vorgeschrieben werden soll. Als besonders „vertrauenswürdig“ eingestufte Hinweisgeber sollen einen privilegierten Zugang zu den Melde- und Beschwerdemechanismen der Plattformen erhalten, was insbesondere Sicherheitsbehörden dazu einlädt, außerhalb ihrer eigentlichen hoheitlichen Befugnisse zu handeln. Dabei soll den Behörden aller Mitgliedstaaten durch ein formalisiertes Verfahren die Löschung bzw. Anforderung von Nutzerinnen- und Nutzerdaten grenzüberschreitend erleichtert werden – auch dann, wenn diese Mitgliedstaaten eine zweifelhafte rechtsstaatliche Bilanz haben und der Inhalt im Land der Veröffentlichung vollkommen legal ist. Und auch das Recht auf anonyme Internetnutzung soll ebenso wenig kommen wie ein Verbot von Netzsperren.

Vor allem aber hat sich der federführende Ausschuss nicht dazu durchringen können, den Kern der Geschäftsmodelle großer Plattformen anzutasten und personalisierte Werbung zu verbieten. Entsprechende Anträge wurden in das Parlament eingebracht und stehen am Donnerstag zur Abstimmung. Allerdings ist bislang fraglich, ob sie eine Mehrheit bekommen.

Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft: „Wir haben uns insbesondere vom Europaparlament einen mutigeren Wurf erhofft. Eine ernstgemeinte Plattformregulierung sollte dem massenhaften Ausspähen und der detaillierten Profilbildung von Nutzenden zwecks personalisierter Werbung einen Riegel vorschieben. Mit etwas mehr Transparenz wird den großen Internetkonzernen und ihren problematischen Geschäftsmodellen nicht beizukommen sein.“

Die Digitale Gesellschaft hat den Gesetzgebungsprozess eng begleitet seit die Kommission im Dezember 2020 ihren Entwurf vorgelegt hat. Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, insbesondere European Digital Rights (EDRi) kämpft sie für eine Plattformregulierung, die die Interessen und Grundrechte der Nutzenden in den Vordergrund stellt. Unsere Einschätzung zum Bericht des IMCO-Ausschusses finden Sie hier. Unser Positionspapier zum Kommissionsentwurf ist hier veröffentlicht.

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