Der Entwicklungsausschuss (DEVE) im EU-Parlament hat einen ersten Stellungnahmeentwurf (PDF) veröffentlicht, der das ACTA-Abkommen befürwortet, viele Fehler enthält und scheinbar nicht versteht, dass der Medikamentenzugang in Entwicklungsländern durch das ACTA behindert wird.
Heute diskutiert der Ausschuss ab 16:30 Uhr über die Stellungnahme zum ersten Mal.
Daher ruft jetzt Eure Abgeordneten im DEVE-Ausschuss an! Telefonnummern der Ansprechpartner stehen unten.
Mehr Hintergrundinformationen zu unserer ACTA-Kampagne gibt es hier.
Dies ist die deutsche Übersetzung eines „Entwurf einer Stellungnahme zum Vorschlag einer Ratsentscheidung zum Beschluss von ACTA“ von European Digital Rights (EDRi).
European Digital Rights ist besorgt, dass in der vorgeschlagenen Stellungnahme einige Elemente vorhanden sind, die die Entwicklungsrichtlinien negativ beeinflussen könnten. Zudem scheinen einige Punkte schlicht ungenau ausgeführt zu sein. Bevor dieses Thema im Entwicklungsausschuss diskutiert wird, würde wir gerne kurz zu diesen Punkten Stellung beziehen.
1. Die vorgeschlagene Stellungnahme behauptet, dass der Schutz „geistiger Monopolrechte“ (IPR) „für die Entwicklung essenziell“ sei.
In der Studie des Europäisches Parlaments[1] für das INTA-Kommittee aus dem Jahre 2011 wird behauptet dass „es nicht möglich ist, zu sagen, ab welchem Punkt der Schutz geistiger Monopolrechte kontraproduktiv wird“[2] und dass es kein „von vornherein gespanntes Verhältnis“[3] zwischen Kosten und Nutzen verstärker IPR-Schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern gebe. Da die Europäische Kommission es ablehnt, Studien zu möglichen Konsequenzen von ACTA für die EU oder für Entwicklungsländer in Auftrag zu geben, hat die Behauptung, der Schutz des IPR sei „für die Entwicklung essenziell“, keine erwiesene Grundlage. Im Gegenteil, es ist noch weniger zu erwarten, dass das von ACTA vorgeschlagene strenge System die Flexibilität aufweist, die Entwicklungländer benötigen.
2. begrüßt den rechtlichen „WTO-Plus“-Rahmen
ACTA wurde aus der Entscheidung heraus geboren, multilaterale Abkommen wie die WTO und die WIPO abzuschaffen – eine besonders besorgniserregende Form des „Forum Shopping“, bei der existierende Strukturen und ausgehandelte Prozeduren abgeschafft werden, um Entwicklungsländer auszuschließen. Den Schaden, der der Kooperation und den bestehenden Institutionen zufügt wird, werden wir erst in den kommenden Jahren sehen – auch wenn der Protest Indiens[4] und anderer Staaten beim TRIPS-Rat gegen den Ausschluss weniger entwickelter Länder ein Indikator für die Verbitterung ist, die ACTA ausgelöst hat. Jeder Entscheidungsträger, der sich um Entwicklung und Demokratie sorgt, sollte gegen diese neue Umgebung der Ausgrenzung protestieren, statt sie willkommen zu heissen.
3. begrüßt „die Tatsache, dass die ACTA-Mitgliedschaft nicht exklusiv ist“
Dieser Artikel der vorgeschlagenen Stellungnahme übergeht völlig das ernste demokratische Defizit, dass Entwicklungsländer bewusst aus den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen wurden. Er ignoriert auch die Tatsache, dass der ganze Zweck von ACTA darin besteht, eine „Koalition der Willigen“ zu bilden, um den Text schließlich als unmodifizierbaren fait accompli an die Entwicklungsländer weiterzugeben. Dieser Punkt wurde in der vom Europäischen Parlament 2008 in Auftrag gebenen Studie sehr deutlich: „Dieser Ansatz [ACTA] bestraft ausdrücklich Entwicklungsländer, da sie keinen gleichwertigen Einfluss auf den Text der Vereinbarung haben.“[5]
4. erinnert die Kommission daran, ACTA nicht durch Freihandelsabkommen oder Partnerschaftsvereinbarungen durchzusetzen
Es ist ganz offensichtlich zu früh um zu sagen, ob sich die Kommission an dieses Versprechen halten wird oder nicht. Aber es ist jetzt schon abzusehen, dass die ersten Elemente von ACTA in Freihandelsabkommen auftauchen. Die EU strebt ACTA-ähnliche Vereinbarungen in den EU-Kanada-Verhandlungen an, zum Beispiel solche die die Weitergabe von Informationen betreffen. Die Zeichen stehen nicht besonders günstig, zumal da die EU schon einmal ihre Versprechen zu Studien über die Folgen von ACTA, die Auswirkungen auf die Grundrechte und die Vereinbarkeit mit dem bestehenden Regelwerk (Acquis) ohne irgendwelche Konsequenzen gebrochen hat.
