Liebe Freundinnen und Freunde der Digitalen Gesellschaft,

das Jahr neigt sich dem Ende, auch wenn die Digitale Gesellschaft noch lange nicht in die wohlverdienten Ferien gehen kann.

Die Chatkontrolle, unser Schwerpunktthema diesen Jahres geht in Deutschland in eine entscheidende Phase und vom 27.-30.12. steht die Hacking in Parallel an, eine Konferenz die die DigiGes gemeinsam mit Aktiven aus den Berliner Hackerspaces und dem internationalen Chaos-Umfeld organisiert.

Leider ist die finanzielle Lage der DigiGes weiterhin sehr ernst. Auch wenn wir in den letzten Wochen und Monaten einige Spenden bekommen haben und neue Fördermitglieder gewinnen konnten, brauchen wir noch dringend weitere Spenden. Falls sich unsere finanzielle Lage nicht bald verbessert, werden wir im kommenden Jahr wohl eine Kürzung der Stellen nicht vermeiden können.

Daher möchten wir Euch noch einmal bitten zum Jahresende einen kleinen Beitrag zum Überleben der DigiGes beizutragen und gerne unseren Appell weiterzuleiten, denn die Baustellen für eine den Grundrechten verpflichtete Netzpolitik werden nicht weniger.

Hier finden sich alle Informationen, wie Ihr uns unterstützen könnt: https://digitalegesellschaft.de/weitermachen/

So, jetzt geht es aber zu den Themen, mit denen wir uns in den letzten Wochen beschäftigt haben:

1. Mitgliederversammlung

2. Chatkontrolle

3. /// Hacking in Parallel ///

4. Biometrische Überwachung / Ehrenpreis für „Reclaim Your Face!“

5. Politische Werbung

6. Digital-Gipfel der Bundesregierung

7. Netzpolitische Abende

 

1. Mitgliederversammlung

Am 22. Oktober haben wir unsere alljährliche Mitgliederversammlung durchgeführt. Außergewöhnlich viele Mitglieder nahmen an der Versammlung teil, die hybrid online und auf der c-base statt fand. Dank guter Vorbereitung durch den Vorstand und regem Interesse vieler Mitglieder wurde konstruktiv und in angenehmer Atmosphäre die Zukunft des Vereins diskutiert und die Grundlagen dafür gelegt werden, dass die DigiGes noch breiter aufgestellt ins nächste Jahr startet.

2. Chatkontrolle

Seit dem Frühjahr liegt unser Hauptaugenmerk auf der Kampagne „Chatkontrolle STOPPEN!“, die wir initiiert haben und gemeinsam mit dem Chaos Computer Club und dem Verein Digitalcourage koordinieren. In den letzten Wochen haben wir nicht nur mit relevanten Entscheidungsträgerinnen und -trägern sprechen können, sondern haben uns intensiv um die Bündnisarbeit gekümmert. So haben wir nicht nur das Thema beim Berliner Regionalgruppentreffen des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vorstellen können, sondern waren auch eingeladen zum Jahrestreffen des Dachverbands der (Fußball-)Fanhilfen mit dessen Hilfe wir das Thema hoffentlich bald in die Fankurven des Landes tragen können.

Auf europäischer Ebene gab es ein Koordinierungstreffen von EDRi, auf dem wir in Brüssel nicht nur die Policy-Arbeit zur Chatkontrolle der nächsten Monate koordiniert haben, sondern auch geplant haben, wie wir die europäische Kampagne „StopScanningMe.eu“ künftig aufstellen werden.

Bereits im Oktober haben wir einen Aufruf veröffentlicht, in dem wir gemeinsam mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein klares „Nein“ der politisch Verantwortlichen zur geplanten Massenüberwachung fordern. Der gesamte Aufruf und die zeichnenden Bündnisoganisationen finden sich hier.

