In einem noch nicht beendeten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hat der Generalanwalt Pedro Cruz Villalón sein Schlussplädoyer gehalten. Darin vertritt er die Ansicht, dass es zulässig sein könne, Provider unter bestimmten Voraussetzungen zur Sperrung von Internetseiten zu verpflichten. Stelle ein nationales Gericht fest, dass eine Seite urheberrechtsverletzende Inhalte anbiete, so sei der Provider als Vermittler der Rechtsverletzung anzusehen. Daher könne er in einem solchen Fall gezwungen werden, die betreffende Internetseite mit einer IP oder DNS Sperre zu versehen.
Der Digitale Gesellschaft e.V. tritt dieser Ansicht energisch entgegen. „Damit erlebt die hierzulande längst überwunden geglaubte Debatte über Netzsperren auf europäischer Ebene ihre Wiederauferstehung. Wie schon beim damaligen Zugangserschwerungsgesetz würde mit den vom Generalanwalt geforderten Netzsperren eine Zensurinfrastruktur geschaffen, welche die Pluralität des Netzes bedroht, ohne Rechtsverletzungen effektiv zu verhindern.“, so Volker Tripp, politischer Referent des Digitale Gesellschaft e.V.
Technisch erfolgt die Sperrung einzelner Internetseiten über die Blockade bestimmter IP-Adressen oder von Einträgen in DNS Servern. In beiden Fällen ist die eigentliche Seite weiterhin vorhanden und über Umwege immer noch aufrufbar. Das Streaming und Herunterladen illegaler Inhalte wird auf diese Weise allenfalls für technisch weniger versierte Nutzerinnen und Nutzer erschwert, nicht jedoch unterbunden. „Hat ein Gericht rechtskräftig festgestellt, dass eine Internetseite urheberrechtsverletzende Inhalte anbietet, so muss diese Seite vollständig aus dem Netz entfernt und nicht lediglich der Zugang zu ihr erschwert werden.“, so Tripp weiter.
So wenig Netzsperren zum Schutz beispielsweise des Urheberrechts beitragen, so intensiv belasten sie die Meinungs- und Informationsfreiheit und damit die Vielfalt des Netzes insgesamt. Netzsperren würden es etwa auch ermöglichen, den Zugang zu politisch oder anderweitig unliebsamen Seiten im Netz zu erschweren oder die Betreiber solcher Seiten unter Druck zu setzen. Tripp dazu: „Mit der Einführung von Netzsperren würde die Büchse der Pandora geöffnet und der erste Schritt in Richtung einer Zensurinfrastruktur getan, die mit der freiheitlichen Ausrichtung eines demokratischen Rechtsstaats unvereinbar ist.“
Anstatt die veralteten Geschäftsmodelle der Content-Industrie weiter mit immer mehr repressiven Maßnahmen zu schützen, fordert der Digitale Gesellschaft e.V. mehr Innovation seitens der Rechteinhaber. „Illegale Streamingportale und vergleichbare Seiten sind bei Nutzerinnen und Nutzern nur deshalb so beliebt, weil es keine vergleichbaren legalen Angebote gibt. Es ist daher an den Verwertern urheberrechtlich geschützter Inhalte, sich dem digitalen Wandel anzupassen und Modelle zu entwickeln, die den etablierten Nutzungsgewohnheiten im Netz gerecht werden.“, so Volker Tripp abschließend.