Der Stakeholder-Dialog zu Artikel 17 – den berüchtigten Uploadfiltern – der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie geht zu Ende. Nach Abschluss der Konsultation der EU-Kommission zu den „möglichen Elementen für die Leitlinien“, die sie den EU-Mitgliedsstaaten vor Ende des Jahres für die Umsetzung von Artikel 17 geben soll, wenden sich nun 27 zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Europa in einem Offenen Brief an Kommissar Breton, darunter auch die Digitale Gesellschaft (DigiGes).

Darin begrüßen wir, dass das Konsultationsdokument ein klares Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des in Artikel 17 ausgehandelten Grundrechtsausgleichs zeigt und es „viele der konstruktiven Beiträge widerspiegelt, die von Interessenvertretern aus dem gesamten Spektrum während der Dialoge angesichts der schwerwiegenden Grundrechtsprobleme, die Artikel 17 aufwirft, geleistet wurden.“

„Wir sind jedoch nach wie vor zutiefst besorgt darüber, dass die Leitlinie die Verwendung automatisierter Sperren von Inhalten durch Online-Dienste befürwortet, obwohl klar ist, dass dies zur Verletzung von Grundrechten führt. Daher räumen die vorgeschlagenen Leitlinien nicht unsere Bedenken aus, dass die Umsetzung von Artikel 17 auf der Grundlage der vorgeschlagenen Leitlinien etablierte Prinzipien des EU-Rechts verletzen würde.“

Da die Kommission zwar nicht will, dass die Mitgliedsstaaten den Plattformen die Verwendung von Technologie vorschreiben, wohl aber ausdrücklich anerkennt, dass Plattformen technische Filter einsetzen, um ihrer Verpflichtung nach Artikel 17 nachzukommen, hält die Zivilgesellschaft Sicherungen der Nutzerrecht für unerlässlich. Der nachträgliche Beschwerde- und Abhilfemechanismus ist ein notwendiger aber kein hinreichender Schutz der Rechte in Absatz 7. Der besagt, dass die gesetzlichen Erlaubnisse für Zitat und Parodie durch Filter nicht behindert werden dürfen. Um der Anforderung gerecht zu werden, müssen rechtmäßig genutzte Inhalte bereits zum Zeitpunkt des Uploads vor Löschung geschützt werden und im Streitfall bis zur menschlichen Prüfung zugänglich bleiben.

Im Brüsseler Dialog haben sich dafür vor allem zwei Verfahren herausgebildet: eine Rechtmäßigkeitskennzeichnung durch den Uploader sowie öffentliche Datenbanken mit gemeinfreien und freilizenzierten Inhalten, die Uploadfilter vor jeder Entscheidung abfragen müssen. Diese empehlen wir der Kommission in ihre Leitlininen aufzunehmen. Zudem sollen nicht „wahrscheinlich“, wie die Kommission vorschlägt, sondern allenfalls „offenkundig“ rechtsverletzende Inhalte automatisiert gesperrt werden dürfen. Schließlich sollen die Leitlinien den Mitgliedsstaaten mit Nachdruck Sanktionen und andere Maßnahmen gegen den Missbrauch empfehlen, den die durch Artikel 17 eingeführten Mechanismen auslösen werden.

Wir begrüßen in dem Brief die für die Leitlinien vorgeschlagenen Transparenzanforderungen, erklären es aber für inakzeptabel, dass für die künftige fortlaufende Aushandlung der Standards für „alle Anstrengungen“ der Plattformen mit den Rechteinhabern nicht auch eine Beteiligung der Nutzer vorgeschrieben wird. Was „alle Anstrengungen“ (best effort), um rechtsverletzende Inhalte „unverfügbar“ zu machen, heißen kann, ist daran zu messen, dass es in jedem Fall die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer wahrt. Artikel 17 schützt diese nicht nur beiläufig und nachträglich, wie die Verwerter behaupten, sondern erzeugt einen Ausgleich der Grundrechte der Urheber auf Eigentum und der Nutzer auf Meinungsfreiheit. Ohne die klare Garantie der obligatorischen Nutzungsfreiheiten in Absatz 7 wäre die Richtlinie nicht verabschiedet worden. Für den Stakeholder-Dialog schreibt Artikel 17 Absatz 10 ausdrücklich die Beteiligung der Zivilgesellschaft vor. So müsse es, fordern wir von Kommissar Breton, auch in der künftigen Praxis in den EU-Mitgliedsländern sein.

Zum Hintergrund

Im Mai 2019 verabschiedeten EU-Parlament und Rat die Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen sie bis 7. Juni 2021 in ihr nationales Recht umsetzen. Wie Artikel 17 praktisch anzuwenden ist, erschien dem EU-Gesetzgeber jedoch so unklar, dass er in seinem Absatz 10 Dialoge zwischen den Interessenträgern vorsah. Daraus soll die Kommission Leitlinien erarbeitet, die den Mitgliedsländern nicht bindende Hinweise geben, wie sie Artikel 17 umsetzen sollen.

Seit Oktober 2019 fanden sechs ganztägige Sitzungen des Stakeholder-Dialogs in Brüssel mit jeweils rund 100 Personen statt. Unter Leitung der Kommission erörterten Vertreter von Upload-Plattformen und Filtertechnologie, Urhebern und Verwertungsunternehmen sowie Zivilgesellschaft, welche Verfahren für Lizenzierung und Sperrung von Inhalten, für Beschwerden usw. heute eingesetzt werden, welche Erfahrungen die Beteiligten damit gemacht haben und welche Ratschläge die Kommission vor diesem Hintergrund den EU-Mitgliedsländern für die tatsächliche Implementierung von Artikel 17 geben kann. Zum Abschluss des Dialogs legte die Kommission den Teilnehmern ihren Entwurf der Leitlinien und Fragen vor und bat um Stellungnahmen.