Seit Amtsantritt hat die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes bereits sechs öffentliche Konsultationen zum Thema Netzneutralität durchgeführt, also der Frage, ob alle Daten auf Internetleitungen gleich behandelt oder bestimmte Datentypen oder Inhalte bevorzugt werden. „Statt endlich zu handeln und dem Spuk ein Ende zu bereiten, spielen hier offensichtlich einige auf Zeit“, kritisiert Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e. V. „Jedes Mal fällt der EU-Generaldirektion Digitale Agenda ein neuer Punkt ein, der eventuell auch noch ein paar Jahre Beratungen erfordern könnte.“ Zuletzt hatte die Kommission eine breitangelegte Untersuchung der Netzüberwachung und der Datenbehandlung zur Bedingung für weitere Schritte beauftragt. Als der europäische Netzregulierer BEREC diese vorlegte, wurde die nun beendete Konsultationsphase gestartet. BEREC hatte herausgefunden, dass Eingriffe in den Datenverkehr in Europa wesentlich häufiger Praxis sind als vorher angenommen.

Bis zur Vorstellung der BEREC-Ergebnisse hatten EU-Kommission und Bundespolitiker immer wieder darauf verwiesen, dass die Frage der Netzneutralität vom Markt geregelt würde. „Das ist seit den Regulierer-Untersuchungen eindeutig widerlegt“, erklärt Beckedahl. „Alles riecht stark nach Verzögerungstaktik, wenn statt konkreter Maßnahmen immer nur neue Konsultationen von der EU-Kommission kommen.“ Angesichts der vielen Beweise (RespectMyNet.eu, Glasnost, BEREC), ist es unverständlich, dass die EU-Kommission weiterhin darauf besteht, nichts zu unternehmen. Auf Eingriffe in den Datenverkehr setzen dabei nicht mehr nur Mobilfunkanbieter. Auch Anbieter von kabelgebundenen Internetzugängen brechen immer häufiger mit dem Grundprinzip der Netzneutralität.

Auch die Fragen, die die EU-Kommission nun gestellt hatte, seien alles andere als neutral formuliert, kritisiert Beckedahl weiter. So gehe der Fragebogen der Konsultation etwa davon aus, dass alle Datenverkehrsmanagement-Praktiken identischer Art wären und daher legitim. Zudem fragte die EU-Kommission Bürger, Organisationen und Industrie, was denn Deep Packet Inspection (Datenpaketdurchleuchtung) sei und ob diese Technologie Risiken berge – der Europäische Datenschutzbeauftragte hatte schon 2011 in einer Stellungnahme ausführlich darauf hingewiesen, dass Deep Packet Inspection datenschutzrechtlich als überaus problematisch anzusehen ist. Diese Technologie, bei der nicht nur die Transportdaten sondern auch die Inhalte von Datenpaketen geprüft werden, wird zurzeit vorwiegend in repressiven Regimen eingesetzt. Aus Sicht des Digitale Gesellschaft e. V. ist ein Einsatz dieser Technologie im störungsfreien Regelbetrieb daher rundheraus inakzeptabel.

Mehr Informationen zum Thema Netzneutralität finden Sie auf EchtesNetz.de.

Die Stellungnahme des Digitale Gesellschaft e. V. im Volltext finden Sie hier als PDF.