Stellungnahme als pdf

An das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Berlin, den 06.09.19

Die Digitale Gesellschaft e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit seiner Gründung im Jahr 2010 für Grundrechte und Verbraucherschutz im digitalen Raum einsetzt. Zum Erhalt und zur Fortentwicklung einer offenen digitalen Gesellschaft engagiert sich der Verein gegen den Rückbau von Freiheitsrechten im Netz, gegen alle Formen von Überwachung und für die Realisierung digitaler Potentiale bei Wissenszugang, Transparenz, Partizipation und kreativer Entfaltung.

In unserer Stellungnahme treten wir für eine Umsetzung der DSM-RL ein, die die Interessen von Autoren, ausübenden Künstlern und ihrer kollektiven Rechteorganisationen an einer angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung für die Verwertung ihrer Werke berücksichtigt, die Interessen von Menschen, sich ohne Angst vor Überwachung und Zensur öffentlich frei zu äußern und auf Äußerungen anderer zu verweisen, sowie das öffentliche Interesse an der Förderung einer freien und offenen Wissensumwelt, das sich in Freier Software, Open Access, Open Educational Resources, der Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors und der Fülle von Bürger-Kreativität, die das Internet freigesetzt hat, ausdrückt.

Stellungnahme der Digitalen Gesellschaft e.V. im Rahmen der öffentlichen Konsultation des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Umsetzung der RICHTLINIE (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL)

Die europäische Urheberrechtsreform verfehlt in großen Teilen ihr Ziel, das europäische Urheberrecht im Sinne eines digitalen Binnenmarkts zu vereinheitlichen. Die Digitale Gesellschaft e.V. begrüßt im Interesse des freien Zugangs zu Kultur, dass Art. 14 DSM-RL den urheberrechtlichen Schutz von Reproduktionen gemeinfreier Werke künftig verhindert. Hingegen gehen wir davon aus, dass das europäische Presseleistungsschutzrecht (Art. 15 DSM-RL) den freien Zugang zu Wissen im Internet einschränken wird. Im Mittelpunkt dieser Stellungnahme steht das neue Haftungsregime für Plattformen (Art. 17 DSM-RL). Die damit einhergehende Vorabkontrolle von Inhalten forciert eine privatisierte Rechtsdurchsetzung und verkehrt das Prinzip der Untersagung rechtswidrig publizierter Inhalte im Nachhinein ins Gegenteil. Dies wird Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet beschädigen. Eine Möglichkeit zur Umsetzung der Richtlinie, die zugleich das erklärte Ziel erfüllt, die nach E-Commerce-Richtlinie untersagte allgemeine Überwachungspflicht vermeidet, erkennen wir nicht. Die Bundesregierung muss daher, wie in ihrer Protokollerklärung zur ersten Lesung im Rat in Aussicht gestellt,1 eine Änderung der Richtlinie auf europäischer Ebene bewirken.

I. Gemeinfreie Werke der bildenden Kunst (Artikel 14)

Art. 14 DSM-RL stellt sicher, dass Reproduktionen gemeinfreier Werke ebenfalls gemeinfrei sind. Die Digitale Gesellschaft e.V. begrüßt diese Regelung, die einen besseren Zugang der Allgemeinheit zu Werken der bildenden Kunst gewährleistet.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied zuletzt 2018, dass auch Reproduktionen gemeinfreier Kunstwerke, etwa die Fotografie eines Gemäldes, dem Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG unterfallen können. Dazu ist nicht notwendig, dass der Fotografie eine schöpferische Leistung zugrunde liegt, ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung genügt.2 Damit sind nach der bisherigen Rechtslage Fotografien von gemeinfreien Gemälden, die ein Museum für einen Katalog anfertigt, nicht frei verwendbar. Gleichzeitig entschied der BGH, dass Museen in ihren Geschäftsbedingungen Fotografieverbote vereinbaren können und Besucher, die dagegen verstoßen und eigene Fotografien von Werken veröffentlichen, sich schadensersatzpflichtig machen. Im Ergebnis ist die Nutzung von gemeinfreien Werken durch die Allgemeinheit stark eingeschränkt, weil die Eigentümer bzw. Ausstellenden des gemeinfreien Unikats die Herstellung von nutzbaren Reproduktionen wirksam unterbinden können. Dies behindert die Verwendung freier Werke, die Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit ist.

