In den vergangenen fünf Monaten haben wir uns als kleine ehrenamtlich betriebene NGO intensiv um ACTA gekümmert. Unser Ziel war, Online und Offline miteinander zu verknüpfen, die Kritik an ACTA fundiert zu kommunizieren und vor allem die großen Proteste im Februar bis zur Abstimmung im Juli am Leben zu halten. Kurz vor der Abstimmung im Europaparlament wollen wir in einem kleinen Rückblick aufzeigen, wie man mit wenigen Mitteln aber dafür mit viel Motivation, Hilfe und Spaß eine Kampagne für digitale Bürgerrechte aufziehen kann, die nicht nur aus einer Petition im Netz besteht.
So haben wir es gemacht:
Als Mitglied von European Digital Rights (EDRi) waren wir schon länger in die ACTA-Debatte involviert. Allerdings interessierte niemanden das Thema, bis im Januar in Folge der SOPA-Debatte ACTA plötzlich in Europa und Deutschland ein Thema wurde. Durch die frühzeitige Übersetzung der EDRI-Broschüre „Was macht ACTA so kontrvers – und warum sollten sich Abgeordnete damit beschäftigen?“ hatten wir eine der wenigen deutschsprachigen Informationen zu ACTA passend zum Start der Debatte und wurden ein gefragter Ansprechpartner für Presse und Aktivisten.
Am 11. Februar gingen plötzlich und unerwartet 100.000 Menschen in über 60 Städten in ganz Deutschland bei Minustemperaturen auf die Straße, um gegen ACTA zu protestieren. Wir bastelten viele Schilder, die wir mit zur Demonstration in Berlin mitnahmen, die wir mit organisierten und wo alleine 10.000 Menschen auf die Straße gingen. (Wir hatten 600 Personen angemeldet, die Polizei war damals ebenso wie wir überrascht).
Und so sahen die Schilder in Aktion aus:
Unser Hauptslogan war „Urheberrecht reformieren – statt zementieren!“
Nach den Demonstrationen war uns klar, dass es eine große Herausforderung wird, die Proteste bis zur tatsächlichen Abstimmung am Leben zu halten. Ein Mobilisierungsvideo sollte zum Weitermachen motivieren:
In Kooperation mit Bitbureaut aus Dänemark entwickelten wir die Plattform acta.digitalegesellschaft.de/, um ein mögliches Abstimmungsverhalten zu visualisieren und Bürgern in einen direkten Kontakt mit Europaabgeordneten (MEPs) zu bringen: Bürger-to-Politiker (B2P). Auf der Plattform werden MEPs in drei Kategorien unterteilt: Befürworter / Gegener / Stimmverhalten noch unklar.
Für die Bewerbung der Plattform gab es eine Vielzahl von kleinen Bannern wie diesen: Brüssel anrufen.
Auf unserer Webseite sammelten wir alle wichtigen Ressourcen und Informationen, um einen umfassenden Überblick zu bieten.
Ein Bürger stellte eine Petition beim ePetitionssystem des Deutschen Bundestages ein, die ein Aussetzen der Ratifizierung forderte. Die Petition erhielt innerhalb eines Monats 61.000 Unterstützer. Wir druckten alle 61.000 Mitzeichner auf ein großes Banner, um es bei Aktionen und Demonstrationen mit zu nehmen:
Die Kampagne gegen ACTA
Aber wir wollten noch mehr. Für den 9. Juni war ein internationaler Protesttag gegen ACTA geplant. Und bei den vielen Demonstrationen im Februar fehlten vielen Teilnehmern Informationen und Flyer. Diese wollten wir für das nächste Mal bereit stellen. Da wir eine ehrenamtliche Organisation mit wenig Spenden sind, entwickelten wir eine Crowdfunding-Kampagne. Unser Versprechen: Wenn wir 15.000 Euro einsammeln, werden wir alle Demonstrationen und Aktionen in Deutschland und Österreich mit ausreichend Offline-Materialien ausstatten, die unsere Kritik an ACTA enthalten und auch gut aussehen.
12.000 Euro sammelten wir über kleine Spenden ein, dank einer 3.000 Euro Spende des Chaos Computer Club kamen wir letztendlich auf über 15.000 Euro. In Kooperation mit der befreundeten Designagentur 10hoch16 entwickelten wir verschiedene Materialien. Dazu gehören:
75.000 Info-Flyer zum Auffalten mit ausführlichen Informationen rund um ACTA:
180 Absperrbänder: („ACTA Blockiert Grundrechte und ein freies Internet“), um den Protest in den öffentlichen Raum zu bringen, denn ACTA versperrt uns die Zukunft.
50.000 Flyer zur Mobilisierung für die Demonstrationen am 9. Juni „Wir sind viele und wir wollen teilen“
Als alles gedruckt war, organisierten wir die Verschickung: Hol Dir das Info-Paket.
Es gab zwei kleine Pakete zur Auswahl und größere Städte erhielten Sondergrößen:
Über 200 Bestellungen aus 180 Städten in Deutschland und Österreich gingen ein. Wir packten zwei Tage lang und brachten alles mit 10 Einkaufswagen zur Post:
Foto der Verpackung:
Ein Video zeigt eine Tour mit fünf Einkaufswagen: Eure Anti-ACTA-Sets auf dem Weg zur Post.
Dazu gehörten auch sechs Aufkleber-Motive, die Sprüche haben wir vorher auch über Crowdsourcing entwickelt:
Die sechs Aufklebermotive stellten wir auf Twitter und Facebook und beobachteten, welches davon am populärsten ist. Gewinner war „Lasst unser Internet in Ruhe oder wir nehmen Euch die Faxgeräte weg“. Davon machten wir noch ein Banner, um es auf der Demonstration am 9. Juni dabei zu haben und zukünftig auch wieder verwenden zu können:
(Photo is (c) CAMPACT)
Die letzte Aktion kurz vor der Abstimmung ist die Verschickung von Jutebeuteln an alle 99 deutschen Europaabgeordneten mit einem Begleitschreiben um diese darauf hinzuweisen, dass ACTA die berühmte „Katze im Sack“ ist. Auf dem Jutebeutel steht „Nein zur Katze im Sack“ und sie kommen spätestens Anfang der Woche bei den Europaabgeordneten in Brüssel an.
Für uns war die Kampagne auch die Möglichkeit um zu zeigen, wie man auch für digitale Grundrechte Offline eintreten kann. Wir waren ausreichend motiviert, neue Wege auszuprobieren und freuen uns über die große Unterstützung, die wir dafür erhalten haben. Noch mehr freuen wir uns, sollte ACTA tatsächlich Anfang Juli Geschichte sein, wenn eine Mehrheit dagegen im Europaparlament zustande kommt. Unsere Ideen können selbstverständlich kopiert und geremixt werden. Wir freuen uns über Copycats, um uns gemeinsam mit vielen anderen ein freies Internet zu erhalten.
Wer uns unterstützen will: Wir freuen uns immer über Spenden um solche Aktionen und Kampagnen refinanzieren zu können. Beispielsweise um ein Leistungsschutzrecht zu verhindern – oder die Vorratsdatenspeicherung.