Die überwältigenden Proteste gegen ACTA sind nur der Auftakt: die digitale Bürgergesellschaft kommt in Fahrt – und setzt die eigenen Prioritäten. Wir, die digitale Generation fordern unsere Rechte ein. Wer das ignoriert, wird künftig dafür die Quittung erhalten.

ACTA ist eine Abkürzung. Sie steht für „Anti-Piraterie-Handelsabkommen“. Anti-Piraterie, das klingt für viele positiv: Es geht ja nicht an, dass man Kreative bestiehlt, dass man Innovationen dadurch zerstört, dass man sie nicht vor unerlaubten Kopien schützen kann.

Doch wenn Menschen, die viel mit dem Internet zu tun haben etwas mit „Anti-Piraterie“ hören, dann verstehen sie darunter etwas vollkommen anderes: Wer Pirateriebekämpfung sagt, meint im Regelfall etwas ganz anderes: dass sogenanntes „Geistiges Eigentum“ Vorfahrt vor allen Grundrechten haben soll, vor Datenschutz, Informationsfreiheit und Meinungsfreiheit. ACTA ist genau in diesem Sinne geschrieben.

Die ACTA-Proteste sind eine Netz- und keine Kriegserklärung. ACTA ist für diese Generation ein Synonym für die Netzpolitik der Nichtversteher. ACTA hat viele Namen: IPRED, UrhG, Hackerparagraf, Bundestrojaner, SOPA, PIPA, Zensursula, Censilia, 2-Strikes, 3-Strikes, Abmahnungen, Vorratsdatenspeicherung – ACTA steht für all die Fälle, in denen Politik für diese Generation vollkommen versagt und nur zu oft einseitige Interessen bedient hat.

Aber die Proteste fordern auch von uns etwas ein: wir müssen genauer werden. Wir müssen klar vermitteln, dass wir mehr wollen als nur „kein ACTA“. Wir müssen sagen, was wir wollen. Für den Verein Digitale Gesellschaft ist klar: Wir brauchen nicht nur einen Stopp des ACTA-Vorhabens. Wir brauchen eine komplette Grundrevision des Urheberrechts. Das jetzige Urheberrecht nützt den Kreativen nicht – es ist zum Verwerterrecht verkommen. Es ist ein Recht aus einer vergangenen Zeit, in der es nur wenige Kreative und einige Musiklabels, Hollywoodstudios und Verlage gab. Wir brauchen eine Überarbeitung, die Bürger und ihre Rechte und mit diesen als Nutzern auch die Kreativen in den Mittelpunkt stellt. Auch jeder Künstler ist Bürger und Nutzer anderer Werke. Wenn Politiker glauben, dass sie vorgeblich den Kreativen dieser Welt etwas Gutes tun, in dem sie Grund- und Freiheitsrechte zur Urheberrechtsdurchsetzung zur Disposition stellen, dann sollten sich die Künstler fragen: Stimmt das? Warum befürworten ausgewiesene Innenpolitiker wie Wolfgang Bosbach ACTA? Künstler haben viele Jahrhunderte in dem Ruf gestanden, besonders demokratiefreundlich zu sein. Sie sollten sich fragen, ob sie sich mit der digitalen Grundrechtebewegung solidarisieren – oder lieber mit CDU, CSU und den Plattenfirmen, Verlagen und Filmstudios, die ihnen mit Knebelverträgen die Luft zum Atmen nehmen.

Die Proteste gegen ACTA sind ein guter Startpunkt. ACTA stoppen ist der erste Stein in der Mauer, um vom überkommenen Urheberrecht zum Kreativnutzerrecht zu kommen. Die digitale Gesellschaft ist am Wochenende einen guten Schritt vorangekommen. Der Anti-ACTA-Tag war ein Festtag der digitalen Demokratie. Wer diese Bewegung ignoriert, wird bei kommenden Wahlen wegdemografiert.

Jetzt gegen ACTA aktiv werden: Unsere Stopp ACTA-Kampagne!

5 Meinungen zu “Wir erklären das Netz, nicht den Krieg

  1. Frank Dellen sagt:

    „Aber die Proteste fordern auch von uns etwas ein: wir müssen genauer werden. Wir müssen klar vermitteln, dass wir mehr wollen als nur „kein ACTA“. Wir müssen sagen, was wir wollen. Für den Verein Digitale Gesellschaft ist klar: Wir brauchen nicht nur einen Stopp des ACTA-Vorhabens. Wir brauchen eine komplette Grundrevision des Urheberrechts.“

    Nach diesem Auftakt hätte ich erwartet, dass SIe tatsächlich sagen, was Sie wollen, und wie die komplette Grundrevision des Urheberrechts aussehen soll. Nicht in allen Details, schon klar, aber über den schwammigen Bergriff „Kreativnutzerrecht“ hätten Sie schon hinaus gehen können.
    Ich weiß nicht, ob solche Manifeste Ihren Zielen nicht eher schaden.