Artikel 14 DSM-RL bestimmt nun, dass sämtliches im Zuge einer Vervielfältigung gemeinfreier Werke entstandenes Material nicht urheberrechtlich geschützt werden kann, sofern der Erstellung keine schöpferische Leistung zugrunde liegt. Dies schließt auch 3D-Reproduktionen ein, die durch Scannen entstehen.3 Damit soll freier Zugang zu Kultur und kulturellem Erbe sichergestellt werden. Der deutsche Gesetzgeber muss dies in § 72 UrhG nun ausdrücklich klar stellen. Um dem Regelungsziel umfänglich gerecht zu werden, sollte der Gesetzgeber auch einer Untersagung der Verwendung von eigenen Reproduktionen, die in Zuwiderhandlungen gegen ein etwa durch Museen verhängtes Fotografieverbot entstanden sind, entgegenwirken: Gemeinfreie Werke der bildenden Kunst sollten von jedermann fotografiert oder sonst reproduziert werden dürfen, solange durch die Ablichtung nicht auf das Werk eingewirkt wird.

II. Leistungsschutzrecht des Presseverlegers (Artikel 2 Nummer 4 und 5, Artikel 15)

Artikel 15 DSM-RL gewährt Presseverlegern ein Leistungsschutzrecht, wie es in Deutschland bereits seit 2013 in Kraft und auch als „Lex Google“ bezeichnet worden ist. Damit werden Wiedergaben kurzer Abschnitte von Presseerzeugnissen geschützt, die etwa in Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren angezeigt werden. Die damit erhoffte Wirkung, eine bessere Finanzierung von Qualitätsjournalismus sicherzustellen, wurde in Deutschland bisher nicht erreicht. Die Presseverlage haben ihr neues Recht zur Wahrnehmung an die VG Media übertragen. Als Google ankündigte, Presseerzeugnisse in seinen Angeboten nur noch derart eingeschränkt aufzuführen, dass es eine Lizenzzahlungspflicht vermeidet, wiesen die meisten Presseverleger die VG Media im Oktober 2014 an, gegenüber Google – und nur gegenüber Google – eine widerrufliche „Gratiseinwilligung“ in die unentgeltliche Nutzung ihrer Presseerzeugnisse zu erklären.4 Inzwischen hatte das Bundeskartellamt eine Beschwerde der VG Media gegen Google als unbegründet zurückgewiesen.5 Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hatte der VG Media die Vorzugsbehandlung von Google untersagt6 und die Schiedsstelle des DMPA hatte den Tarif für nicht angemessen erklärt.7 Im Oktober 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde von Yahoo gegen das LSR abgewiesen und darin die Bedeutung von Suchmaschinen für die Verwirklichung der Informationsfreiheit betont.8

Durch das Presse-LSR in der EU-RL bestärkt hat die VG Wort Google im April 2019 eine Rechnung über 1,24 Milliarden Euro geschickt.9 Google machte daraufhin eine Gegenrechnung auf, wonach die Verleger der Suchmaschine für hunderte Millionen Nutzer, die sie auf deren Seiten geleitet hat, eine stattliche Summe schulde.10 Schließlich hatte das Landgericht Berlin im Rechtsstreit zwischen Google und VG Media im Mai 2017 entschieden, den EuGH zur Prüfung der Gültigkeit des deutschen LSR gebeten.11 In diesem EuGH-Verfahren vertrat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen im Dezember 2018 die Auffassung, dass das deutsche LSR der Kommission hätten vorgelegt werden müssen und daher nicht angewandt werden darf.12 Die Entscheidung des EuGH wird in Kürze erwartet. Im Vorfeld hat die VG Wort eine Kampagne in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die Meinungsbildung von Entscheidern in Politik und Justiz zu beeinflussen, darunter ausdrücklich auch des EuGH.13

