Das Bundesjustizministerim hatte uns eingeladen, zum aktuellen Referentenentwurf zum „Gesetz zur Aufhebung von Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ vom 04.05.2011 eine Stellungnahme abzugeben. Diese haben wir eben verschickt. Hier ist das PDF und hier der Text:
Stellungnahme des Vereins Digitale Gesellschaft zum Referentenentwurf vom 04.05.2011
Wir begrüßen den Entwurf und finden es richtig, dass das Zugangserschwerungsgesetz ersatzlos aufgehoben werden soll. Im Kampf gegen kriminelle Inhalte im Internet ist das Sperren am Ende des Nutzers der falsche Ansatz. Um gegen derartige Inhalte vorzugehen, ist es zwingend notwendig, an die Quelle des Angebots zu gehen und dort nach rechtsstaatlichen Maßstäben zu handeln.
Die Verfügbarkeit von Inhalten wie jenen, deren Zugänglichkeit das ZugErschwG mit ungeeigneten Mitteln reduzieren sollte, ist kein technisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. Dies kann nicht durch die Anwendung ungeeigneter und grund-rechtsgefährdender Mittel angegangen werden, sondern nur durch eine gesamtgesellschaftliche Verbesserung von Prävention und mit genauem Hinschauen sowie einem Opferschutz, der diesen Namen verdient – statt staatlich verordnetem, technischem Wegschauen. Wir bedauern, dass die Abgeordneten des 16. Deutschen Bundestages die Tragweite des von ihnen verabschiedeten Zugangserschwerungsgesetzes nicht erkannt hatten und können die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages daher nur auffordern, einem Zugangserschwerungsaufhebungsgesetz nun zuzustimmen. Ein positiver Nebeneffekt ist dabei das Ende des aus unserer Sicht verfassungsrechtlich höchst problematischen Außerkraftsetzens eines beschlossenen und verkündeten Gesetzes durch Nichtanwendungsbeschluss.
Wir begrüßen es, wenn nach der intensiven gesellschaftlichen Debatte der letzten Jahre nicht einfach zum Ausgangspunkt zurückgekehrt wird, sondern die dadurch gewonnenen Erkentnisse in den gegebenenfalls neu zu schaffenden gesetzlichen Rahmen eingebracht werden. Aus der Sicht des Vereins Digitale Gesellschaft hat sich eindrucksvoll gezeigt, dass auch Ermittlungsbehörden im digitalen Zeitalter die Nutzung moderner Kommunikation erst erlernen müssen. Sofern sie dies jedoch tun und entsprechend mit technischen und personellen Mitteln ausgestattet werden, haben sie bisher nie gekannte Möglichkeiten einer internationalen Zusammenarbeit beim Vorgehen gegen schwerste Straftaten. In der internationalen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit ist das Internet auch für die Strafverfolgung eine Chance, für die zeitgemäße Bedingungen geschaffen werden müssen (Ermittlungsbehörden und Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit internationalem und technischem Know-How seien hier als Stichworte genannt).
Es muss jedoch zugleich sichergestellt werden, dass das Niveau des Rechtsschutzes, die Bedingungen für ein faires Verfahren für den Einzelnen sowie die Kontrolle der Arbeit der Ermittlungsbehörden im internationalen Rahmen sowie selbstverständlich die Grund- und Menschenrechte gewährleistet bleiben.
Nach unserer Auffassung müssen Netz-Sperren – ob staatlich oder privat motiviert – für die Zukunft ausgeschlossen werden. Daher schlagen wir vor, das Telekommunikationsgesetz um einen §88a „Nichtanalyse / Nichtunterdrückung“ zu ergänzen, in dem jede willkürliche Analyse, sowie jede Sperrung von Inhalten, Ziel- und Anfrage-adressen auf Providerebene für grundsätzlich unzulässig erklärt wird. Es handelt sich also um eine Konkretisierung und Ergänzung zum §88 TKG (Fernmeldegeheimnis). Diese Änderung würde auch der Klarstellung dienen, dass die geschilderten Eingriffe in den Internet-Verkehr zugleich Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG darstellen und als solche grundsätzlich unzulässig sind.
Eine Ausnahme kann unserer Auffassung nach nur für notwendige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der technischen Systemsicherheit des Teilnetzes eines Providers vorübergehend gerechtfertigt sein.
Eine gute Darstellung. Aber vor allem – Gratulation, dass der Verein DG so schnell nach seiner Gründung von der Bundesregierung (oder zumindest der Bundesverwaltung) schon als wichtiger Akteur wahrgenommen wird!
@Stephan: Was glaubst du denn? Die lechzten doch geradezu nach einer Möglichkeit, das Internet anzurufen!