5. lobt die Kommission für das EU-Regelwerk und die Vereinbarkeit mit TRIPS
Die gesamte Strafverfolgung geht über den EU-Acquis hinaus. Die Anfrage des Parlaments vom 22. September 2010, den Acquis zu respektieren, wurde ignoriert. Die DG-EXPO-Studie des Europäischen Parlaments von 2011 hebt hervor, dass „es bei gegebenen Unsicherheiten nötig sein könnte, eine Klarstellung zu suchen, um sicherzustellen, dass ACTA mit dem EU-Aqcuis konform ist“. Das verweist auf die Möglichkeit einer Überweisung an den Europäischen Gerichtshof betreffend der Schadensersatzvorschriften in ACTA. [6] Weiterhin bezieht sich das Vorwort und das sogenannte Internetkapitel auf (zivil- und strafrechtliche) Strafverfolgung, die von einer „Kooperation“ von privaten Parteien durchgeführt wird. Das steht in offensichtlichem Widerspruch zu §21 des Vertrages der Europäischen Union, der eine Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in den internationalen Beziehungen und Handeln der EU vorsieht.
Die 2011 vom Europäischen Palament durchgeführte Studie schlussfolgert, dass ACTA „deutlich strenger und Rechteinhaberfreundlich ist als das TRIPS-Abkommen“[7].
6. begrüßt die “unmissverständliche Sprache” von ACTA bezüglich Generika
Viele Menschenrechtsgruppen, darunter Oxfam[8] und Public Citizen[9], und eine wissenschaftliche Studie[10] weisen auf Probleme für den Zugang zu Medikamenten hin. Der ACTA-Text erwähnt nur ein einziges Mal die Doha-Erkärung, und zwar in der nicht-bindenden Präambel. Die Kombination aus verschärften Maßnahmen mit einem nicht-bindenden Hinweis auf die Doha-Erklärung und das Unterminieren der Doha-Erklärung in anderen Foren schützt den Zugang zu Medikamenten nicht in ausreichendem Maß.[11]
7. nimmt die Antwort der Kommission, was den Zugang zu Medikamenten betrifft, zur Kenntnis
In der Analyse von Oxfam wird festgestellt, dass ACTA ohne Zweifel den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten in der EU und anderen Unterzeichnerstaaten durch das Eindämmen des Wettbewerbs auf dem Generika-Markt erschweren wird.[12] Die Vereinbarung sieht die Beschlagnahme von Medikamenten im Transit vor, die weder im Produktionsort noch am Zielort geistige Monopolrechte verletzen. Sie vergrößert die TRIPS-Anforderungen an Grenzmaßnahmen; unter anderem wird es erforderlich sein, Beschlagnahmungen zu autorisieren, wenn Grenzschutzbeamte den Verdacht haben, dass ein Medikamentenlabel einer Marke „zum Verwechseln ähnlich“ sein könnte. Dies wird zur Vergrößerung des Risikos führen, dass legale Medikamente beschlagnahmt werden.[13] Aus einer wissenschaftlichen Studie, die die Folgen von ACTA auf den Medikamentenzugang analysierte, geht hervor, dass das „Herabsetzen von Minimalstandards für Verfahrensrechte und Beweismaterial vor Beschlagnahmungen auch internationale und europäische Menschenrechtsnormen bezüglich fairem Verfahren und Inbesitznahme von Gegenständen“ betreffen würde.[14]
Fußnoten:
1 European Parliament Directorate-General for External Policies of the Union, “The Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA): An Assessment,” June 2011. The document is unavailable on the Parliament website but can be downloaded from http://www.edri.org/files/DG_EXPO_ACTA_assessment.pdf
2 Op .cit, European Parliament study, p.36: „it is not possible to say at what point IPR protection becomes counter productive“
3 Ibid, p.37: „built-in tension“
4 Ibid, p.37 quoting ‘Minutes of Meeting Held In The Centre William Rappard on 27-28 October and 6 November 2009’ Council on Trade-related Aspects of Intellectual Property, IP/C/M/61, 12 February 2010, para. 264.