Schließlich hat das Landgericht Berlin im Rechtsstreit zwischen Google und VG Media im Mai 2017 entschieden, den EuGH zur Prüfung der Gültigkeit des deutschen LSR gebeten.14 In diesem EuGH-Verfahren vertrat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen im Dezember 2018 die Auffassung, dass das deutsche LSR der Kommission hätten vorgelegt werden müssen und daher nicht angewandt werden darf.15

Derweilen können kleinere Anbieter von Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren sowie Blogbetreibende durch die Verpflichtung, für die Wiedergabe von Snippets Lizenzgebühren zu entrichten, in ihrem Geschäftsmodell empfindlich bedroht sein. Laut Julia Reda, MdEP, sind die Gesetze zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Deutschland und Spanien „nicht deshalb gescheitert, weil sie auf der falschen Ebene eingeführt wurden, sondern weil sie das falsche Instrument sind.“16 Im Interesse eines freien und effizienten Informationsaustauschs im Internet sollte Artikel 15 deshalb an den europäischen Gesetzgeber zurück verwiesen werden.

III. Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen (Artikel 2 Absatz 6, Artikel 17 sowie Erklärung Deutschlands vom 15. April 2019)

Artikel 17 DSM-RL hebt die Haftungsbeschränkung der E-Commerce-Richtlinie für Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten auf und macht sie direkt haftbar für die Veröffentlichungen ihrer Nutzer. Diese Plattformen müssen daher Lizenzen erwerben, die die Tätigkeiten ihrer Nutzer abdecken. Für Fälle, in denen sie keine Lizenzen haben, haben sie drei Möglichkeiten, sich der Haftung zu entziehen: Sie müssen nachweisen, dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um die Erlaubnis einzuholen (Art. 17 Abs. 4 lit. a DSM-RL), sie müssen nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke, zu denen der Rechteinhaber notwendige Informationen zur Verfügung gestellt hat, nicht verfügbar sind (Art. 17 Abs. 4 lit. b DSM-RL) und sie müssen nach Erhalt eines Hinweises von Rechteinhabern unverzüglich den Zugang zu den entsprechenden Werken sperren (Art. 17 Abs. 4 lit. c DSM-RL).

Obgleich Uploadfilter nicht wörtlich genannt werden, ist „nicht zu erkennen, wie Plattformanbieter ihrer Sorgfaltspflicht ohne Einsatz von Upload-Filtern nachkommen können.“17 Bei Uploadfiltern handelt es sich um technische Systeme, die vom Schutzbereich der Meinungs- bzw. Kunstfreiheit erfasste Inhalte vor der Veröffentlichung auf einer Online-Plattform massenhaft einer automatisierten Kontrolle unterziehen. Diese von Privaten ausgeführte Vorabprüfung verkehrt das rechtsstaatliche Prinzip, Meinungsäußerungen nur nach Einzelfallprüfung im Nachhinein einzuschränken, ins Gegenteil.

Gefahren von Uploadfiltern

Systeme zur automatischen Erkennung von Inhalten, die bei Treffern Aktionen auslösen Informationen über den Inhalt zurückliefern, seine Nutzung protokollieren oder ihn sperren verbreiten sich seit rund zwanzig Jahren. Sie dienen neben der Unterbindung von Urheberrechtsverletzungen auch dem Ausschluss von anderen, teils illegalen und teils legalen, aber unerwünschten Inhalten. Die EU-Kommission arbeitet seit 2015 im Rahmen des EU Internet Forum an einer Kooperation von Strafverfolgungsbehörden, Plattformen und anderen Akteuren, um Maßnahmen gegen terroristische Inhalte zu entwickeln. Google, Facebook, Microsoft, Twitter und weitere Onlineplattformen haben daraufhin eine Datenbank mit Erkennungsinformationen von als terroristisch bzw. radikalisierend eingestuften Inhalten aufgebaut, um deren Wiederauftauchen auf den Plattformen zu verhindern.18 Dabei sollen national Strafverfolgungsbehörden und Europol ihre Löschanfragen so präzise und begründet stellen, dass die Plattform eine informierte und sorgfältige Entscheidung darüber treffen kann, ob der betroffene Inhalt, als illegal anzusehen ist oder nicht.19 So werden Plattformen und ihre Dienstleister nicht nur zu privaten Rechtsdurchsetzern gemacht, sondern auch die freie Meinungsäußerung wird durch intransparente Datenbanken ohne demokratische oder gerichtliche Kontrolle bedroht.

