Zur biometrischen Überwachung im Sicherheitspaket

Das Bündnis „Gesichtserkennung Stoppen!“ warnt vor der Einführung der vorgeschlagenen biometrischen Überwachungsbefugnisse. Sie sind europarechtswidrig, verletzen verfassungsrechtliche Mindestanforderungen und widersprechen datenschutzrechtlichen Grundregeln.

Nach einer Mail-Aktion Anfang September 2024 haben wir am 17. 09. auch an einer von Pro Asyl und IL organisierten Kundgebung vor der SPD-Parteizentrale in Berlin teilgenommen.

Da am Montag (23. Sept 2024) die Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestages stattfindet hat AlgorithmWatch für unser Bündnis eine Stellungnahme vorbereitet.

(Das komplette .pdf mit Quellen, Links und Anmerkungen findet Ihr hier)


Unvereinbar mit EU-Recht

Die vorgeschlagenen biometrischen Überwachungsbefugnisse sind europarechtswidrig. Sie widersprechen der jüngst in Kraft getretenen KI-Verordnung (KI-VO), die EU-weit harmonisierte Regelungen zum Einsatz von KI-Systemen festlegt. Angesichts des enormen Schädigungspotenzials für Grundrechte und Demokratie verbietet die KI-Verordnung den Einsatz von „KI-Systemen, die Datenbanken zur Gesichtserkennung durch das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet oder von Überwachungsaufnahmen erstellen oder erweitern“ (Art. 5 Absatz 1 Buchstabe e KI-VO). Dieses Verbot wird am 2. Februar 2025 gültig und umfasst auch öffentliche Stellen wie Polizei-, Strafverfolgungs- und Migrationsbehörden, die ein solches KI-System anschaffen, betreiben oder nutzen. Die in den Gesetzentwürfen vorgesehene Befugnis zum nachträglichen biometrischen Überwachen sämtlicher öffentlich zugänglicher Daten aus dem Internet kann ohne den Einsatz dieser EU-weit verbotenen KI-Systeme nicht umgesetzt werden.

Unvereinbar mit verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen

Die Überwachungsmaßnahme berührt zwangsläufig die Grundrechte aller Menschen und ist weder erforderlich noch verhältnismäßig. Die KI-basierte Erfassung und Auswertung von Gesichtern und Stimmen verletzt unter anderem die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf freie Meinungsäußerung. Die automatisierte Erhebung und Auswertung von öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten stellt nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spannt einen Schutzschirm, um Einschüchterungseffekte zu verhindern, die entstehen können, wenn Einzelne nicht mit ausreichender Sicherheit die Verbreitung ihrer Daten überschauen können. Die massenhafte biometrische Identifizierung hat eine enorme einschüchternde Wirkung, da Menschen nicht wissen (und nicht wissen können), ob und wann Foto- und Videoaufnahmen oder anderes Datenmaterial wie Podcasts in Zukunft mit KI-Systemen von Polizei-, Strafverfolgungs- und Migrationsbehörden ausgewertet werden.

Unvereinbar mit Datenschutzvorgaben

Eine informierte Einwilligung der vielen betroffenen Personen und ein berechtigtes Interesse kann im Kontext des vorgeschlagenen biometrischen Massenabgleichs im gesamten öffentlich zugänglichen Internet nicht gegeben sein. Die europäischen Datenschutzbehörden, der Europäische Datenschutzbeauftragte, der Europäische Datenschutzausschuss und die ehemalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte sehen allesamt einen gravierenden Verstoß gegen elementare Datenschutzregeln und grundrechtliche Garantien, wenn ein massenhafter biometrischer Abgleich stattfindet.