Die Digitale Gesellschaft hat angesichts der aktuellen Diskussionen in der Bundesregierung dazu aufgerufen, das Faxgerät des Digitalministeriums zu finden. Hintergrund ist die Kontroverse um die Chatkontrolle – also der Plan der EU-Kommission, Anbieter von Messengerdiensten wie WhatsApp oder Signal zur Überwachung privater Nachrichten zu verpflichten. Der Digitalminister ist bislang auffällig unbeteiligt bei dem Thema, [1] obwohl die Pläne Expert*innen zufolge nicht nur das Grundrecht auf Privatsphäre, sondern auch die digitale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gefährden. [2] Der gemeinnützige Verein Digitale Gesellschaft e.V. appelliert darum an die Bevölkerung, Ministerien und Abgeordnete zu kontaktieren damit die deutsche Bundesregierung die Chatkontrolle stoppt – notfalls auch per Fax. [3]

In einem im Fediverse verbreiteten Beitrag schreibt die Digitale Gesellschaft: „Wer hat das Faxgerät des Digitalministeriums gesehen? Wir haben eine dringende Botschaft für Minister Karsten Wildberger: für die Glaubwürdigkeit der deutschen Digitalpolitik muss er die Chatkontrolle jetzt stoppen!“ [4]

Konstantin Macher, Mitglied im Vorstand der Digitalen Gesellschaft:

“Das Digitalministerium behauptet zwar, kein Fax zu haben, aber die SPD hat auch gesagt der Chatkontrolle nicht zustimmen zu können. Trotzdem scheint jetzt bei der Bundesregierung wieder alles möglich. Wenn es hilft die Chatkontrolle zu stoppen, dann finden wir auch das Fax im Digitalministerium.”

Hintergrund

Bereits am 11. Mai 2022 hat die EU-Kommission ihren kontroversen Gesetzesvorschlag mit der Chatkontrolle gemacht. Teile der CSA-Verordnung („Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“) sehen unverhältnismäßige Eingriffe in Grundrechte aller EU-Bürger*innen vor, die zugleich die IT-Sicherheit von allen Geräten massiv schwächen würden. Aufgrund dieser Probleme und da die EU-Kommission nach wie vor nicht von den problematischen Bestimmungen abrücken will, ist auch über drei Jahre nach dem Verordnungsvorschlag keine Einigung der für die Gesetzgebung relevanten Institutionen erfolgt.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass alle Anbieter*innen von technischen Kommunikationsdiensten dazu verpflichtet werden können, anlasslos private Nachrichten zu durchleuchten. Besonders umstritten ist dabei der Einsatz von „Client-Side-Scanning“. Dabei würde das eigene Gerät von Nutzer*innen dafür genutzt, die Inhalte von versendeten Nachrichten zu scannen, noch bevor diese versendet werden. Damit würde die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben, welche normalerweise das Fundament für die Sicherheit und Vertraulichkeit von digitaler Kommunikation ist. Betroffen wären zum Beispiel Messenger wie WhatsApp oder Signal, aber potentiell alle digitalen Kommunikationsdienste wie E-Mail.

Am 14. Oktober ist eine Abstimmung der Regierungen über den Vorschlag im Rat der EU angesetzt. [5]

Das Bündnis „Chatkontrolle Stoppen!“, das unter anderem von der Digitalen Gesellschaft e.V. und dem Chaos Computer Club getragen wird, hat im Juni in einem offenen Brief an Bundesinnenminister Dobrindt appelliert, sich gegen die Chatkontrolle zu wenden um Verschlüsselung und Gesellschaft zu schützen. [6] Bisher hat sich die neue Bundesregierung dazu aber nicht festgelegt und auch dem Bündnis nicht geantwortet. Die vorherige Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte mit Verweis auf das Grundgesetz die Pläne bislang abgelehnt. [7]

Zuletzt haben über 700 Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief vor den Plänen gewarnt. [8] In einem zusätzlichen FAQ werden die Gefahren durch das dabei vorgesehene ‚Client-Side-Scanning‘ hervorgehoben, also durch das Scannen von Kommunikation noch auf dem eigenen Gerät. [9] IT-Sicherheitsexpert*innen warnen schon lange vor den Gefahren des Client-Side-Scanning. [10]

Pressekontakt:

Konstantin Macher: konstantin.macher [ät] digitalegesellschaft.de

Nachweise

[1] Bericht netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/2025/chatkontrolle-der-digitalminister-duckt-sich-weg/

 

[2] Laut Bericht der Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (cep) würde die Wirtschaft in Europa geschwächt durch eine staatliche Pflicht für Hintertüren in IT-Systemen. Demnach erwaten 62 Prozent von Kleinen und Mittleren Unternehmen unter den Bedingungen staatlich verpflichtender Hintertüren, weniger Stellen zu besetzen, 58 Prozent erwarten Investitionskürzungen. Das Gutachten warnt vor negativen Folgen für Innovationen und Investitionen in Kleine- und Mittlere Unternehmen. Quelle:https://www.cep.eu/eu-topics/details/security-and-trust-an-unsolvable-digital-dilemma.html

 

[3] Artikel Digitale Gesellschaft e.V.: https://digitalegesellschaft.de/2025/10/der-kampf-gegen-die-chatkontrolle-braucht-dich/

 

[4] Beitrag der Digitalen Gesellschaft im Fediverse: https://chaos.social/@digiges/115316586591107873

 

[5] Programm der Dänischen Ratspräsidentschaft in der EU: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/EU/26599/imfname_11492795.pdf?page=31

 

[6] Beitrag Bündnis „Chatkontrolle Stoppen!“ https://chat-kontrolle.eu/index.php/2025/06/16/offener-brief/

 

[7] Videoclip mit der Aussage von Bundesinnenministerin a.D. Nancy Faeser und weiterführenden Quellen: https://eupolicy.social/@pneutig/114794737985677678

 

[8] Offener Brief auf Englisch: https://csa-scientist-open-letter.org/Sep2025 und als deutsche Übersetzung: https://csa-scientist-open-letter.org/Sep2025_de

 

[9] FAQ zu Chatkontrolle und dem Client-Side-Scanning: https://csa-scientist-open-letter.org/FAQ_DE

 

[10] Bericht netzpolitik.org https://netzpolitik.org/2021/client-side-scanning-beruehmte-it-sicherheitsforscherinnen-warnen-vor-wanzen-in-unserer-hosentasche/