Mit der massenhaften Filterung von Uploads wird eine technische Infrastruktur geschaffen, die dazu geeignet ist, auf Plattformen erscheinende Inhalte umfassend zu kontrollieren. Erschwerend kommt die Fehleranfälligkeit von Uploadfiltern hinzu. Automatische Filtersysteme können ein bestimmtes Werk wiedererkennen. Sie können jedoch nicht entscheiden, ob es unter der gesetzlichen Lizenz einer Schrankenbestimmung genutzt wird. Art. 17 Abs. 7 DSM-RL gebietet ausdrücklich sicherzustellen, dass Zitate und Parodien nicht unterbunden werden. Doch gerade bei diesen Schrankennutzungen versagen automatisierte Entscheidungssysteme systematisch. Insbesondere da diese Schranken in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen verschiedentlich ausgestaltet sind, bedarf es jeweils einer detaillierten rechtlichen Prüfung.20 Wir befürchten aufgrund dieser Unsicherheiten ein massives Overblocking seitens der Plattformen. Zudem können kleine und mittlere Anbieter komplexe Filtermechanismen nicht selbst bereitstellen, sodass sie ihre Dienste entweder einstellen oder aber entsprechende Services größerer Internetkonzerne einkaufen müssen, was deren Marktmacht weiter stärkt und ihnen unter Umständen Zugriff auf personenbezogene Daten von Plattformnutzenden ermöglichen kann.

Europarechtskonforme Umsetzung von Art. 17 ohne Uploadfilter?

Laut Pressemitteilung vom 15.03.2019 plant die CDU eine Umsetzung der Urheberrechtsreform ohne Verpflichtung zu Uploadfiltern.21 Mit der Maxime „Bezahlen statt Blocken“ knüpft die Partei an Vorschläge an, für die sich im Rahmen des EU-Gesetzgebungsverfahrens viele Kritikerinnen und Kritiker von Uploadfiltern ausgesprochen haben. Diese Vorschläge für eine neue vergütungspflichtige Schrankenbestimmung wurden in der Richtlinie jedoch nicht aufgegriffen. Mittels gesetzlich verpflichtend ausgestalteten Pauschallizenzen und zeitlichen Begrenzungen soll die Filterpflicht nun auf nationaler Ebene vollständig entfallen. Dies soll in Form einer Schrankenregelung umgesetzt werden.

Dem steht entgegen, dass die Info-Soc-Richtlinie sowie die neue Urheberrechtsrichtlinie abschließende Regelungen über mögliche Schranken treffen.22 Dies bestätigt auch das Urteil des EuGH vom 29. Juli 2019 (C‑476/17), wonach nationalstaatliche Ausnahmen oder Beschränkungen der Rechte von Urheberinnen und Urhebern, die im Unionsrecht nicht vorgesehen sind, unzulässig sind. Auch die Systematik des Art. 17 spricht laut Gerald Spindler, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Medienrecht an der Universität Göttingen, gegen eine solche Lösung, da Abs. 4 nur für Fälle Anwendung findet, in denen gerade keine Lizenz vorliegt.23 Caroline Volkmann, Professorin für Informationsrecht an der Hochschule Darmstadt, bezeichnet Uploadfilter in der nationalen Umsetzung als „nicht verhinderbar“ und geht davon aus, dass sich eine Plattform bei Veröffentlichung eines nichtlizensierten Inhalts schadensersatzpflichtig machen wird, wenn sie keine Uploadfilter angewendet hat.24

