Am 13. November 2015 wurden in Paris mehrere entsetzliche Mordanschläge verübt. Den fast 130 Todesopfern, den über 350 Verletzen, ihren Angehörigen und Freunden gehört unser Mitgefühl und unser Beileid. Die Attentate verstehen wir als Angriff auf unsere offene Gesellschaft, auf die Menschlichkeit und die individuelle Entfaltungsfreiheit. Sie erfüllen uns mit Fassungslosigkeit und Abscheu.

Schnell wird angesichts der Hilflosigkeit, die derart brutale und rücksichtslose Taten auslösen, der Ruf nach schärferen Sicherheitsgesetzen und nach mehr Befugnissen für Polizei und Geheimdienste laut. Tatsächlich dauerte es dieses Mal wieder nur wenige Stunden bis Polizeivertreter und Hardliner auch hierzulande entsprechende Forderungen aus der Schublade zogen, um die Opfer der schrecklichen Verbrechen für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren.

Dieses Vorgehen ist nicht nur pietätlos und beschämend, es trägt auch in keiner Weise dazu bei, Attacken wie die vom vergangenen Freitag künftig zu verhindern. Wir dürfen nicht vergessen, dass Frankreich zu den europäischen Ländern mit den schärfsten Sicherheitsgesetzen zählt. So führte unser Nachbarland schon 2006 Vorratsdatenspeicherung, Überwachung von Fluggastdaten und flächendeckende Videoüberwachung ein und verabschiedete erst im Juni dieses Jahres ein Anti-Terror-Paket, mit dem die behördlichen Befugnisse zur Sammlung personenbezogener Daten massiv ausgeweitet wurden.

Dass es gleichwohl erneut zu solch schrecklichen Anschlägen kommen konnte, muss vielmehr als Beleg für die Unwirksamkeit überbordender Überwachungsmaßnahmen bei der Bekämpfung terroristischer Gewalttaten verstanden werden. Das gilt umso mehr, als dass die Sicherheitsbehörden auch dieses Mal einzelne Täter bereits im Vorfeld der Attacken auf dem Radar hatten, so wie schon bei den Vorfällen in Mumbai oder Boston oder dem Attentat auf die „Charlie Hebdo“ Redaktion.

Im direkten Angesicht des Verbrechens rational zu reagieren, kann dagegen nur bedeuten, unmenschlichen Taten Besonnenheit entgegenzusetzen. Es muß gelingen, zu einer evidenzbasierten, menschenrechtsorientierten Sicherheitspolitik zurückzukehren, die Effektivität, Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und rechtsstaatliche Prinzipien ins Zentrum der Diskussion stellt. Um Terroranschläge wirksam zu verhindern und Täter gar nicht erst zu Tätern werden zu lassen, ist es außerdem dringend notwendig und geboten, den sozialen und politischen Ursachen des religiös-fundamentalistischen Extremismus auf den Grund gehen und ihnen gezielt entgegen wirken.

Auch in Anbetracht von Attentaten dürfen die Grundfesten der Demokratie niemals aufgegeben werden: Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher Mordanschläge einschränkt, abbaut oder in ihr Gegenteil verkehrt, hilft indirekt denjenigen, die Anschläge verüben. Jede Reaktion, die Grundrechte und Freiheiten abbaut, ist eine Aufwertung des Terrors und der Folgen, die er mit sich bringt.

3 Meinungen zu “Anschläge von Paris: Besonnene Antworten statt mehr Überwachung

  1. Keller sagt:

    Es dauerte nur wenige Stunden, bis Polizeivertreter die schrecklichen Verbrechen für ihre Zwecke instrumentalisierten. Und weitere 15 Minuten, bis Volker Tripp die schrecklichen Verbrechen für seine Zwecke instrumentalisierte. Oder wie soll man es sonst nennen, wenn er sie hernimmt als „Beleg für die Unwirksamkeit überbordender Überwachungsmaßnahmen bei der Bekämpfung terroristischer Gewalttaten“?

  2. Mithos sagt:

    Und dann kommt das Mittagsmagazin der ARD mit dem Beitrag „Dark-Apps für Terroristen“, in dem sämtliche verschlüsselte Kommunikation gebrandmarkt wird.
    Begleit-Artikel:
    http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/sendung/smartphone-whatsapp-dark-app-100.html
    Video in der Mediathek:
    http://www.ardmediathek.de/tv/Mittagsmagazin/Dark-Apps-f%C3%BCr-Terroristen/Das-Erste/Video?documentId=31699992&bcastId=314636

    Die Crypto-Wars sind zurück.

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