Ein besonders schöner Erfolg war es, alle Jugendorganisationen der Ampel-Parteien sowie die Jungen Piraten und die Linksjugend [‘solid] als Unterzeichner des Aufrufs gegen die Chatkontrolle gewinnen zu können. Die Unterstützung kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn die Bundesregierung will zeitnah ihre Position für die Ratsverhandlungen festlegen. Grüne Jugend, Junge Liberale und Jusos werden hoffentlich einen guten Beitrag dazu leisten, dass die Regierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einhält: „Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab.“

3. /// Hacking in Parallel ///

Nachdem im Oktober klar wurde, dass es in diesem Jahr leider wieder keinen Chaos Communication Congress geben wird, fanden sich recht schnell Leute zusammen, die in verschiedenen Städten dezentrale bzw. online Jahresendveranstaltungen planen. Auch einige Einzelpersonen aus dem Umfeld der Berliner Hackerspaces und der internationale Szene äußerten ihren Wunsch, auf einer pandemiegerechten Konferenz andere endlich wieder persönlich zu treffen. So wurde im November die Idee geboren, in Berlin die HiP – Hacking in Parallel zu organisieren. Eine echte Herausforderung bei nur wenigen Wochen verbleibender Vorbereitungszeit. Die Digitale Gesellschaft war von Anfang an dabei und stellt als Ausrichterin gerne den finanziellen und rechlichen Rahmen. Und so sind unsere letzten Arbeitswochen des Jahres vom chaotisch-konstruktiven Versuch geprägt, innerhalb kürzester Zeit ein Event mit mehreren Hundert Teilnehmenden aus dem Boden zu stampfen. Das hochkarätige Programm ist mittlerweile online, allerdings sind die Tickets bereits ausverkauft. Wir hoffen dennoch einige von Euch dort zu sehen und freuen uns auf viel Hacktivismus, Netzpolitik, Security und Art & Beauty (und wahrscheinlich wenig Schlaf) zwischen den Jahren. Für alle anderen gibt es natürlich die Möglichkeit, die Vorträge im Stream zu gucken. Schaut mal zwischen den Jahren auf www.hip-berlin.de oder auf www.media.ccc.de .

4. Biometrische Überwachung / Ehrenpreis für „Reclaim Your Face!“

In Brüssel dauern derweil die Verhandlungen um die Verordnung über Künstliche Intelligenz (KI-Verordnung) an. Ein zentraler Punkt ist und bleibt dabei der Einsatz biometrischer Identifizierungssysteme. Der bisherige Stand der Verhandlungen im Rat sieht zwar eine Beschränkung entsprechender Technologie vor, von einem Verbot biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum, wie es die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag in Europa fordern müsste, ist der derzeitige Entwurf aber weit entfernt. Nicht nur sind verschiedene Ausnahmen von einem Verbot vorgesehen, das sowieso nur für Strafverfolgungsbehörden und Echtzeiterkennung gelten soll. Unter dem Deckmantel der „nationalen Sicherheit“ könnte es komplett ausgehebelt werden.

Wir haben daher gemeinsam mit einer Reihe anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Initiative von Algorithmwatch einen offenen Brief an die Bundesregierung gerichtet, sich für ein tatsächliches Verbot biometrischer Massenüberwachung einzusetzen.

Gegen biometrische Massenüberwachung sind wir seit bald zwei Jahren in der Kampagne „Reclaim Your Face!“ aktiv. Diese hat Anfang Dezember den Ehrenpreises für digitales Bürgerengagement der Friedrich-Naumann-Stiftung, Thomas-Dehler-Stiftung und LOAD e.V. erhalten. Die Preisverleihung fand in München statt, die Laudatio hielt die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger. Hier findet Ihr den Mitschnitt und die Beiträge von Andreea Belu (EDRi), Kantorkel (Chaos Computer Club) und Konstantin Macher (Digitalcourage).

