Im vergangenen Monat war viel los – vor allem auf EU-Ebene gab es eine Reihe wichtiger netzpolitischer Entwicklungen und Entscheidungen.

So zum Beispiel beim Dauerthema Vorratsdatenspeicherungen: Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat sich für die anlasslose Speicherung der Fluggastdaten entschieden. Bei Flügen aus der sowie in die EU sollen diese Angaben künftig für fünf Jahre aufbewahrt werden.
Außerdem haben wir uns, ebenso wie unser Dachverband European Digital Rights (EDRi), an die EU-Kommission gewandt, und sie dazu aufgefordert, die verdachtsunabhängige Bevorratung von Kommunikationsdaten in den Mitgliedsstaaten und insbesondere in Deutschland zu beenden.

Gemeinsam mit dem Förderverein Freie Netze e.V. und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. haben wir zudem in Sachen Störerhaftung von WLAN-Betreibern und Hostprovidern an die EU-Kommission geschrieben und dabei angeregt, den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telemediengesetzes zu stoppen.

Im Bereich des Urheberrechts hat das EU-Parlament leider die Chance vertan, sich in seinem entsprechenden Evaluationsbericht für eine umfassende Reform einzusetzen. Ein Urheberrecht, das dem digitalen Zeitalter gerecht wird, ist daher weiterhin nicht in Sicht.

Bei der Abstimmung über den Bericht zum Freihandelsabkommen TTIP entschieden sich die Parlamentarier nicht für einen strikten Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. Der verabschiedete Text enthält weder eine klare Absage an internationale Schiedsgerichte noch ein klares Verbot von Verhandlungen über Datenschutz und Urheberrecht.

Und wie schon im letzten Newsletter erwähnt, gibt es auch zur Netzneutralität leider nichts Erfreuliches zu berichten – der abgestimmte Text des Kompromisses der Trilog-Verhandlungen wurde inzwischen veröffentlicht; er ist vage und schafft neue Rechtsunsicherheiten.

Zu guter Letzt haben wir beim Bundesverfassungsgericht eine Stellungnahme zu einer Verfassungsbeschwerde abgegeben, bei der das Gericht über die Zulässigkeit des Samplings zu entscheiden hat.

1. Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten
2. Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten
3. Netzneutralität
4. Störerhaftung
5. Urheberrecht
6. Sampling/Recht auf Remix
7. TTIP
8. Netzpolitischer Abend
9. Video vom letzten Netzpolitischen Abend
10. DigiGes in den Medien

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1. Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten

Unser europäischer Dachverband European Digital Rights (EDRi) hat am 2. Juli einen Brief an den Ersten Vizepräsidenten der Europäischen Kommission geschickt (.pdf). In dem Schreiben wird die EU-Kommission dazu aufgerufen, die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedstaaten der EU zu untersuchen, da diese vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. April letzen Jahres illegal erscheinen.

Am 20. Juli haben wir dann die EU-Kommission in einem weiteren Schreiben dazu aufgerufen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu stoppen. Der Gesetzentwurf durchläuft zurzeit ein Notifizierungsverfahren bei der Kommission, die den Entwurf auf seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht überprüft. Nach unserer Ansicht verstößt das Vorhaben gegen die Vorgaben eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom April 2014, in dem die verdachtsunabhängige Bevorratung von Verkehrs- und Standortdaten aus der elektronischen Kommunikation für unvereinbar mit den EU-Grundrechtena uf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten erklärt wurde.

Unser Blogbeitrag zum Schreiben von EDRi „EDRi ruft die Europäische Kommission dazu auf, illegale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in der EU zu prüfen“ (02. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/edri-vds/

Unser Blogbeitrag zum Schreiben des Digitale Gesellschaft e.V. „Vorratsdatenspeicherung: EU-Kommission soll Einführung in Deutschland stoppen“ (20. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/vds-stopp-kommission/

2. Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten

Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments (LIBE) hat heute über die Einführung eines EU-weiten Systems zur Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten (Passenger Name Record, kurz PNR) abgestimmt. Während Anträge, die auf eine Ablehnung des Vorhabens gerichtet waren, keine Mehrheit fanden, billigten die Abgeordneten im Wesentlichen die Schaffung eines europaweiten PNR-Systems.

Dabei nahmen die Parlamentarier zwar innereuropäische und nationale Flüge von der Speicherung aus, bei internationalen Flügen aus der EU sowie in die EU hingegen sollen künftig pro Passagier und Flug bis zu 60 Einzelangaben festgehalten werden. Die Daten werden zunächst 30 Tage lang offen gespeichert, danach werden personenbezogene Angaben wie Name und Adresse in einer weiteren Datenbank fünf Jahre lang verdeckt aufbewahrt.

