Als späte Reaktion auf den NSA-Skandal sowie die zahlreichen zwischenzeitlich bekannt gewordenen Rechtsverstöße des Bundesnachrichtendienstes (BND) will die Bundesregierung die Befugnisse des deutschen Auslandsgeheimdienstes völlig neu regeln. Die geplante Reform läuft auf eine großzügige Legalisierung und Ausweitung der bislang rechtswidrigen Spähexzesse des BND und seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten hinaus. Gleichzeitig soll die parlamentarische Kontrolle deutlich geschwächt werden.

Im Zentrum der Reform steht die sogenannte „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“. Damit sind Abhörmaßnahmen gemeint, mit denen vom bundesdeutschen Inland aus die Kommunikation von Ausländern im Ausland erfasst wird. In diese Kategorie fällt beispielsweise die als „Operation Eikonal“ bekannt gewordene, nach geltendem Recht unzulässige mehrjährige Überwachung eines Frankfurter Netzknotenpunkts der Deutschen Telekom. Im Rahmen einer Anhörung im NSA-Untersuchungsausschusses gingen führende Verfassungsrechtler wie der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sogar so weit, die Auslandsaufklärung des BND als „insgesamt rechtswidrig“ zu bewerten.

Wie so häufig, wenn es um Gesetze geht, welche die Sicherheitsbehörden betreffen, soll es nun sehr schnell gehen. Schon vor der parlamentarischen Sommerpause brachte die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf mit Hilfe der Fraktionen der Großen Koalition in den Bundestag ein. Für den 26. September ist eine Anhörung im Innenausschuss geplant, schon am 1. Januar 2017 soll das Gesetz in Kraft treten. Es bleibt daher nicht mehr viel Zeit, um gegen die Reform zu protestieren.

Dazu bieten wir Euch gleich zwei Möglichkeiten an: Ihr könnt unser Anruf-Tool nutzen, um Euch kostenlos an die Mitglieder des Bundestags zu wenden und ihnen Eure Einwände und Bedenken darzulegen. Außerdem haben wir gemeinsam mit anderen Aktivisten und NGOs eine Online-Petition zur Verhinderung des BND-Gesetzes gestartet.

Telefonaktion: Unser kostenloses Anruf-Tool
Das Anruf-Tool funktioniert ganz einfach:

1. Sucht die/den Abgeordnete/n Eurer Wahl heraus, indem Ihr auf „jemand anderen anrufen“ klickt.

2. Seid Ihr fündig geworden, gebt Eure Telefonnummer in das Freifeld ein.

3. Klickt auf „Anrufen!“. Ihr erhaltet daraufhin einen Anruf. Wenn Ihr diesen annehmt, werdet Ihr automatisch mit der/dem Abgeordneten verbunden.

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Online Petition: Wir wollen keine deutsche NSA!
Außerdem haben wir gemeinsam mit der Aktivistin Katharina Nocun, dem Humanistische Union e.V. und dem Whistleblower-Netzwerk e.V. sowie Dr. Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte eine Online-Petition gegen das geplante BND-Gesetz gestartet.

Unter dem Titel „BND-Gesetz verhindern: Wir wollen keine deutsche NSA!“ fordern wir Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Bundesjustizminister Heiko Maas sowie die Mitglieder des Bundestages dazu auf, das Gesetz nicht zu verabschieden.

Je lauter unser Protest, desto schwieriger wird es für Bundesregierung und Bundestag, ihn zu ignorieren. Deshalb: Helft mit, ein Zeichen gegen anlasslose Massenüberwachung und gegen den Umbau des BND zu einer deutschen NSA zu setzen. Zeichnet die Petition gegen das BND-Gesetz!