  2. Christoph Lode sagt:

    „Künstler haben viele Jahrhunderte in dem Ruf gestanden, besonders demokratiefreundlich zu sein. Sie sollten sich fragen, ob sie sich mit der digitalen Grundrechtebewegung solidarisieren – oder lieber mit CDU, CSU und den Plattenfirmen, Verlagen und Filmstudios, die ihnen mit Knebelverträgen die Luft zum Atmen nehmen.“

    Ich bin Schriftsteller, ich war jahrelang bei amnesty international aktiv, ich engagiere mich politisch gegen jede Form von Unterdrückung, ich betrachte die Positionen der Piratenpartei mit Sympathie und Interesse, habe mich von Anfang an gegen ACTA ausgesprochen und mich an Petitionen dagegen beteiligt.

    Aber für Sie bin ich ein „Kreativer“ und „Künstler“ und als solcher automatisch verdächtig, demokratie- und Grundrechtefeindlich zu sein. Herzlichen Dank dafür, Digitale Gesellschaft.

    Ich wünsche mir eine differenzierte Betrachtung der Thematik, aber für Grauzonen scheint in Ihrer schlichten Weltsicht (hier WIR, da drüben DIE) kein Platz zu sein.

    Christoph Lode

  3. JL sagt:

    „Künstler haben viele Jahrhunderte in dem Ruf gestanden, besonders demokratiefreundlich zu sein. Sie sollten sich fragen, ob sie sich mit der digitalen Grundrechtebewegung solidarisieren – oder lieber mit CDU, CSU und den Plattenfirmen, Verlagen und Filmstudios, die ihnen mit Knebelverträgen die Luft zum Atmen nehmen.“

    Dieser Angriff auf “die Künstler” ist polemisch und ziemlich überflüssig. Viele “Künstler”, die ich kenne, haben ein Problem mit ACTA. Ich selbst bin Schriftsteller und habe ein Problem mit ACTA. Aber es stimmt zum Beispiel schon mal nicht, dass Verlage uns “mit Knebelverträgen die Luft zum Atmen nehmen”. Ein bisschen komplizierter, als ihr es darstellt, ist die Wirklichkeit schon. Ihr müsstet schon den kompletten Markt, den kompletten Vertriebsweg für Bücher ändern, von den Verlagen über die Vertreter und die Buchhandlungen bis zu den Kaufgewohnheiten der Kunden, um Schriftstellern eine Alternative zum status quo (der so schlecht für uns nicht ist) zu bieten.

    „Aber die Proteste fordern auch von uns etwas ein: wir müssen genauer werden. Wir müssen klar vermitteln, dass wir mehr wollen als nur „kein ACTA“. Wir müssen sagen, was wir wollen.“

    Richtig, und die bisherigen Vorschläge waren unzureichend. Flattr-Systeme für die Honorierung würden für die meisten Autoren eine Verschlechterung ihrer Situation bedeuten, und Vorstöße wie die vom CCC vorgeschlagene langfristige Überführung von Texten in eine wie auch immer geartete Allmende werden von den meisten Autoren als Beleidigung aufgefasst (und beide Seiten können jetzt laut schreien, “ihr habt halt auch keine Ahnung von dem, was wir tun!”). Ich persönlich fände eine Art Kulturflatrate immer noch am Sinnvollsten (und dem gemeinen “Endnutzer” von “Kunst” auch am leichtesten kommunizierbar), aber das müsste man halt mal genauer ausarbeiten.

    Ich weiß auch keinen Königsweg: Als “Bürger”, wir ihr schreibt, würde ich gerne was ändern, aber als “Kreativer” habe ich leider noch keine Idee gehabt, die sich wirklich wie eine Verbesserung anfühlt.

    tl;dr: Künstlern die Pistole auf die Brust zu setzen, indem man sie vor die Wahl “CDU & Verlage — oder wir” stellt, ist kontraproduktiv, faktisch falsch und Bush-mäßig plump. Es gibt keine “Axis of Evil”, die von den Parteien bis in die Verlage reicht. Setzt euch lieber mit den Künstlern zusammen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass schon Autoren zu Piratenstammtischen gingen und lebend wieder zurückkamen. Es geht also!

  4. krugar sagt:

    da hat jemand offensichtlich spass daran, die straße hinter sich zu wissen :)

    das wort „Verwerterrecht“ lese ich jetzt schon zum zweiten mal und es gefällt mir immer besser. könnte mir vorstellen, dass es sich als kampfbegriff gut eignet. wenn sich trennscharf formulieren lässt, dass tatsächliche urheber schutzrechte genießen sollen, aber die, öh, entpersonalisierung dieser rechte in den letzten jahr(zehnt)en zu weit gegangen ist und zurückgebaut werden muss, würden sicher auch mehr/ältere kreative auf den zug aufspringen (vgl: https://www.taz.de/Die-Woche/!87556/ ).

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