„CETA steht für den Rückbau des Rechtsstaats und empfindliche Verschlechterungen beim Schutz der Grundrechte. Das unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelte Abkommen beschneidet in gefährlicher Weise die Spielräume der EU und der Mitgliedstaaten beim Schutz der Privatsphäre“, erklärt Alexander Sander, Hauptgeschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft. „Mit CETA wird der Einfluss von Wirtschaftsinteressen auf Gesetzesvorhaben nicht nur gestärkt, sondern auch noch vertraglich festgeschrieben. Außerdem soll das Abkommen so lange vorläufig angewendet werden, bis es in allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist. Sowohl seine Reichweite als auch seine Zukunft sind derzeit deshalb kaum absehbar. Im ungünstigsten Fall könnte CETA ein ewiges Provisorium bleiben. Wir appellieren daher mit Nachdruck an die Abgeordneten Europäischen Parlaments, CETA die Zustimmung zu verweigern“, so Sander weiter.

Das Europäische Parlament wird heute über das Handels- und Investitionsabkommen CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) zwischen der EU und Kanada abstimmen. Geben die Abgeordneten grünes Licht, so werden vorläufig nur diejenigen Teile des Abkommens zur Anwendung kommen, für die ausschließlich die EU zuständig ist. Erst wenn auch die Parlamente sämtlicher Mitgliedstaaten CETA ratifiziert haben, tritt das Abkommen vollumfänglich in Kraft. Verweigert auch nur ein einziger Mitgliedstaat seine Zustimmung, so würde das Abkommen auf unbestimmte Zeit weiterhin nur vorläufig angewendet werden. Nicht zuletzt um dies zu verhindern, muss das Europäische Parlament heute gegen CETA stimmen.

Andernfalls wird die EU auch einen Teil ihrer Freiheit bei der Regulierung von Datenschutz und elektronischem Geschäftsverkehr einbüßen. Zwar erlaubt das Abkommen ausdrücklich den Erlass von Gesetzen zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten; diese Vorschriften dürfen den CETA-Bestimmungen jedoch nicht widersprechen. Die Ausgestaltung des Datenschutzes soll sich künftig also nicht mehr allein nach den EU-Grundrechten, sondern vornehmlich nach den Vorgaben des Handelsabkommens richten. Diese Vorgaben verlangen beispielsweise, bei Maßnahmen des Datenschutzes stets die Standards internationaler Organisationen, an denen sowohl die EU als auch Kanada beteiligt sind, zu berücksichtigen. Aktuell wäre davon nur die Datenschutz-Richtlinie der OECD, nicht hingegen die deutlich strengere Europäische Datenschutzkonvention erfasst. Obwohl die Konvention allen Staaten weltweit offen steht, ist Kanada ihr bislang nämlich nicht beigetreten. Im Ergebnis würde CETA daher zu einer schleichenden Absenkung des Datenschutzniveaus in der EU führen. Im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs sieht das Abkommen außerdem einen ständigen Dialog zwischen Kanada und der EU über die Haftung von Intermediären vor. Auf diese Weise könnte die EU unter Zugzwang geraten, beispielsweise Host-Provider stärker als bisher für nutzergenerierte Inhalte in die Verantwortung zu nehmen oder den Einsatz von Upload-Filtern zwingend vorzuschreiben. Grundrechte wie die Informations- und Meinungsfreiheit würden dadurch ebenso beschädigt wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Online-Wirtschaft.

Mit den Verfahren zum Investorenschutz sowie dem Forum für regulatorische Kooperation droht überdies ein Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien. Durch den Investorenschutz wird eine Paralleljustiz etabliert, die es transnationalen Konzernen erlaubt, legislative Vorstöße zum Schutz von Grund- und Verbraucherrechten mit horrenden Schadensersatzforderungen zu kontern und den Gesetzgeber auf diese Weise einzuschüchtern oder sogar zur Aufgabe des Vorhabens zu bewegen. Über das Forum für regulatorische Kooperation wiederum wird der Einfluss von Konzernlobbyisten auf die Gesetzgebung festgeschrieben, da sie in diesem Rahmen bereits auf die Erarbeitung von Gesetzentwürfen Einfluss nehmen können.

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