Am morgigen Donnerstag beginnen die Sondierungsverhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen zum Themenfeld Digitalisierung. Zu diesem Anlass haben wir in 10 netzpolitischen Sachbereichen verschiedene Handlungsempfehlungen für die künftige Regierungskoalition zusammengestellt, die aus unserer Sicht Eingang in eine Koalitionsvereinbarung finden müssen, um in der kommenden Legislaturperiode eine grundrechts- und verbraucherfreundliche Netzpolitik zu gewährleisten.

1. Anlasslose Massenüberwachung beenden.

  • Bestehende Gesetze zur anlasslosen Überwachung (Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatenspeicherung) aufheben.
  • Freiwillige Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten sowie Speicherung zu Abrechnungszwecken durch Provider auf absolut notwendiges Maß begrenzen.
  • Keine neuen Maßnahmen und Gesetze zur anlasslosen Speicherung personenbezogener Daten einführen.

2. Schutz der Identität online und offline gewährleisten.

  • Intelligente Videoüberwachung weder punktuell noch flächendeckend einführen.
  • Möglichkeit der pseudonymen Nutzung von Online-Diensten erhalten.

3. Datenschutz wahren und fördern.

  • Verbraucherunfreundliche Abweichungen von der Datenschutzgrundverordnung aus dem deutschen Datenschutzanpassungs- und Umsetzungsgesetz streichen.
  • Im Rahmen der ePrivacy-Reform Privacy-by-Design und Privacy-by-Default festschreiben, Verarbeitung von Verkehrs- und Inhaltsdaten wirksam begrenzen.
  • Datenschutzprinzipien, vor allem Datenminimierung und Zweckbindung, beibehalten und stärken, etwa durch Unterstützung wirksamer Datenschutzfolgeabschätzungen und Konkretisierung der Regelungen zu Privacy-by-Design und Zertifizierung.
  • Datenschutz als Standortvorteil begreifen: Förderung von StartUps und innovativer Datenschutzprojekte, durch die Privacy-by-Design und Privacy-by-Default gestärkt werden. Innovationen beim Datenschutz als Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel berücksichtigen.
  • Forschung zu automatisierten Entscheidungsverfahren und den Möglichkeiten ihrer Regulierung fördern.

4. Meinungs- und Informationsfreiheit online stärken.

  • Das bewährte Haftungsregime Notice-and-Action beibehalten.
  • Wissenschaftliche Untersuchung der Phänomene Hate Speech und Fake News anstoßen und fördern.
  • Keine Upload-Filter für Host-Provider vorschreiben, Rechtsdurchsetzung nicht privatisieren.
  • Netzwerkdurchsetzungsgesetz aufheben.

5. Verschlüsselung und IT-Sicherheit gewährleisten.

  • Hersteller und Entwickler von Verschlüsselungstechnologie verpflichten, bekannte Lücken unverzüglich zu schließen.
  • Produkthaftungsanspruch und Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern gegen Hersteller bei Verstößen gegen diese Pflicht schaffen.
  • Hersteller und Entwickler nicht zur Einrichtung von Backdoors, zur Hinterlegung von Schlüsseln oder zum Einsatz von Generalschlüsseln zwingen.
  • Staatlicherseits bekannt gewordene Sicherheitslücken unverzüglich veröffentlichen.
  • Staatliche Stellen dürfen keine Zero-Day-Exploits oder andere Sicherheitslücken ankaufen.

6. Flächendeckenden, nachhaltigen Breitbandausbau vorantreiben.

  • Einsatz zukunftsfester Leitungstechnologien (Glasfaser) fördern.
  • Alternative Finanzierungskonzepte fördern, beispielsweise Bürgerfond Breitband
    oder kleinteilige genossenschaftliche Finanzierungsmodelle.
  • Neue, für Breitbandausbau zweckgebundene Fördermittel durch Verkauf der Bundesanteile an der Telekom bereitstellen.

7. Netzneutralität sichern.

  • Zero-Rating ausdrücklich verbieten.
  • Unklarheiten und Unschärfen in europäischer Verordnung zur Netzneutralität beseitigen.
  • Neutrale Messverfahren in der Transparenzverordnung festschreiben.

8. Urheberrecht zeitgemäß liberalisieren.

  • Recht auf Remix und Fair-Use-Klausel schaffen.
  • Urheberrechtliche Schranke für Text- und Data-Mining einführen.
  • Offene Lizenzen bei Vergaben und Mittelbeschaffung durch staatliche Stellen bevorzugen.
  • Keine (Re-)Upload-Filter zur Durchsetzung von StayDown-Verpflichtungen vorschreiben.

9. Digitale Grundbildung ausbauen und fördern.

  • Zur Verbesserung der Medienkompetenz umfassende Fördermittel für außerschulische digitale Bildungsangebote bereitstellen (Erwachsenenbildung).
  • Die bereits in der vergangenen Legislaturperiode versprochenen 5 Milliarden Euro für digitale Ausstattung der Schulen bereitstellen.
  • Den Einsatz von Open Educational Resources und freier Software im Bildungswesen fördern.

10. eGovernment und Open Data ausweiten und verbessern.

  • Behördliche Daten öffentlich elektronisch abrufbar machen.
  • Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben.
  • Elektronisches „Bürgerkonto“ und „Bürgerportal“ insbesondere für Kontakte mit der Kommunalverwaltung einrichten.