5 Dordi, C, “Comments on the Anti-Counterfeiting Trade Agreement” 14 May, 2008. p24. The document is unavailable on the Parliament website but can be downloaded from http://www.edri.org/files/dordi_2008.pdf : „This approach [of ACTA] particularly penalizes developing countries as they do not have equal input to the agreement text they could adhere to.“
6 Op.cit, European Parliament Directorate-General for External Policies of the Union, p.6
7 Idem
8 Oxfam, “Oxfam statement regarding ACTA and public health” October 2011, available at
http://www.oxfamsol.be/fr/IMG/pdf/Oxfam_ACTA_analysis_FINAL.pdf
9 Public Citizen, “Letter to Members of the committee on Legal Affairs, October, 2011, Available at http://www.citizen.org/documents/Letter-to-Members-of-the-Committee-on-Legal-Affairs-on-the-ACTA.pdf
10 Flynn, S with Madhani, B, ACTA and Access to Medicines, June 2011 available at http://rfc.act-on-acta.eu/access-to-medicines
11 Foundation for a Free Information Infrastructure (FFII), “Note on the Legal Service Opinion on ACTA, December 2011, available at http://acta.ffii.org/?p=992
12 Op.cit, Oxfam, p.1
13 See Articles 12, 13 and 16 of ACTA. Footnote 6 explicitly states that patent infringement and the protection of undisclosed information are not within the scope of the section on border measures
14 Op.cit, Flynn and Madhani, pp9-10, Compare TRIPS art. 58 (noting that competent authorities may act upon their own initiative in suspending the release of goods when they have acquired prima facie evidence of infringement), with ACTA Text–Dec. 3, 2010, supra note 3, arts. 16:1(a), 16:2(b), 17:1 (mentioning a prima facie evidentiary requirement for suspensions only in the case of requests by right holders, not when customs authorities act on their own).
Hier die Kontaktdaten der deutschsprachigen Abgeordneten im Ausschuss:
KASTLER Martin, EPP, Christlich-Soziale Union in Bayern e.V.
Brussels Tel.: +322 28 45538 – +322 28 47538
E-Mail: martin.kastler@europarl.europa.eu
KELLER Franziska, Greens/EFA, Bündnis 90/Die Grünen
Brussels Tel.: +322 28 45379 – +322 28 47379
E-Mail: franziska.keller@europarl.europa.eu
MEISSNER Gesine, ALDE, Freie Demokratische Partei
Brussels Tel.: +322 28 45578 – +322 28 47578
E-Mail: gesine.meissner@europarl.europa.eu
NEUSER Norbert, SD, Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Brussels Tel.: +322 28 45892 – +322 28 47892
E-Mail: norbert.neuser@europarl.europa.eu
SCHNELLHARDT Horst, EPP, Christlich Demokratische Union Deutschlands
Brussels Tel.: +322 28 45618 – +322 28 47618
Strasbourg Tel.: +333 88 1 75618 – +333 88 1 77618
E-Mail: horst.schnellhardt@europarl.europa.eu
SCHNIEBER-JASTRAM Birgit, EPP
Christlich Demokratische Union Deutschlands
Brussels Tel.: +322 28 45275 – +322 28 47275
E-Mail:birgit.schnieberjastram@europarl.europa.eu
ZIMMER Gabriele, GUE/NGL, DIE LINKE.
Brussels Tel.: +322 28 45101 – +322 28 47101
E-Mail: gabriele.zimmer@europarl.europa.eu
Nein zu ACTA
STOP ACTA !!
Das Problem mit ACTA als völkerrechtlicher Vertrag.
ACTA ist ein Vertrag, der den bestehenden Status Quo der gesellschaftlichen, rechtlichen Handhabung von Copyright und Patenten auf völkerrechtlicher Ebene festigen soll. Das Problem dabei ist, dass dieser Status Quo, bereits in der Netzgemeinschaft als Konsens bröckelt und in naher Zukunft gesamtgesellschaftlich nicht mehr haltbar sein wird. Einfach dadurch, dass die geltenden Copyright- und Patentbestimmungen in Zukunft mehr Probleme als Lösungen schaffen werden.