Unser Blogbeitrag dazu „Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten: Innenausschuss stimmt für Totalüberwachung des Flugverkehrs“ (15. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/vds-reisedaten-innenausschuss/

3. Netzneutralität

Seit es in den Trilog-Verhandlungen um eine unionsrechtliche Verankerung der Netzneutralität Ende Juni zu einer Einigung zwischen Europäischem Parlament und EU-Ministerrat gekommen war, wurde viel um die Interpretation des Verhandlungsergebnisses gestritten. Seit Anfang Juli liegt der abgestimmte Text vor, so dass wir unserer ersten Bewertung nun eine eingehende Analyse folgen lassen. Vorweg: die Beurteilung fällt leider auch jetzt nicht positiver aus.

Würde der Text in der jetzigen Fassung zum Gesetz, so würde er in den entscheidenden Punkten neue Rechtsunsicherheiten schaffen. Der EU-Gesetzgeber würde sich damit aus seiner Verantwortung stehlen, klare und unmissverständliche Regeln zu setzen und stattdessen die Probleme, zu deren Lösung er offenbar nicht in der Lage ist, auf die Gerichte verschieben.

Unser Blogbeitrag dazu „Trilog-Kompromiss zur Netzneutralität: Rechtsunsicherheit per Gesetz“ (13. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/trilog-kompromiss-nn-analyse/

4. Störerhaftung

Am 6. Juli haben wir uns gemeinsam mit dem Förderverein Freie Netze e.V. und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. mit einem Schreiben an die EU-Kommission gewandt. Darin rufen wir die Kommission dazu auf, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Störerhaftung von WLAN-Betreibern und Hostprovidern zu stoppen.

Die geplanten Änderungen sind nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Insbesondere verstoßen sie gegen die Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie und gegen europäische Grundrechte. Die Regelungen zur WLAN-Störerhaftung schaffen zudem neue Rechtsunsicherheiten für Funknetzbetreiber, die ihre Zugänge für Dritte öffnen wollen. Dadurch wird eine flächendeckende Versorgung mit offenen WLAN-Netzen verhindert, was negative Auswirkungen auf Meinungs- und Informationsfreiheit, politische Teilhabe und die hiesige Online-Wirtschaft hat.

Unser Blogbeitrag dazu „NGO-Appell: EU-Kommission muss Fehlentwicklungen bei Störerhaftung stoppen“ (6. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/ngo-appell-stoererhaftung-stoppen/

5. Urheberrecht

Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 9. Juli über den Evaluationsbericht zur EU-Urheberrechtsrichtlinie (InfoSoc) abgestimmt. Mit dem Papier spricht das Europäische Parlament Empfehlungen an die EU-Kommission für die anstehende Urheberrechtsreform aus.

Obwohl die Parlamentarier nun den Reformbedarf beim europäischen Urheberrecht betonen, blieben einige sehr gute und wünschenswerte Ansätze – etwa eine Fair-Use-Regelung nach US-amerikanischem Vorbild oder eine Ausweitung des Zitatrechts – leider auf der Strecke. Eine ausdrückliche Absage an die Praktik des Geoblocking fand unter den Abgeordneten bedauerlicherweise keine Mehrheit. Beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger sah das Plenum hingegen klarer und lehnte einen befürwortenden Antrag ab. Auch eine Formulierung, die als Empfehlung zur Abschaffung der Panoramafreiheit verstanden werden kann, fiel bei der Abstimmung durch.

Unser Blogbeitrag dazu „EU-Urheberrecht: Parlament empfiehlt Reförmchen statt Reform“ (9. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/eu-urheberrecht-refoermchen/

6. Sampling/Recht auf Remix

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat beim Bundesverfassungsgericht eine Stellungnahme (.pdf) zu einer Verfassungsbeschwerde abgegeben, bei der das Gericht über die Zulässigkeit des Samplings zu entscheiden hat. Im Kern geht es in dem Verfahren um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es erlaubt ist, kleinste Tonausschnitte aus einer fremden Tonaufnahme zu entnehmen und sie in eigene Aufnahmen einzubauen. Die rechtliche Auseinandersetzung dreht sich dabei nicht um das Urheberrecht, sondern um das vom Inhalt der Aufnahme unabhängige Recht des Tonträgerherstellers und die Reichweite des Rechts auf freie Benutzung.

In unserer Stellungnahme kritisieren wir die Rechtsprechung des BGH unter anderem als Hindernis für die soziokulturelle Fortentwicklung. Bei der Herleitung des Maßstabs für die Zulässigkeit des Samplings lässt das Gericht außer Acht, dass digitale Technologien und digitale Vernetzung schon seit Jahren in der Breite der Bevölkerung angelangt sind.

Auf der Webseite unserer Kampagne Recht auf Remix, mit der wir für ein Recht auf kreative Nutzung existierender Werke einstehen, wurde das fünfzigste Interview veröffentlicht. Darin spricht Mashup-Künstler David Wessel über seine Erfahrungenen mit dem Veröffentlichen von Mashups.