Auch durch den Abschluss weitreichender Lizenzvereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften lässt sich dieses Problem nicht beheben: Bereits ein einziges Werk, dass nicht hochgeladen werden darf, macht die Prüfung sämtlicher Uploads erforderlich – was nur automatisiert umsetzbar ist.25

„Die Anwendung dieses Artikels darf nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen,“ besagt Art. 17 Abs. 8 im Einklang mit der E-Commerce RL. Diese Anforderung ist nicht mit den Anforderungen der RL in Einklang zu bringen. Für Fälle, in denen Plattformen über keine Lizenzen verfügen, haben sie drei Möglichkeiten, sich der Haftung zu entziehen: Sie müssen Notice & Takedown befolgen (Art. 17 Abs. 4 lit. c DSM-RL) und die Nichtverfügbarkeit bestimmter Werke sicherstellen, für die die Rechteinhaber ihnen Identifizierungsinformationen zur Verfügung gestellt haben (Art. 17 Abs. 4 lit. b DSM-RL). In beiden Fällen müssen Plattformen nur als Reaktion auf Aktionen der Rechteinhaber aktiv werden. Die Begründung ist unmissverständlich: „Wenn die Rechtsinhaber keine relevanten und notwendigen Informationen über ihre spezifischen Werke zur Verfügung stellen…. können diese Dienstleister nicht ihr Bestes tun … und sollten daher nicht haftbar gemacht werden“ (Erwägung 66 Abs. 5 DSM-RL).

Die erste Anforderung, dass die Plattformen nachweisen müssen, dass sie sich nach Kräften um eine Lizenz bemüht haben (Art. 17 Abs. 4 lit. a DSM-RL), wird nicht durch externe Aktionen ausgelöst. Dies kann nur so verstanden werden, dass eine Plattform aktiv alle Uploads auf Inhalte überwachen muss, für die sie weder über eine Lizenz noch über Staydown-Informationen verfügt. Dann muss sie entscheiden, ob diese Inhalte vollständig vom Nutzer produziert und besessen werden, der sie unter AGB hochgeladen und der Plattform damit das Recht eingeräumt hat, sie verfügbar zu machen. Oder ob es sich um das geschützte Werk eines Dritten handelt (oder dieses enthält), in diesem Fall muss die Plattform die besten Anstrengungen unternehmen und dokumentieren, um deren Rechteinhaber zu identifizieren und zu kontaktieren, um eine Genehmigung einzuholen. Dies ist ein ganz anderer Aufwand, der in einer idealen Welt durch den Abgleich von Upload-Fingerabdrücken mit einem von den Verwertungsgesellschaften unterhaltenen umfassenden Netzwerk von Datenbank mit Fingerabdrücken aller registrierten Urheberwerke gelöst werden könnte. Doch wir leben nicht in einer idealen Welt, in der eine Plattform einfach eine Urheberrechts-API verbinden und diese Informationen erhalten könnte. Die großen Plattformen, wenn sie unter genügend großem gesetzgeberischem Druck stehen, werden, um die Anforderungen von Art. 17 Abs. 4 lit. a DSM-RL zu erfüllen, keine Wahl haben, als in ein de facto Urheberrechtsregister zu investieren vor dem die deutsche Protokollnotiz nachdrücklich warnt.

In der Konsequenz müssen die Plattformen einhundert Prozent der Uploads der Benutzer überwachen und in eine der folgenden Kategorien einordnen: 1.) lizenzierte Werke, für die die Plattformen den Rechteinhabern Informationen über ihre Nutzung zur Verfügung stellen müssen (Art. 17 Abs. 8 DSM-RL), 2.) Staydown-Werke, die die Plattform nicht veröffentlichen darf, 3.) potenziell geschützte Werke eines Dritten, für die die Plattform nach besten Kräften eine Genehmigung einholen muss, 4.) Werke, die vollständig von Nutzern produziert und in deren Besitz sind, für die keine spezifische Aktion für die Plattform folgt, die sie aber wohl trotzdem kennzeichnen werden und 5.) Teile eines potenziell geschützten Werkes eines Dritten in einem von einem Nutzer produzierten Werk, die einer Sonderbehandlung zugeführt werden müssen, um zu entscheiden, ob es sich um ein zulässiges Zitat oder eine Parodie handelt.

