Die Koalitionsverhandlungen sind im Gange, aber die für Netzpolitik zuständige Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda ist bereits fertig. Der vorliegende abschließende Bericht der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda ist ein Tiefschlag für progressive und zeitgemäße Netzpolitik. Man schreibt zwar groß drauf, dass die Netzneutralität geschützt werden soll, die verwendeten Formulierungen sagen aber genau das Gegenteil. Die Netzneutralität droht derartig aufzuweichen, dass sie ihrem Namen nicht mehr gerecht werden kann. Gerade im mobilen Bereich hat das von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Prinzip, das Internettelefonie bei einem normalen Datentarif ausgeschlossen werden, kann nichts mit Netzneutralität zu tun. Mit anderen Worten: Wer Skype auf seinem Handy nutzen will muss doppelt zahlen.
Auch beim Netzwerkmangement bleiben die Formulierungen so schwammig, dass die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität in weite Ferne rückt. So heißt es etwa, dass die Netzneutralität „nicht von einer Vielzahl von ‚Managed Services‘ verdrängt“ werden darf. Netzneutralität jedoch bedeutet die gleichberechtigte Durchleitung aller Daten. Es ist daher völlig gleich, „ob eine „Vielzahl“ oder nur wenige Dienste das Prinzip außer Kraft setzen. Und wie viel ist überhaupt eine Vielzahl? 10? 100? 100.000?
Ebenso schwammig sind nun die Formulierungen zu Deep Packet Inspections. Wir freuen uns zwar, dass hier erstmals in einem Koalitionsvertrag von einem Verbot der Risikotechnologie die Rede ist. Aber wie bei den meisten Formulierungen dieser Arbeitsgruppe gilt leider: Der Teufel steckt im Detail. Hieß es letzte Woche noch in einer vorläufigen Version die „Diskriminierung von Diensten und Nutzern“ sei zu verhindern, soll nun nur mehr die „Diskriminierung von Diensten verhindert werden“. Warum die Diskriminierung von Nutzern gestrichen wurde, kann nur einen Hintergrund haben: Die Nutzer sollen für das echte Netz zur Kasse gebeten werden oder mit halben Netz abgespeist werden. Daraus erwachsen massive Gefahren für die soziale Teilhabe sowie das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit.
Unser Fazit: Die nahende Große Koalition scheint kein Interesse daran zu haben, die Netzneutralität zu erhalten und den Drosselkom-Plänen der Deutschen Telekom und ihrer Wettbewerber einen Riegel vorzuschieben.