Was hat der Digitale Gesellschaft e.V. im Jahr 2011 gemacht? Wie steht der Verein derzeit da? Mit unserem Jahresbericht für 2011 wollen wir einen Überblick über unsere Aktivitäten geben.

Wir hatten uns für dieses Jahr sechs große Ziele gesetzt, die wir unterschiedlich gut erreicht haben.

Das erste Ziel: Aufmerksamkeit für die Sicht der Nutzer im politischen Umgang mit dem Netz zu lenken.
Das zweite Ziel: die Debatte auch jenseits der Berliner Politik- und Parlamentsblase voranzutreiben.
Das dritte Ziel: mit Politikern und Ministerien ins Gespräch zu kommen und den Digitale Gesellschaft e.V. als ernstzunehmenden Gesprächspartner zu etablieren.
Das vierte Ziel: Kampagnen zu planen und durchzuführen, mit Aktionen aufmerksam zu machen und Kooperationspartner zu identifizieren und mit ihnen ins Gespräch zu kommen sowie Infrastrukturen und notwendige Materialien zu beschaffen.
Das fünfte Ziel: die finanzielle Grundausstattung des Vereins zu verbessern und Infrastrukturen für diese zu schaffen.
Das sechste Ziel: Den Verein international bekannt zu machen und zu vernetzen.

Alle diese selbstgesteckten Ziele sind für ein funktionierendes Interessenvertreten wichtig und sinnvoll. Aber sie sind gleichermaßen dadurch begrenzt, dass wir 2011 ausschließlich auf die zur Verfügung gestellten zeitlichen Ressourcen unserer Mitglieder sowie insgesamt dreier PraktikantInnen zurückgreifen konnten. Dies in Betracht ziehend, können wir sagen: wir haben allen Grund, ein wenig auf das Erreichte stolz zu sein, auch wenn wir von Zufriedenheit und den selbstgewünschten Möglichkeiten noch weit entfernt sind.

Aufmerksamkeit: Multiplikatorentätigkeit in den Medien

Nicht nur mit dem Start des Vereins zur re:publica im April 2011 haben wir eine große Medienaufmerksamkeit erfahren. Der Digitale Gesellschaft e.V., vertreten durch einzelne Mitglieder, hat seit seinem Start viele Male in diesem Jahr Medienauftritte in Form von Talkshowauftritten, Hauptnachrichtenerwähnungen, Radiosendungen, Zeitungsinterviews, Gastbeiträgen oder mit übernommenen Pressemitteilungen geschafft. Dabei konnten wir unsere Positionen und Themen transportieren, für digitale Bürgerrechte sensibilisieren und dies auch einer größeren Öffentlichkeit kommunizieren.

Verbreiterung: Debatte in die Gesellschaft tragen

Zwar konzentriert sich ein nicht zu kleiner Teil der deutschen Debatten auf das politische Berlin, aber der Digitale Gesellschaft e.V. hat in diesem Jahr in verschiedensten Winkeln der Republik und auch international eine progressive, nutzerfreundliche Netzpolitik eingefordert.

Insgesamt haben wir an vielen Veranstaltungen als Referenten oder Sprecher teilgenommen, die ein breites Themenspektrum abgedeckt haben: von Netzneutralität und Datenschutz, Facebook-Revolutionen und digitaler Repression über die Zukunft der Medien, des Jugendschutzes, Urheberrechts, digitaler Demokratie und ACTA bis zu Vorratsdatenspeicherung und vielen weiteren Themen haben Mitglieder des Vereins Flagge gezeigt.

Mitte Oktober haben wir selbst in die C-Base in Berlin zu unserem ersten netzpolitischen Abend eingeladen. Diese Veranstaltung war eine Übersicht der aktuellen politischen Themen und eine Vorstellung unserer Arbeit der vergangenen Monate. Da diese Veranstaltung mit über 100 Besuchern großen Zulauf hatte, planen wir, das Format des netzpolitischen Abends weiterhin nach 2012 mitzunehmen und Mitte Januar den nächsten Abend zu veranstalten.

Bei einem weiteren Ziel sind wir motiviert, brauchen aber noch weitere Hilfe: wir wollen unsere Themen einer breiten Öffentlichkeit kommunizieren, also auch an diejenigen, die nicht wie wir bereits das Internet in ihr Leben integriert haben und sich den ganzen Tag im Netz aufhalten. Dazu gehört eine andere visuelle und eine weniger technische Ansprache. Wir sind immer auf der Suche nach Kommunikationsexperten und Designern, die uns helfen, netzpolitische Themen mit runter zu brechen und verständlich zu machen. Wir haben mehr Ideen als wir umsetzen können und ein Teil von uns hat z.B. leider kein besonderes Talent für Design und deren Umsetzung. Wir können dafür sagen, worum es bei einem Thema geht und warum es wichtig ist, können Materialien finanzieren und verteilen, sowie die notwendige Aufmerksamkeit organisieren.

