Die Digitale Gesellschaft e.V. zeigt sich insgesamt enttäuscht von den Ergebnissen der Verhandlungen um den Digital Services Act. Dieser soll am morgigen Dienstag, den 5. Juli vom Europaparlament beschlossen werden.

Trotz ausführlicher Diskussionen hat sich der europäische Gesetzgeber nicht dazu durchringen können, einen tatsächlichen Paradigmenwechsel im Umgang mit großen Plattformen durchzuführen. Statt ihren gesellschaftlichen Stellenwert als Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge anzuerkennen, versucht die Verordnung lediglich einige besonders problematische Auswüchse der Geschäftsmodelle in den Griff zu bekommen. Dass das von einigen Abgeordneten geforderte Verbot verhaltensbasierter Werbung nicht Teil der Verordnung geworden ist, ist eine große Enttäuschung. Hier hätte Europa tatsächlich gegen die Strukturen des Überwachungskapitalismus vorgehen können.

Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft: „Der Digital Services Act ist leider nicht der große Wurf geworden, den die Kommission ursprünglich angekündigt hatte. Trotz einiger Verbesserungen im Detail bleibt der Kern des Geschäftsmodells großer Plattformen unangetastet: Das massenhafte Ausspähen und die detaillierte Profilbildung zum Zweck der Ausspielung möglichst passgenauer, personalisierter Werbung.

Die Digitale Gesellschaft begrüßt, dass der Grundsatz gewahrt bleibt, dass Anbieter für rechtswidrige Inhalte nur dann haften, wenn sie tatsächliche Kenntnis von ihnen erlangen. Dieses Prinzip ist die Grundlage einer freien und breiten öffentlichen Diskussion im Netz, da die Alternative die Überwachung und Vorabkontrolle eines jeden einzelnen Inhalts wäre. Grundsätzlich zu begrüßen ist auch, dass der bislang weitgehend willkürliche Umgang mit gemeldeten Inhalten nun in einem verbindlichen ‚Notice and Action‘-System geregelt wird. Doch obwohl die Rechte der Nutzenden durch Beschwerdemechanismen teilweise gestärkt werden, verbleibt die Entscheidung über das Löschen oder den Verbleib von Inhalten grundsätzlich bei den Anbietern. Auch bleiben zahlreiche Anreize für den Einsatz von Uploadfiltern und das automatisierte Blockieren von Inhalten. Deren Einsatz ist nicht nur sehr fehleranfällig, sondern kann die Grundrechte der Nutzenden empfindlich einschränken.

Tom Jennissen: „Enttäuschend ist, dass auch weiterhin die Regeln der öffentlichen Kommunikation weitgehend von den Plattforen selbst gesetzt werden können. Zwar sollen Anbieter zukünftig gehalten sein, die Grundrechte der Nutzenden zu beachten. Aber weiterhin werden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der großen Plattformen faktisch die Regeln eines großen Teils der Öffentlichkeit bestimmen.

Hintergrund:

Am morgigen Dienstag, den 5. Juli wird das Europaparlament final über den Digital Services Act (DSA – „Digitale Dienste Gesetz“) abstimmen. Der ursprüngliche Verordnungsvorschlag wurde von der Kommission Ende 2020 vorgestellt und seither kontrovers diskutiert. Kern der Regulierung sind insbesondere neue Regeln für große Online-Plattformen. Begleitet vom Digital Markets Act, der den Missbrauch der Markmacht durch große Gatekeeper wie Amazon beschränken soll und der ebenfalls zur finalen Abstimmung steht, wurde der DSA als zentrales Projekt der laufenden Legislatur angekündigt.

Die Digitale Gesellschaft hat den Gesetzgebungsprozess eng begleitet und unterer anderem neun konkrete Forderungen für eine den Grundrechten verpflichtete Plattformregulierung zur Diskussion gestellt.