In einem Beitrag mit dem Titel „Netzneutralität: Freie Fahrt für ein Phantom“, der am Wochenende bei Zeit Online erschien, befasst sich der Journalist Friedhelm Greis mit der aktuellen Debatte rund um Spezialdienste. Unter anderem vergleicht er dabei die Spezialdienst-Definition, welche das Europäische Parlament (EP) im Rahmen der Verordnung für einen einheitlichen Telekommunikationsmarkt verabschiedet hatte, mit der Begriffsbestimmung, die dem Positionspapier der Bundesregierung für die Verhandlungen im Ministerrat zugrunde liegt. Sodann hält er uns, dem Digitale Gesellschaft e.V., vor, dass wir keine gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Fassungen belegen könnten. Unsere Warnungen vor der Gefahr, dass die Bundesregierung mit ihrer Definition der Auslagerung von Diensten des offenen Internet auf gesondert zu bezahlende Überholspuren Vorschub leistet, bezeichnet er darüber hinaus als irreführende Behauptung. Als Begründung für diese Einordnung führt Herr Greis lediglich den Umstand an, dass sich die Definitionen der Spezialdienste in den Entwürfen von EP und Bundesregierung nur marginal unterscheiden.

Dazu nehmen wir wie folgt Stellung:

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat bereits die vom EP verabschiedete Definition der Spezialdienste als unzureichend kritisiert. Wie auch bei der durch die Bundesregierung vorgeschlagenen Begriffsbestimmung haben wir schon an der Fassung des EP bemängelt, dass Spezialdienste nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen eine technische Notwendigkeit besteht, der betreffende Dienst also nicht genauso gut über das offene Internet erbracht werden kann. Darüber hinaus hat der Digitale Gesellschaft e.V. niemals die Behauptung aufgestellt, dass sich die Definitionsentwürfe von EP und Bundesregierung gravierend unterscheiden. Aus Sicht der Vereins besteht deshalb auch kein Anlass, Unterschiede an Stellen aufzuzeigen, an denen nie davon die Rede war.

Pressemitteilung zum EP-Beschluss:

Änderungen zur Netzneutralität: Erforderlich, aber nicht hinreichend

Pressemitteilung zum Positionspapier der Bundesregierung:

Regierungsentwurf zur Netzneutralität: Blaupause für ein Zwei-Klassen-Netz

Des Weiteren haben wir stets klar dargelegt, warum bei einer solch unzureichenden Definition der Spezialdienste die Gefahr besteht, dass Dienste des offenen Internet auf kostenpflichtige Überholspuren ausgelagert werden. Ohne Beschränkung der Spezialdienste auf Fälle wie etwa die Telemedizin oder das fahrerlose Auto, in denen eine technische Notwendigkeit für eine garantierte Übertragungsqualität vorliegt, gibt es weder im Verordnungstext des EP noch im Postitionspapier der Bundesregierung irgendeine Hürde für derartige Auslagerungen. Zudem entspricht es den ökonomischen Interessen der Telekommunikationsprovider, etablierte und beliebte Online-Dienste auf Überholspuren zu verschieben und dafür sowohl bei den Diensteanbietern als auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern abzukassieren. Die Tendenz zu kostenpflichtigen Sonderbehandlungen zeichnet sich im Mobilfunkbereich, etwa mit den Zero-Rating-Diensten von Spotify, Google und Facebook, bereits seit Jahren ab.