Einflussnahme: Direkte politische Arbeit

Die politische Arbeit teilt sich in zwei Bereiche. Zum einen ist es die schlichte Informationsgewinnung, wer gerade was wo wie plant, vorschlägt oder abzuschaffen gedenkt. Und zum anderen der Prüfung dieser Tätigkeiten und möglicherweise notwendigen Artikulation anderer Perspektiven.

Beides ist mit den derzeit zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mitteln nur in sehr begrenztem Umfang möglich, da extrem aufwendig. Hier ist eine Verbesserung notwendig, die insbesondere auch mit der Notwendigkeit einhergeht, hierfür Ressourcen professionell einsetzen zu können.

Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sowie der Unterstützung aus dem Netzwerk an Personen, denen die Vereinsmitglieder vertrauen, konnten wir immerhin zwei Stellungnahmen zu aktuellen Gesetzesvorhaben fertigen:

1. Stellungnahme zum geplanten (und inzwischen beschlossenen) Abschaffungsgesetz für das Zugangserschwerungsgesetz („Zensursula“). Hier haben wir die Abschaffung befürwortet und darüber hinausgehend eine einfachgesetzliche Festschreibung auch des Verbots von privatrechtlichen Vereinbarungen zum Eingriff in die Netzinfrastruktur zwischen Providern und anderen
2. Stellungnahme zur geplanten Novelle telekommunikationsrechtlicher Regelungen (insb. des TKG)
Darüber hinaus haben wir mit Politikern aus verschiedenen Parteien und Fraktionen sowie mit Mitarbeitern von Ministerien Gespräche zu aktuellen Themen geführt und wurden zu Runden Tischen sowie Konferenzen von Ministern und Ministerien eingeladen.

Wir werden als Gesprächspartner ernst genommen und haben uns fest vorgenommen, auch und gerade diesen Bereich im nächsten Jahr weiter zu intensivieren. An vielen der Themen, die in der öffentlichen Diskussion festgefahren sind, sind hinter den Kulissen mehr Bewegungen und kritische Stimmen zu hören, als man vermuten könnte. Hier kommt es darauf an, Argumente für nutzerfreundliche Positionen zu entwickeln und in den Diskurs einfließen zu lassen.

Aktivismus: Kampagnen und Kampagneninfrastruktur

Mit unseren knappen Ressourcen haben wir uns dieses Jahr vor allem auf Themen konzentriert, die sonst von fast allen links liegen gelassen wurden und/oder zu wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. Im Spätsommer haben wir auf vielen Wegen dafür geworben, dass die Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung innerhalb von drei Wochen die notwendige Masse von 50.000 Mitzeichnern erhalten hat. Wir haben Postkarten und große Transparente gedruckt, die wir sowohl auf der „Freiheit statt Angst“-Demonstration als auch beim Aktionstag gegen die Vorratsdatenspeicherung verwenden konnten und die weiterhin griffbereit im Keller liegen, sobald die Bundesregierung dann doch mal die Vollprotokollierung unseres Kommunikationsverhaltens wiedereinführen will. Und wir haben uns nach dem Attentat von Oslo Politikern wie Hans-Peter Uhl entschieden und mit guten Argumenten entgegen gestellt, die davon fabulierten, dass die Tat im Internet geboren sei und das Netz deswegen besser überwacht werden sollte.

Das internationale Anti-Piraterieabkommen ACTA wurde weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt. Nachdem es vor über einem Jahr mal auf Twitter und Blogs große Empörung darüber gab, haben viele das Thema wieder vergessen und keine Aufmerksamkeit mehr drauf gelenkt. Jetzt wird es akut und wir haben theoretisch die letzte Chance, über das EU-Parlament mit der notwendigen Mehrheit ACTA noch zu verhindern. Unsere ACTA-Broschüre bietet alle notwendigen Argumente und unsere kleine Mitmach-Kampagne alle relevanten Informationen, um mit EU-Abgeordneten Kontakt aufzunehmen.

Das Thema Netzneutralität liegt uns am Herzen. Wir haben die Debatte um die Reform des Telkommunikationsgesetzes genau verfolgt und uns mit Stellungnahmen, Pressemitteilungen und Diskussionsbeiträgen aus Nutzersicht eingemischt. Weiter haben wir von der Stiftung bridge einen Förderantrag für eine Netzneutralitäts-Kampagne bewilligt bekommen. Dazu haben wir schon mit vielen aus unseren Netzwerken konkrete Positionen und Aktionen vorbereitet. Das ist aber unser erstes Projekt für 2012, der Aufbau eines gesellschaftlichen Bündnis für Netzneutraliät. Wir wollen das komplexe Thema Netzneutralität in einer Kampagne herunterbrechen, so dass viele verstehen, worum es geht und sich mehr Menschen Gedanken machen, warum wir ein echtes Netz erhalten sollten.

