„Mit seinem Schlussplädoyer sendet der Generalanwalt ein deutliches Signal an die Mitgliedstaaten. Auch nationale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung müssen sich an den strengen Vorgaben des EU-Rechts messen lassen. Weder die hier gegenständlichen britischen und schwedischen Regelungen noch die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung genügen diesem Maßstab. Der deutsche Gesetzgeber darf den Bruch des Europarechts nun nicht einfach sehenden Auges weiter in Kauf nehmen, sondern muss das hiesige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung unverzüglich aufheben.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.
Heute hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Henrik Saugmandsgaard Øe, sein Schlussplädoyer in zwei Verfahren gegen mitgliedstaatliche Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) gehalten. Gerichte in Schweden und im Vereinigten Königreich hatten dem EuGH die dortigen Vorschriften über die VDS zur Prüfung vorgelegt. Die Richter in den Mitgliedstaaten wollen zum einen erfahren, ob ein nationales Gesetz, welches Telekommunikationsanbieter zur anlasslosen Bevorratung von Verkehrsdaten verpflichtet, überhaupt an EU-Grundrechten zu messen ist. Zum anderen soll geklärt werden, ob die strengen Vorgaben, die der EuGH im April 2014 in seinem Urteil zur europäischen VDS-Richtlinie gemacht hatte, auch für rein mitgliedstaatliche Regelungen gelten. Damals hatte der Gerichtshof die Richtlinie unter anderem deshalb aufgehoben, weil sie eine anlasslose und undifferenzierte Sammlung von Verkehrsdaten vorsah.
Nach Ansicht des Generalanwalts sind beide Fragen zu bejahen. Schließt sich der Gerichtshof, wie in den meisten Fällen, der Sichtweise des Generalanwalts an, so müssen sämtliche EU-Mitgliedstaaten ihre VDS-Gesetze auf den Prüfstand stellen. Saugmandsgaard Øe zufolge können solche Vorschriften allenfalls dann mit EU-Grundrechten vereinbar sein, wenn die Speicherverpflichtungen sich auf das zur Bekämpfung schwerer Kriminalität absolut notwendige Maß beschränken. Der EuGH stellte bereits 2014 in seinem Urteil zur europäischen VDS-Richtlinie klar, dass eine anlasslose Bevorratung von Verkehrsdaten dieser Anforderung nicht genügt. Genau das trifft auch auf die erst im vergangenen Jahr verabschiedete deutsche Regelung zur VDS zu, verpflichtet sie Telekommunikationsanbieter doch dazu, Verkehrsdaten verdachtsunabhängig und ohne Beschränkung auf bestimmte Orte oder Zeiträume zu speichern. Der deutsche Gesetzgeber muss das Plädoyer des Generalanwalts daher als deutlichen Fingerzeig auffassen und bereits jetzt die nötigen Vorbereitungen treffen, um das Gesetz so schnell wie möglich aufzuheben.
Der deutsche Gesetzgeber wird nichts dergleichen unternehmen. Im Gegenteil, es werden aus Politik und Polizeibehörden Stimmen laut, die eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung fordern.