5. Politische Werbung

Ein weiteres europäisches Gesetzesvorhaben mit möglicherweise fatalen Folgen ist die Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung. Wie es derzeit aussieht, schiesst die Verordnung weit über das an sich legitime Ziel, zumindest im Bereich der politischen Werbung, hinaus: Die Verordnung setzt bezahlte politische Werbung mit politischen Meinungsäußerungen gleich, wodurch nicht nur ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen würde. Politische Meinungsäußerung würde auf zahlreichen Plattformen benachteiligt; betroffen wären neben Nichtregierungsäußerungen jede politische Äußerung von Privatpersonen, während Regierungskommunikation ausgenommen würde.

Daran zeigt sich das ganze Dilemma, in das die EU sich selbst hineinmanövriert hat, indem sie verhaltensbasierte Werbung im Rahmen des Digital Services Act nicht generell untersagt hat. Nun zu versuchen, für besonders sensible Teilbereiche eine Sonderregelung einzuführen, ist trotz intensiver Verhandlungen wenig durchdacht und schafft neue Gefahren für die Meinungsfreiheit. Wir haben daher mit einigen anderen Organisationen einen offenen Brief an die zuständigen Bundesministerien geschickt und fordern sie auf, für den Schutz politischer Kommunikation Sorge zu tragen.

6. Digital-Gipfel der Bundesregierung

Nachdem wir und einige andere Organisationen der digitalen Zivilgesellschaft uns über die mangelnde Beteiligung am großen Digital-Gipfel der Bundesregierung Anfang Dezember beschwert hatten, flatterten kurz vor dem Gipfel doch noch einige Einladungen ins Haus. So konnten wir zwar nicht auf den Podien zwischen Industriewerbung und Selbstbeweihräucherung von Politik und Verwaltung eine kritische Stimme erheben, aber zumindest dem ganzen Elend bundesrepublikanischer Digitalpolitik beiwohnen: Während am ersten Tag noch jeder zaghafte Versuch eines klugen (oder gar kritischen) Gedankens einzelner Panelteilnehmerinnen zielsicher wegmoderiert wurde oder vom nächsten Pitch für ein „innovatives Leuchtturmprojekt“ übertont wurde, lief am zweiten Tag ein Großteil des Bundeskabinetts auf, um noch einmal die gesamte Ahnungs- und Gedankenlosigkeit zu demonstrieren, die die staatliche Netzpolitik hierzulande ausmacht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen war es erschreckend, wie selbstgefällig sich Industrie und Politik die Buzzwords „Innovation“, „Nachhaltigkeit“ und „Wertschöpfungskette“ gegenseitig zuspielten. Es ist fraglich, ob die organisierenden Ministerien etwas gelernt haben, oder ob das Format dieses „Gipfels“ einfach immer schon überflüssig war.

7. Netzpolitische Abende

Im November hatten wir die Ehre, Flüpke an Bord begrüßen zu dürfen. Rund um Gematik, Krankenkassen und staatlichen Stellen erklärte er die Details zu den „neuen“ E-Rezepten und den Konnektoren mit ihren Sicherheitsmerkmalen.

Tom gab uns eine kleine Einführung zum aktuellen Stand von Quickfreeze versus Vorratsdatenspeicherung und Sebastian hat einen Google-kritischen Comic vorgestellt.

Hier alle Beiträge vom NPA121

Am 6. Dezember haben Tara Tarakiyee und Fiona Krakenbürger den Sovereign Tech Fund vorgestellt. Der Fokus liegt auf der Förderung von Open Source Software-Entwicklung, speziell in der eher vernachlässigten OS-Infrastruktur.

Aus dem Prototype hervorgegangen ist das Projekt Datenanfragen.de. Lorenz Sieben und Benjamin Altpeter erklären, wie man mit Hilfe des Generators auf der Website eigen Anfragen an entsprechende Organisationen stellen kann.

Zum Abschluss gab es noch eine Kurzvorstellung der HiP-Berlin

Hier die Vorträge vom NPA122

Wir wünschen Euch allen einen schönen Jahresausklang und einen guten Start ins neue Jahr. Geniesst die Feiertage und bleibt gesund!

Viele Grüße

Tom und Sebastian

P.S. Haben wir schon erwähnt, dass wir dringend auf Spenden angewiesen sind?