Das World Wide Web wird heute 25 Jahre alt. Was 1989 von Tim Berners-Lee und Robert Cailliau am schweizerischen Forschungszentrum CERN entwickelt wurde, hat sich schnell zu einer der populärsten Anwendungen des Internet entwickelt, unser Kommunikationsverhalten revolutioniert und alle Bereiche der Gesellschaft tiefgreifend verändert.
„So sehr dieses Jubiläum ein Grund zur Freude ist, so sehr hat das WWW gerade heute Glückwünsche bitter nötig: Angriffe auf die Netzneutralität, anlasslose Massenüberwachung und ein unzeitgemäßes Urheberrecht gefährden die technologischen und sozialen Errungenschaften eines Vierteljahrhunderts.“, sagt Markus Beckedahl, Sprecher des Vereins Digitale Gesellschaft.
1. Netzneutralität muss fortbestehen
Seinen breiten Erfolg verdankt das WWW unter anderem dem allgemein gleichen, freien und offenen Zugang zu Webseiten und den darauf bereitgestellten Inhalten. Das wäre nicht möglich ohne das Prinzip der Netzneutralität, wonach es im Internet keine Daten erster und zweiter Klasse gibt. Unabhängig von Absender, Empfänger oder Inhalt werden alle Daten gleich gut und gleich schnell transportiert. Niemand steht in der Mitte und entscheidet darüber, welche Inhalte er wie weiterleitet, welche gratis sind und für welche ein Aufpreis zu zahlen ist.
Geht es nach dem Willen von Internetprovidern und EU-Kommission, könnte sich das bald ändern. Die zur Zeit in Brüssel verhandelte Telekommunikationsverordnung droht die Netzneutralität zugunsten eines Zwei-Klassen-Netzes weitgehend abzuschaffen. Danach könnten Provider bestimmte Inhalte und Webseiten nur noch gegen gesondertes Entgelt in schneller und guter Qualität verfügbar machen, während sie gleichzeitig Zugänge zum offenen Internet volumenbeschränken oder verlangsamen. Dazu könnten sie den Datenverkehr per Deep Packet Inspection durchleuchten und je nach vorgefundenem Inhalt schneller, langsamer oder gar nicht transportieren. Die geplante Abschaffung der Netzneutralität gefährdet daher die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz und damit genau die Kommunikationsgrundrechte, die durch das WWW eine besondere Stärkung erfahren haben.
„Ein Ende der Netzneutralität wäre das Ende des Internet, wie wir es kennen. Es darf kein Zwei-Klassen-Netz auf Kosten der Grundrechte geben. Die Europaparlamentarier müssen in den kommenden Abstimmungen über die Telekommunikationsverordnung verhindern, dass das Netz zum Spielball der Provider wird.“, sagt der Geschäftsführer des Digitale Gesellschaft e.V. Alexander Sander.
2. Anlasslose Massenüberwachung ist das Ende der Unbefangenheit
Zur Popularität des WWW hat auch die Unbefangenheit der Nutzerinnen und Nutzer im Umgang mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten entscheidend beigetragen. Die anlasslose Massenüberwachung der Online-Kommunikation durch Nachrichtendienste hat diese Unbefangenheit bereits schwer beschädigt, die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung würde sie vollends zunichte machen.
Seit Snowden wissen wir, dass sämtliche Daten aus der elektronischen Kommunikation abgeschöpft, gespeichert, verknüpft, korreliert und zum Bild einer Person zusammengefügt werden können. Wer Hoheit über diese Daten erlangt, besitzt zugleich völlige Deutungsmacht über Leben und Persönlichkeit jedes beliebigen Menschen. Das damit verbundene Potential zur Erpressung und Manipulation Einzelner als auch zur Kontrolle der Gesellschaft belegt den totalitären Charakter der lückenlosen Kommunikationsüberwachung. Das Bewusstsein um das Bestehen einer solchen Überwachungsarchitektur wird viele Menschen dazu veranlassen, mit bestimmten anderen Menschen im Zweifel nicht zu kommunizieren, bestimmte Orte nicht aufzusuchen und von ihren grundgesetzlich garantierten Freiheiten keinen Gebrauch zu machen. Journalistischer Quellenschutz wird gleichermaßen ausgehöhlt wie anwaltliche, ärztliche und geistliche Schweigepflichten. Das Recht auf Privatsphäre und der Schutz persönlicher und vertraulicher Daten sind zwingende Komponenten einer einer freiheitlichen Gesellschaft und einer funktionierenden Demokratie.
„Will die Bundesregierung der anlasslosen Massenüberwachung elektronischer Kommunikation effektiv und glaubwürdig entgegentreten, so muss sie sich endlich auf EU-Ebene für die Aussetzung von Datenaustauschabkommen wie Safe Harbor, PNR und SWIFT stark machen und in Deutschland auf die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verzichten. Überfällig ist außerdem ein Untersuchungsausschuss, der nicht nur die Aktivitäten der NSA und des GCHQ, sondern auch die Verwicklung deutscher Nachrichtendienste in den Überwachungsskandal zum Gegenstand hat.“, fordert Volker Tripp, politischer Referent des Digitale Gesellschaft e.V..
3. Ein unzeitgemässes Urheberrecht fördert Anwälte und lässt Nutzer und
Kreative im Regen stehen
Wer heute etwas im WWW veröffentlicht, muss sich automatisch mit Fragen des Urheberrechts auseinandersetzen. Vor den Zeiten des WWW zielte die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen vor allem auf solche, die durch diese Verletzung unmittelbare kommerzielle Vorteile erzielen (z.B. Verkauf von Raubkopien, Nutzung von Musik in einem Werbespot). Dementsprechend schwer waren waren deshalb die rechtlichen Geschütze in Form von teuren anwaltlichen Abmahnungen.
Durch Digitalisierung und Internet ist jedoch plötzlich die breite Masse der Bevölkerung von solchen Abmahnungen bedroht. Nutzungshandlungen finden im WWW auf öffentlichen Plattformen wie Facebook, YouTube oder Blogs statt. Viele von deren Funktionen – zum Beispiel das beliebte Teilen von Inhalten auf Facebook – sind jedoch mit dem Urheberrecht kaum kompatibel. Deshalb drohen für viele Verletzungen des Urheberrechts, die im Internet an der Tagesordnung stehen, exorbitante Abmahngebühren.
Das Kernproblem ist, dass das sich mit dem WWW das Anwendungsgebiet des Urheberrechts ausgedehnt hat, das Urheberrecht aber kaum daran angepasst wurde. Die alten, auf kommerzielle Urheberrechtsverletzung ausgerichteten Regeln sind unverhältnismäßig, wenn sie auf private oder nicht-kommerzielle Nutzungshandlungen im Internet angewandt werden. Es ist deshalb dringend notwendig, durch das gezielte Drehen an den Stellschrauben des Urheberrechts – den Schranken- und Ausnahmebestimmungen – das Urheberrecht mit dem WWW kompatibel zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten wie zum Beispiel eine Ausdehnung des Zitatrechts, eine effektive Beschränkung von Abmahngebühren oder eine allgemeine Bagatell- und Remixschranke einzuführen.