Dadurch das ACTA ein völkerrechtlicher Vertrag ist, ist ACTA selbst dann bindend, wenn nationale Parlamente eine Reform des Copyrights und des Patentrechts in Erwägung ziehen. Eine Reform des Copyrights und des Patentrechts wird den mitzuunterzeichnenden nationalen Parlamenten völkerrechtlich „untersagt“.
Auch wenn ACTA den heutigen gesetzlichen Normen entspricht, wird ACTA dem nahen zukünftigen gesellschaftlichen Konsens nicht mehr entsprechen; wird aber dennoch verbindlich sein.
ACTA zu unterzeichnen wäre töricht.
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Wirtschaftsnobelpreistraeger-ist-Softwarepatent-Gegner-186249.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Professoren-schlagen-Alarm-wegen-der-Urheberrechtsnovelle-169793.html
http://www.golem.de/0807/60898.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/BGH-Urteil-zu-Softwarepatenten-stoesst-auf-viel-Kritik-1004005.html
Weitere Quellen & Studien?
Sehr geehrte Mitglieder des Entwicklungsausschusses,
als europäischer Bürger sehe ich die derzeitigen Entwicklungen rund um das ACTA Handelsabkommen mit großer Sorge. Die langjährigen Verhandlungen wurden unter Ausschluß der europäischen Öffentlichkeit und durch nicht vom europäischen Souverän legitimierten Vertreter durchgeführt. Sollten sich die Lobbyinteressen die durch dieses Handelsabkommen gestärkt werden durchsetzen würde das nicht nur einen massiven Einschnitt in die Bürgerrechte jedes Unionsbürgers in den Bereichen der Meinungsfreiheit und der unabhängigen Medienberichterstattung bedeuten, sondern würde auch der europäischen Idee enormen Schaden zufügen. Ich bitte sie sich folgende Artikel durchzulesen, das kostet sie nicht einmal 10 Minuten ihrer Zeit.
http://digitalegesellschaft.de/2012/01/acta-kontaktiert-den-eu-entwicklungsausschuss
http://digitalegesellschaft.de/wp-content/uploads/2011/10/acta-edri-broschuere-deutsche-uebersetzung.pdf
Nach der Lektüre können sie als demokratische Europäer nur Nein zu ACTA sagen.
Ich muss Sie ja wohl nicht erst daran erinnern wie SOPA/PIPA in Amerika ausgegangen ist
Mit freundlichen Grüßen Luisa Reichel
manöverkritik
ich möchte mich anschliessen. ich weiss was acta ist und warum es gestoppt werden muss. diese seite scheint sich jedoch an politprofis zu richten die die vorzufindenden informationen problemlos einsortieren können. wichtig wäre eine kurze bedienungs oder handlungsempfehlung.
worum geht es in kurzform?
warum soll ich helfen?
wie KONKRET kann ich das?
optimal wäre etwas wie:
ACTA ist böse weil…..
du wirst probleme durch bekommen, da….
Deshalb ist es immens wichtig das du folgendes tust….(anrufen mailen petition klicken oder was auch immer.
und am besten auch noch kurz was zu sagen oder schreiben ist.
aber am aller wichtigsten ist ein korrektes ziel anzugeben. wenn ich dem gedankengang der vorposterin richtig folgte, dann rufen wir grade die falschen an….
Ich hätte eine Verständnisfrage: In einem Telefonat mit der Abgeordneten der Grünen heute wurde mir gesagt, die Stellungnahme spiegele nicht die Sicht aller Mitglieder des Ausschusses wieder (was ja in einer heterogenen Gruppe auch normal ist). Weiß jemand, wie groß das Gewicht des „Stellungnehmers“ ist und welchen Einfluss die anderen Mitglieder des Ausschusses haben? Muss es einen einheitlichen Beschluss geben?
Im selben Gespräch sind wir auch noch darauf zu sprechen gekommen, dass Anrufe natürlich in erster Linie bei ACTA-Befürwortern nötig wären, um das Abkommen zu stoppen. Vielleicht können bei zukünftigen Aktionen die Positionen der Abgeordneten auch für „Neueinsteiger“ in die Kampagne kenntlich gemacht werden, damit die Kontakte gezielt aufgenommen werden können.