In einem gemeinsamen offenen Brief haben sich 72 zivilgesellschaftliche Organisationen aus 31 Ländern an die europäischen Telekom-Regulierer gewandt. Darin fordern sie eine starke Absicherung der Netzneutralität bei der Umsetzung der EU Telekommunikationsmarkt-Verordnung. Von diesen neuen Regeln wird abhängen, ob Internetanbieter in Europa künftig bezahlte Überholspuren ermöglichen, einzelne Dienste blockieren, verschüsselte Verbindungen pauschal benachteiligen und den Inhalt der Datenpakete ihrer Kundinnen und Kunden inspizieren dürfen. Noch besteht für die Zivilgesellschaft die Möglichkeit, sich in den laufenden Prozess einzubringen und der eigenen Stimme auf www.SaveTheInternet.eu Gehör zu verschaffen!
Das Gremium Europäischer Regulierungsbehörden für elektronische Kommunikation (BEREC) und die 28 nationalen Regulierer verhandeln zurzeit über Leitlinien, die viele offene Fragen des im Oktober 2015 beschlossenen EU-Gesetzes zur Netzneutralität klären sollen. Bis August sollen die endgültigen Leitlinien stehen. Zuvor soll in der Zeit von Juni bis Juli 2016 noch eine öffentliche Konsultation durchgeführt werden.
„Es bleibt nur noch wenig Zeit, um sich für eine netzneutralitätsfreundliche Auslegung der Verordnung einzusetzen. Über unsere Seite savetheinternet.eu hat die Zivilgesellschaft die Möglichkeit, sich schnell und einfach für ein diskriminierungsfreies Internet in Europa zu engagieren. Wir werden die Beiträge sammeln und an die BEREC weiterleiten. Je mehr Menschen sich beteiligen, desto größer die Chance, ein freies und offenes Netz in Europa zu erhalten.“, so Alexander Sander, Hauptgeschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.
In ihrem Brief fordern die 72 unterzeichnenden Organisationen von den Telekomregulierern:
– „Spezialdienste“ müssen sehr eng definiert werden. Mit Spezialdiensten könnten sich bezahlte Überholspuren im Internet etablieren. Große Internetdienste könnten damit den gesetzlich vorgesehenen Netzneutralitätsschutz umgehen. Spezialdienste dürfen deshalb nur für Angebote verwendet werden, welche technisch gar nicht über das offene Internet erbracht werden könnten.
– Zero-Rating muss klar verboten werden. Diese Praxis schränkt die Wahlfreiheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern ein, wirkt wettbewerbsverzerrend, schafft weitere Anreize für volumenbeschränkte Zugänge und untergräbt die Freiheit, diskriminierungfreie Dienstleistungen anzubieten.
– Verkehrsmanagement sollte soweit wie möglich anwendungsagnostisch sein. Wenn Telekommunikationsfirmen nach Belieben darüber entscheiden, welche Daten sie bevorzugt behandeln und welche nicht, drohen sowohl die Diskriminierung einzelner Diensteanbieter als auch eine Einschränkkung des Wahlfreiheit von Kundinnen und Kunden sowie eine Diskriminierung verschlüsselter Kommunikation.
Der Gesetzestext lässt viele der Kernfragen rund um die Netzneutralität offen. Aufgrund der oft schwammigen Formulierungen kann er unterschiedlich und teils sogar diametral gegensätzlich ausgelegt werden. Damit hat der Gesetzgeber die eigentliche Entscheidung über die Zukunft der Netzneutralität in die Hände der Regulierungsbehörden gelegt. Von ihnen hängt nun ab, ob es in Europa bezahlte Überholspuren, Zero-Rating oder Verkehrsmanagement mit privatsphärefeindlichen Methoden wie Deep-Packet-Inspection geben wird.
Weiterführende Links und Hintergründe:
Offener Brief
Savetheinternet.eu
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