Unser Blogbeitrag dazu „Metall auf Metall: Stellungnahme des Digitale Gesellschaft e.V.“ (17. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/metall-auf-metall-stellungnahme/

Interview auf Recht auf Remix mit David Wessel „Remixer #50 David Wessel: “Ich erhalte täglich zwischen drei und fünf Strikes”“ (24. Juli 2015):
http://rechtaufremix.org/remixer-50-david-wessel-ich-erhalte-taeglich-zwischen-drei-und-fuenf-strikes/

7. TTIP

Nach einer heftig geführten Debatte hat das Plenum des Europäischen Parlaments am 8. Juli den Bericht zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP abgestimmt. Das Votum hat für die EU-Kommission, welche die Verhandlungen auf europäischer Seite führt, zwar nur empfehlenden Charakter. Das Parlament bringt damit jedoch auch zum Ausdruck, welche Grenzen die Kommission nicht überschreiten darf, um die spätere Zustimmung des Parlaments zum Verhandlungsergebnis nicht zu gefährden.

In zahlreichen wichtigen Punkten verspielte das Parlament leider die Chance, dringend erforderliche Nachbesserungen am ursprünglichen Text des Berichts vorzunehmen. Statt den geplanten überstaatlichen Schiedsgerichten (ISDS) eine klare und nachhaltige Absage zu erteilen, stimmten die Abgeordneten für einen wachsweichen Kompromiss. Es bleibt dabei, dass für derartige Streitigkeiten eine Sondergerichtsbarkeit geschaffen werden soll, die sich einer demokratischen Kontrolle entzieht.

Auch bei der regulatorischen Kooperation, in deren Rahmen Gesetzesvorhaben in einem mit Vertretern der EU, der USA und der transatlantischen Wirtschaft besetzten Gremium vorab abgestimmt werden, konnte sich das Parlament nicht zu einem deutlichen Nein durchringen. Ebenso versäumten die Abgeordneten, sich klar gegen die Verhandlung über Datenschutzregeln und geistige Eigentumsrechte auszusprechen.

Unser Blogbeitrag dazu „Abstimmung zu TTIP: Rechtsstaatlicher Etikettenschwindel“ (08. Juli 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/07/ttip-etikettenschwindel/

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8. Netzpolitischer Abend

Der nächste Netzpolitische Abend findet am Dienstag, 4. August, wie gewohnt um 20.00 Uhr, in der c-base in Berlin statt.

Unser Programm:

Maren Heltsche
: 5 Jahre Digital Media Women

Alexander Sander: Neues zur Vorratsdatenspeicherung

Anna Biselli: Hacking Team Hacked – was uns 400 GB über die
Überwachungsindustrie erzählen können

Ihr findet die c-base in der Rungestraße 20, 10179 Berlin. Einlass ist wie immer ab 19 Uhr, los geht’s gegen 20 Uhr, selbstverständlich auch im Stream unter http://c-base.org. Der Eintritt ist frei.

#npa039 ist der Hashtag für den Abend – gebraucht ihn gerne und reichlich, auch für Feedback und Fragen, wenn ihr nicht vor Ort sein könnt.

9. Videos vom letzten Netzpolitischen Abend

Volker Tripp (Digitale Gesellschaft e.V.): Neues zur WLAN Störerhaftung

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D. Schmüdde: Harvesting Human Intelligence – Reframing the surveillance discourse

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10. DigiGes in den Medien

Focus.de
EU: Verbraucherschützer: WLAN-Störerhaftung verstößt gegen Europarecht (06.07.2015)
http://www.focus.de/politik/deutschland/eu-verbraucherschuetzer-wlan-stoererhaftung-verstoesst-gegen-europarecht_id_4797805.html

Süddeutsche Zeitung
Fotos von Reichstag und Louvre dürfen gepostet werden (09.07.2015)
http://www.sueddeutsche.de/digital/urheberrecht-in-europa-reichstag-und-louvre-duerfen-fotografiert-werden-1.2558984

Zeit Online
Fluggastdaten: Die nächste Vorratsdatenspeicherung naht (15.07.2015)
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-07/fluggastdaten-eu-parlament-libe-ausschuss

Berliner Morgenpost
Netzaktivisten: EU-Kommission soll Vorratsspeicherung stoppen (20.07.2015)
http://www.morgenpost.de/politik/inland/article205488467/Netzaktivisten-EU-Kommission-soll-Vorratsspeicherung-stoppen.html

Süddeutsche Zeitung
Wenn das Urheberrecht die Kunst einschnürt (16.07.2015)
http://www.sueddeutsche.de/kultur/debatte-urheberunrecht-1.2569005