Schon Staydown-Filter allein lassen sich kaum als „spezifische“ Überwachung bezeichnen, muss doch der ganze Heuhaufen durchsucht werden, um die Nadeln zu finden.26 Betrachtet man jedoch die tatsächlichen Filteranforderungen, die sich aus Artikel 17 ergeben, so besteht kein Zweifel, dass es sich um eine allgemeine Überwachungspflicht handelt. Der EU-Gesetzgeber hat den Mitgliedsländern eine nicht zu lösende Aufgabe gestellt: die Auflagen von Artikel 17 umsetzen und dabei nicht gegen geltendes EU-Recht, die E-Commerce RL, zu verstoßen eine allgemeinen Überwachungspflicht einzuführen und sie gleichzeitig zu vermeiden.

Die Anforderungen des Artikel 17 widersprechen sich selbst, sind daher nicht umsetzbar, wie die bevorstehenden Stakeholder-Dialoge ohne Frage ergeben werden. Sie müssen daher, wie in der deutschen Protokollnotiz in Aussicht gestellt, durch den EU-Gesetzgeber korrigiert werden.

Datenschutz-Folgenabschätzung

Wichtige weitere Argumente für eine Änderung des Art. 17 könnte eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) liefern. Derzeit ist noch unklar, ob und wie Uploadfilter im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung eingesetzt werden dürfen. Der Einsatz von Uploadfiltern birgt – je nach Umsetzung – die Gefahr eines umfassenden Trackings der Nutzerinnen und Nutzer, die Inhalte hochladen. Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Einbindung der Contenterkennungssysteme von Drittanbietern, vor allem großen Onlineplattformen, die ein Interesse an der Monetarisierung von Daten über Nutzerinnen und Nutzer haben. Bei der technischen Umsetzung ist zudem entscheidend, welche Informationen (z. B. eindeutige Nutzerkennungen bzw. Identifikationsnummern, Zeitpunkt, Domain- und IP-Adressen, unmittelbare oder aus Metadaten abgeleitete Informationen über die hochgeladenen Inhalte) in welchem Umfang verarbeitet und zwischen Diensten ausgetauscht werden. Im Ergebnis besteht das Risiko eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Grundrechte auf private Kommunikation (Art. 7 Grundrechtecharta) und Datenschutz (Art. 8 Grundrechtecharta) .

Die Frage einer DSGVO-konformen Umsetzung sollte daher so schnell wie möglich mit einer Datenschutz-Folgenabschätzung im Sinne des Art. 35 DSGVO bewertet werden. Da es sich bei Filtersystemen um eine „neue Technologie“ im Sinne von Art. 35 Abs. 1 DSGVO handelt, personenbezogene Daten in großem Umfang verarbeitet werden und zudem Rückschlüsse auf z. B. politische Einstellungen gemäß Art. 9 DSGVO denkbar sind, wären die Betreibenden als Verantwortliche ohnehin zu einer solchen DSFA verpflichtet. Aufgrund der grundsätzlichen Unklarheit über die Rechtmäßigkeit von Filtern, sollte die DSFA jedoch bereits durch den nationalen Gesetzgeber gemäß Art. 35 Abs. 10 DSGVO erfolgen. Zudem ist eine europäische Zusammenarbeit, etwa im Rahmen des Europäischen Datenschutzausschusses oder des Stakeholder-Dialogs nach Art. 17 Abs. 10 der Urheberrechtsrichtlinie zum Thema Datenschutzkonformität von Filtersystemen zu empfehlen. Kommt man im Zuge der DSFA zu dem Ergebnis, dass ein rechtskonformer Einsatz überhaupt möglich sein kann, sollten sogleich konkrete Anforderungen für den datenschutzkonformen Einsatz von Filtersystemen normiert werden. Nicht zuletzt sollte klargestellt werden, dass die hier vorgeschlagene Gesetzes-DSFA die Verantwortlichen (Betreiber von Contenterkennungssystemen sowie Dienste, die diese einsetzen) nicht von der Pflicht zur DSFA befreit. Hier sollte vom Ermessen des nationalen Gesetzgebers gemäß Art. 35 Abs. 10 DSGVO Gebrauch gemacht werden.