Das sind die Kernpunkte der BND-Reform:

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    • Massenüberwachung ganzer Telekommunikationsnetze
      Der BND soll künftig ganze „Telekommunikationsnetze“ überwachen dürfen. Bisher war ihm gesetzlich nur die Überwachung einzelner „Telekommunikationsbeziehungen“ erlaubt. Dabei durfte er maximal 20% der Kapazität des jeweils betroffenen Übertragungsweges anzapfen. Auch diese Beschränkung soll mit der Reform verschwinden. Künftig darf er also ohne Kapazitätsbeschränkung das gesamte Netz eines Telekommunikationsproviders überwachen.Da über ein solches Netz nicht nur die Kommunikation zwischen Ausländern im Ausland, sondern ebenfalls diejenige zwischen Ausländern und Inländern sowie Inländern und Inländern läuft, werden zwangsläufig auch Menschen und Institutionen in Deutschland von der Überwachung durch den BND betroffen sein. Zwar verbietet der Gesetzentwurf ausdrücklich die Erhebung von Daten über inländische natürliche und juristische Personen, jedoch ist eine effektive Unterscheidung zwischen „inländischen“ und „ausländischen“ Kommunikationsdaten bereits technisch unmöglich.
    • Uferlose Suchbegriffe für Inhaltsdaten, keine Beschränkung für Metadaten
      Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der BND Inhaltsdaten nur über bestimmte Suchbegriffe, auch Selektoren genannt, erheben darf. Dies können etwa Namen, Telefonnummern oder E-Mail-Adressen sein. Die gesetzlichen Vorgaben für diese Suchbegriffe sind allerdings derart vage, dass sie dem BND die Verwendung nahezu beliebiger Selektoren erlauben. So reicht es etwa aus, dass ein Suchbegriff geeignet ist, um „Erkenntnisse von außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung“ zu erlangen.Für die Erhebung von Verkehrsdaten (Metadaten) hingegen gibt es keinerlei Voraussetzungen. Der Entwurf regelt nur, dass sie maximal sechs Monate lang gespeichert werden dürfen. Gerade Metadaten geben jedoch Aufschluss über die Lebensgewohnheiten, Aufenthaltsorte und sozialen Netze einer Person. Wie verschiedene Studien belegen, lassen sich daraus auch sehr genaue Rückschlüsse auf ihre politische, sexuelle und religiöse Orientierung ziehen. Verkehrsdaten werden nach Aussage des früheren CIA-Direktors Michael Hayden im Rahmen des US-Drohnenkrieges auch zur gezielten Tötung von Menschen verwendet. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erscheint es verheerend, dem BND den freien Zugriff auf Metadaten zu erlauben.
    • Institutionalisierte, automatisierte Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten
      Der BND darf künftig mit ausländischen Diensten wie der NSA oder dem GCHQ gemeinsame Dateien betreiben und die von ihm erhobenen Daten automatisiert an diese Dienste weiterleiten. Bisher durften Daten nur im Einzelfall weitergegeben werden. Die Kooperation des BND mit Geheimdiensten des Five-Eyes-Verbundes – von der Bundesregierung lange vehement bestritten – soll damit institutionalisiert und verstetigt werden.

 

    • Überwachung von EU-Bürgern und Institutionen der EU und der Mitgliedstaaten
      Suchbegriffe, die zur gezielten Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern der EU, von Institutionen der EU oder öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten dienen, unterliegen dem Gesetzentwurf zufolge zwar etwas strengeren Voraussetzungen als sonstige Suchbegriffe; gleichwohl wird damit genau die Überwachung legalisiert, die im Zuge der Selektoren-Affäre bekannt geworden ist und dem Diktum der Bundeskanzlerin („Überwachung unter Freunden, das geht gar nicht.“) diametral widerspricht.

 

  • Schwächung der parlamentarischen Kontrolle
    Schließlich soll mit der Reform auch die parlamentarische Kontrolle der Massenüberwachung durch den BND deutlich geschwächt werden. Die Aufsicht über die im Inland stattfindende Überwachung der Ausland-Ausland-Kommunikation soll nicht mehr wie bisher der G10-Kommission des Bundestages, sondern einem dreiköpfigen „Unabhängigen Gremium“ obliegen.Den Vorsitz über dieses Gremium führt eine Richterin oder ein Richter am Bundesgerichtshof. Auch eine der beiden Stellen im Beisitz ist mit einer Richterin oder einem Richter am Bundesgerichtshof zu besetzen, die zweite Stelle nimmt eine Bundesanwältin oder ein Bundesanwalt am Bundesgerichtshof ein. Über die Besetzung entscheidet – anders als im Fall der G10-Kommission – nicht das parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, sondern das Bundeskabinett. Damit wird ein wesentlicher Teil der Kommunikationsüberwachung des BND der Aufsicht durch das Parlament entzogen.

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