— Update: Der Beschluss wurde kurzfristig von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen —

 

Am heutigen Mittwoch, den 27. Januar 2021, wird der Regierungsentwurf für eine Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie vom Kabinett beschlossen und anschließend in den Bundestag eingebracht. Die Digitale Gesellschaft beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und hat insbesondere die Verabschiedung der Richtlinie durch die EU kritisch begleitet. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt eine Enttäuschung dar und fällt noch hinter frühere Entwürfe zurück. Auch wenn er teilweise erkennbar bemüht ist, einige Folgen des Einsatzes von Uploadfiltern einzugrenzen: Den verfehlten Ansatz des Artikels 17 der EU-Richtlinie kann er nicht korrigieren.

In einer Protokollerklärung zur Richtlinie hatte die Bundesregierung versprochen, Uploadfilter „nach Möglichkeit verhindern“ oder „weitgehend unnötig machen“ zu wollen. Dieses Versprechen hat die Bundesregierung gebrochen. Der Entwurf setzt umfassend auf Uploadfilter. Im neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) ist lediglich eine widerlegliche gesetzliche Vermutung vorgesehen, dass geringfügige Verwendungen von Inhalten unter bestimmten Voraussetzungen eine rechtmäßige Verwendung als Zitat, Satire oder Pastiche darstellen und eine automatische Sperrung daher in diesen Fällen nicht erfolgen soll. Dieser Mechanismus ist jedoch nicht in der Lage der ausdrücklichen Anforderung der Richtlinie gerecht zu werden, dass legale Inhalte nicht blockiert werden dürfen. Er kann lediglich die Fälle irrtümlicher Sperrungen minimieren.

Die Digitale Gesellschaft hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Einführung von Uploadfiltern grundsätzlich einen gefährlichen Dammbruch darstellt, selbst wenn die Filter Ausnahmen zulassen. Bereits in der Einführung einer Technologie, die jeden hochgeladenen Inhalt automatisch durchsucht und ggf. sperrt liegt ein enormes Risiko für die Meinungsfreiheit. Ohne nennenswerten Aufwand lassen sich die Filterkriterien anpassen, was zu Missbrauch durch autoritäre Regierungen oder große Internetkonzerne einlädt. Die großen Internetkonzerne kontrollieren zudem die Filtersysteme.

Volker Grassmuck, Mitglied des Vorstands der DigiGes: „Wir sollten uns deutlich machen, dass der vorliegende Entwurf nicht einfach neue Urheberrechtsregeln, sondern eine grundlegend algorithmenbasierte neue Infrastruktur schaffen würde, in die hinein alle künftigen Regeln für Urheberrechte und möglicherweise alle anderen zu kontrollierenden Inhalte im Online-Bereich formuliert werden.“

Anders als die ersten Entwürfe noch hoffen ließen, sind die vorgesehenen Ausnahmen von der automatischen Löschung unzureichend geregelt. Die Grenzen für die Vermutung einer rechtmäßigen Nutzung in §§ 9, 10 UrhDaG sind extrem eng gezogen. Gegen die ursprünglich vorgesehenen Vorgaben, die sichtlich um einen Ausgleich verschiedener Interessen bemüht waren, sind die organisierten Rechteinhaber in den letzten Wochen Sturm gelaufen. Mit Erfolg haben insbesondere die großen Verlage und die Musikindustrie massiven Druck auf die Bundesregierung ausgeübt und – teilweise unter Erhebung von Falschbehauptungen und einer bewussten Fehlinterpretation der Richtlinie – das Zerrbild einer bevorstehenden „Enteignung“ der Rechteinhaber und einer „Zwangskollektivierung“ ihrer Werke an die Wand gemalt. Dazu Tom Jennissen von der DigiGes: „Es ist erschreckend, dass gerade die großen Presseverlage zum Schutz ihrer eigenen Produkte bereit sind, Gefahren für die Meinungsfreiheit im Internet durch Overblocking und Missbrauch in Kauf zu nehmen. Der Hinweis der Rechteinhaber, dass Uploadfilter durch künstliche Intelligenz vielleicht irgendwann in der Lage sein werden Zitate, Karikaturen, Parodien und Pastiches zu erkennen, ist realitätsfern und wenig hilfreich.“

Die Digitale Gesellschaft fordert die Bundesregierung daher auf, statt die Uploadfilter gesetzlich vorzuschreiben, auf europäische Ebene auf eine Korrektur des nicht umsetzbaren Artikels 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie hinzuwirken. Dessen Ansatz, eine automatische Sperrung von Inhalten vorzusehen und zugleich die Sperrung legaler Inhalte auszuschließen, kann nicht funktionieren. Tom Jennissen von der DigiGes: „Wir brauchen keine Uploadfilter sondern ein modernes Urheberrecht, das den Bedürfnissen und Realitäten von Millionen Nutzerinnen und Nutzern entspricht.“

— Update: Der Beschluss wurde kurzfristig von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen —

 

Die Digitale Gesellschaft informiert seit Jahren in Texten und Vorträgen über Urheberrecht und Uploadfilter:

Überblick: https://digitalegesellschaft.de/mitmachen/uploadfilter/

Pressekontakt:

Tom Jennissen

tom.jennissen@digitalegesellschaft.de