Europaweit einheitliche Umsetzung

Die Umsetzung sämtlicher Teile der Reform muss in der EU so einheitlich wie möglich erfolgen. Die Bundesregierung sollte daher keine voreilige Umsetzung vorantreiben, sondern den in Art. 17 Abs. 10 der Richtlinie vorgesehenen Stakeholder-Dialog abwarten.

IV. Verlegerbeteiligung (Artikel 16): Zum fairen Interessenausgleich zwischen Urheberinnen und Urhebern, Verlagen und Plattformen: Umbau von Verwertungsgesellschaften

Wie jede Urheberrechtsreform behauptet auch diese die Interessen der Urheber zu stärken. Tatsächlich übernimmt die Richtlinie die deutsche Erfindung eines Rechts auf angemessene Vergütung ins Europarecht. Doch zugleich nimmt sie Urhebern einen Vergütungsanspruch den BGH und EuGH vor kurzem als rechtmäßig anerkannt haben. Die Urteile des EuGH (Hewlett-Packard v. Reprobel, 2015) und des BGH (Vogel v. VG Wort, 2016) beantwortet die Richtlinie, indem sie den Mitgliedsländern gestattet, die gesetzwidrige Praxis der Ausschüttung von Einnahmen aus Reprografie- und Privatkopievergütung an Verleger fortzuführen. Die richtige Antwort auf die gerichtlich attestierten Verstöße gegen deutsches und Europarecht ist eine Trennung in Verwertungsgesellschaften für Verwerter (wie heute bereits die VG Media) und solche ausschließlich für Urheberinnen und Urheber.

Damit die Positionen von Urheberinnen und Urhebern wirksam vertreten werden können, benötigen sie Verwertungsgesellschaften, die unabhängig von den Interessen der Verleger agieren können. Die Interessen von Verlagen und Urhebern sind grundsätzlich gegenläufig: Während die einen ihre Güter zu dem höchstmöglichen Preis verkaufen möchten, möchten die anderen sie zum niedrigstmöglichen Preis kaufen. Gerade im Gesetzgebungsprozess um die Urheberrechtsrichtlinie wurde deutlich, dass eine unabhängige Vertretung von Urheberinnen und Urhebern dringend benötigt wird.

1Erklärung der Bundesregierung vom 15.04.2019, S. 6, abrufbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXVI/EU/06/18/EU_61832/imfname_10895457.pdf.

2BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 104/17, Rn 25.

3Dreier, Der Schrankenkatalog: Adäquate Zugangsregeln für die Wissensgesellschaft? ZUM 2019, 384, 391.

4Pressemitteilung der VG Media, 22.10.2014, https://www.vg-media.de/images/stories/pdfs/presse/2014/141022_pm_vgmedia_gratiseinwilligung-google.pdf.

5Leistungsschutzrecht: Bundeskartellamt weist Beschwerde der VG Media gegen Google zurück, Netzpolitik 22.08.2014, https://netzpolitik.org/2014/leistungsschutzrecht-bundeskartellamt-weist-beschwerde-der-vg-media-gegen-google-zurueck/.

6Die streng geheime Niederlage der VG Media, Golem 04.11.2015, https://www.golem.de/news/gratislizenz-fuer-google-die-streng-geheime-niederlage-der-vg-media-1511-117284.html.