Im Spätsommer überraschte Siegfried Kauder mit der Idee, Urheberrechtsverletzern nach einer Verwarnung einfach mal das Internet wegzunehmen. Wir haben uns in die Diskussion rund um 2-/3-Strikes Modelle und/oder Warnmodelle eingemischt und werden das weiterhin tun. Die Diskussion um eine privatisierte Rechtsdurchsetzung bei Urheberrechtsverstössen wird uns das kommende Jahr über noch begleiten. Zusammen mit Wikimedia und der Open Knowledge Foundation haben wir in einem Positionspapier Forderungen für ein zeitgemäßes Urheberrecht für das 21. Jahrhundert aufgestellt, um eine Netzsicht in die Debatte einzubringen.

Was uns noch fehlt und was wir gerne ausbauen wollen sind Kampagnenwerkzeuge. Momentan verwenden wir als Infrastruktur ein WordPress und für jede Kampagne müssen wir uns überlegen, ob wir eine extra Seite aufbauen oder wie wir das auf unserer Seite unterbringen können. Ein mittelfristiges Ziel von uns ist, eine Kampagneninfrastruktur mit Werkzeugen zu schaffen, die über ein WordPress hinausgehen und uns auch helfen, technische Prozesse zu vermeiden. Wir sind gespannt auf das neue Framework von Campact, das irgendwann mal als Open-Source Software-veröffentlicht werden soll und werden es uns genau anschauen, ob es passt.

Finanzen und Ressourcen

Wir haben erst vor kurzem richtig mit Spenden sammeln angefangen, was u.a. damit zu tun hatte, dass wir lange auf unsere Gemeinnützigkeitsbescheinigung gewartet haben. Jetzt gibt es zumindest die Möglichkeit, uns per Lastschrift über ein Formular zu spenden, man kann selbstverständlich weiterhin auch eine Überweisung nutzen. Wir überlegen momentan noch weitere Zahlungswege wie Flattr oder Kreditkarte, was aber meist mit mehr Transaktionsgebühren und/oder monatlich laufenden Kosten für einen Service verbunden ist. Bisher haben wir rund 10.000 Euro an Spenden eingesammelt, den genauen Betrag werden wir Anfang des Jahres wissen, wenn wir unseren Tätigkeits- und Transparenzbericht verfassen und dabei auch Spendenquittungen erstellen. Das wird alles momentan noch händisch gemacht, aber wir evaluieren auch Softwarebasierte Spendenverwaltungen. Bisher haben wir kaum Geld ausgegeben und wenn, dann vor allem für Materialien wie Postkarten, Transparente und Banner, die wir für Aktionen genutzt haben. Eine äußerst schlanke Verwaltung ist auch weiterhin unser Ziel, so dass wir Spenden sinnvoll für Aktionen, Materialien und vielleicht auch ein bis zwei Stellen einsetzen können, die Aufgaben erledigen, die sonst liegen bleiben und mal gemacht werden müssten. Beispielsweise würden wir uns gerne für mehr Menschen zum Mitmachen öffnen, aber dafür fehlt auch Zeit zur Betreuung und Kommunikation mit weiteren Personen. Momentan können wir relativ effektiv arbeiten, weil sich alle gut kennen und vertrauen.

Geplant sind auch Fördermitgliedschaften, aber hier sind wir noch im Diskussionsprozess, wie wir diese genau definieren und ausgestalten wollen.

Internationale Vernetzung

IGF, eG8, EDRi, IPRED, CISAC, ACTA sind alles Abkürzungen für Entwicklungen und Strukturen auf internationaler Ebene, die wir im Auge behalten. Netzpolitik findet selten nur auf nationaler Ebene statt. Wir denken und handeln international und vernetzt. Bereits seit einem Jahr sind wir Mitglied bei European Digital Rights (EDRi) und dort auch von allen Organisationen aus Deutschland am aktivsten. Wir profitieren auch ein wenig davon, dass zwei unserer Mitglieder in Brüssel sitzen und andere Mitglieder bereits seit Jahren auf internationaler Ebene mit vielen anderen Akteuren gut vernetzt sind. Dieses Engagement wollen wir weiter ausbauen, um grenzübergreifend Entwicklungen entgegen zu treten, die eine Offenheit des Netzes und unsere Grundrechte gefährden. Und um gemeinsam mit vielen Verbündeten und Gleichgesinnten für ein lebenswertes Internet zu kämpfen.

Wir bedanken uns bei allen Unterstützern, Spendern und Aktiven, die an uns und die Idee hinter dem Digitel Gesellschaft e.V. glauben und gehen motiviert ins Jahr 2012. Guten Rutsch.

3 Meinungen zu “Unser Jahresbericht 2011

  1. Interessierter sagt:

    Wo findet man denn z.B. die Angaben zur Verwendung der Spendengelder im Jahr 2012?
    Ich kann dazu weder im Jahresbericht noch auf der Transparenzseite etwas finden. Danke!

Kommentare sind geschlossen.