In seinem heute verkündeten Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Netzsperren für zulässig erklärt. Stelle ein nationales Gericht fest, dass eine Internetseite urheberrechtsverletzende Inhalte anbiete, so sei der Provider derjenigen, die auf diese Seite zugreifen, als Vermittler der Rechtsverletzung anzusehen. Daher könne er in einem solchen Fall verpflichtet werden, seinen Kundinnen und Kunden den Zugriff auf die betreffende Internetseite durch spezifische Maßnamen wie IP- oder DNS-Sperren zu erschweren.

„Das Urteil weckt unrühmliche Erinnerungen an das zum politischen Fiasko geratene Zugangserschwerungsgesetz. Bedauerlicherweise legt es zugleich den Grundstein für eine Zensurinfrastruktur im Netz. Was der EuGH heute für urheberrechtsverletzende Inhalte entschieden hat, könnte morgen auch für politisch oder anderweitig unliebsame Internetseiten gelten. Netzsperren gefährden die Meinungs- und Informationsfreiheit, während sie zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen weitestgehend untauglich sind. Hat ein Gericht rechtskräftig festgestellt, dass eine Internetseite urheberrechtsverletzende Inhalte anbietet, so muss diese Seite vollständig aus dem Netz entfernt und nicht lediglich der Zugang zu ihr erschwert werden. Gerade der heute entschiedene Fall zeigt doch, dass erst durch die Abschaltung von kino.to die rechtswidrige Verbreitung der Filme wirksam unterbunden wurde.“, erklärt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Hintergrund des heutigen EuGH-Urteils ist ein Gerichtsverfahren in Österreich, in dem ein Filmproduktionsunternehmen einen Provider darauf verklagt hatte, den Zugang zum illegalen Download- und Streamingportal kino.to für seine Kundinnen und Kunden zu sperren. Das österreichische Gericht hatte dem EuGH deshalb die Frage vorlegt, ob Netzsperren in diesem Fall mit dem Europarecht vereinbar seien. Technisch erfolgt die Sperrung einzelner Internetseiten über die Blockade bestimmter IP-Adressen oder Einträge in DNS-Servern. In beiden Fällen ist die eigentliche Seite weiterhin vorhanden und über Umwege immer noch aufrufbar. Das illegale Streaming und Herunterladen urheberrechtlich geschützter Inhalte wird auf diese Weise allenfalls für technisch weniger versierte Nutzerinnen und Nutzer erschwert, nicht jedoch unterbunden.

Alexander Sander: „Was dem Schutz des Urheberrechts dienen soll, fördert tatsächlich allenfalls die veralteten Geschäftsmodelle der Content-Industrie und die Attraktivität illegaler Angebote. Seiten wie kino.to waren und sind bei Nutzerinnen und Nutzern nur deshalb so beliebt, weil es keine vergleichbaren legalen Optionen gibt. Abhelfen wird hier nur mehr Innovation, nicht mehr Repression seitens der Rechteinhaber. Jeder weitere Schritt in Richtung Netzsperren muss daher dringend verhindert werden. Die nächste Chance dazu bietet die Abstimmung über die EU-Telekommunikationsverordnung am 3. April. Zum Schutz der Grundrechte dürfen die Parlamentarierer nur eine Fassung der Verordnung akzeptieren, aus der die aktuell enthaltene Vorbehaltsklausel zugunsten von Netzsperren zuvor gestrichen wurde.”.