7Sieben Wörter in Suchergebnissen sollen reichen, Golem 24.09.2015, https://www.golem.de/news/urteil-zu-leistungsschutzrecht-sieben-woerter-in-suchergebnissen-sollen-reichen-1509-116492.html.

8BVerfG Beschluss vom 10. Oktober 2016 – 1 BvR 2136/14, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/10/rk20161010_1bvr213614.html.

9VG Media schickt Google eine Rechnung, FAZ 18.04.2019, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/vg-media-fordert-von-google-einen-lizenzvertrag-16146341.html

10Leistungsschutzrecht: Google weist Forderung der VG Media zurück, Computerbase 24.4.2019, https://www.computerbase.de/2019-04/leistungsschutzrecht-google-forderung-vg-media/

11Urteil des Landgerichts Berlin in VG Media vs. Google vom 18.05.2017 (16 O 546/15), https://www.berlin.de/gerichte/kammergericht/presse/16-o-546-15-beschluss-vom-09-05-2017-anonym.pdf.

12Pressemitteilung des EuGH zu den Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-299/17 VG Media v. Google LLC, 13.12.2018, https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-12/cp180197de.pdf.

13Exklusiv: Verwerter planen Lobby- und Medienkampagne gegen Digitalkonzerne, Netzpolitik 31.8.2019, https://netzpolitik.org/2019/exklusiv-verwerter-planen-lobby-und-medienkampagne-gegen-digitalkonzerne/.

14Urteil des Landgerichts Berlin in VG Media vs. Google vom 18.05.2017 (16 O 546/15), https://www.berlin.de/gerichte/kammergericht/presse/16-o-546-15-beschluss-vom-09-05-2017-anonym.pdf.

15Pressemitteilung des EuGH zu den Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-299/17 VG Media v. Google LLC, 13.12.2018, https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-12/cp180197de.pdf.

16Sieh Startseite der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL), https://leistungsschutzrecht.info/.

17Dreier: Die Schlacht ist geschlagen – Ein Überblick, GRUR 2019, 771, 776, ähnlich auch Pravemann, GRUR 2019, 783, 784; Senftleben, Filterverpflichtungen nach der Reform des europäischen Urheberrechts – Das Ende der freien Netzkultur? ZUM 2019, 369, 371.

18Pressemitteilung der Kommission vom 06.12.2017: Fighting Terrorism Online: Internet Forum pushes for automatic detection of terrorist propaganda, abrufbar unter: https://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-5105_en.htm.

19Empfehlung der Kommission vom 1.3.2018 für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten, https://ec.europa.eu/newsroom/dae/document.cfm?doc_id=50118.

20Pravemann, GRUR 2019, 783, 787.

21Pressemitteilung der CDU: Kompromiss zum Urheberrecht: Keine Uploadfilter! https://www.cdu.de/artikel/kompromiss-zum-urheberrecht-keine-uploadfilter

22Spindler, Die neue Urheberrechts-Richtlinie der EU, insbesondere „Uploadfilter – Bittersweet? CR 2019, 277, 290.

23Ebd.

24Volkmann, Art. 17 Urh-RL und die Upload-Filter: verschärfte Störerhaftung oder das Ende der Freiheit im Internet? CR 2019, 376-384, 380.

25Dreier: Die Schlacht ist geschlagen – Ein Überblick, GRUR 2019, 771, 776.

26Dazu Spindler: „Allerdings entspricht dies der berüchtigten Quadratur des Kreises : Denn wenn ex ante Inhalte, die Dritter auf einen Server heraufladen wollen, auf Urheberrechtsverletzungen geprüft werden sollen, impliziert dies notwendigerweise eine generelle Kontrolle des gesamten Datenverkehrs auf einer Plattform, da den Inhalten nicht auf die Stirn geschrieben steht, ob sie urheberrechtsrelevante Inhalte enthalten. Warum dies nicht mehr einer allgemeinen Überwachungspflicht entsprechen soll, bleibt ein Mysterium.“ (CR 05/2019).