„Das Urheberrecht darf keine Hürde für die kulturelle Teilhabe von blinden, seh- und lesebehinderten Menschen darstellen. Wir begrüßen die heute vom Europäischen Parlaments verabschiedete Resolution zum Vertrag von Marrakesch. Wir fordern die im Ministerrat vertretenen Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland und das Großbritannien, dazu auf, die jahrelangen Verschleppungstaktiken um den Ratifizierungsprozess umgehend zu beenden.“, erklärt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Der Vertrag von Marrakesch ist eine völkerrechtliche Übereinkunft, welche den weltweiten Mangel an Büchern für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen lindern soll. Seine Ziele sind derart offensichtlich unterstützenswert und die dort vorgesehenen Maßnahmen so einfach umsetzbar, dass niemand ernsthaft mit Widerstand rechnen konnte. Bislang blockieren allerdings sowohl der Ministerrat als auch die EU-Kommission durch Verfahrenstricks und das Vorschieben von Scheinproblemen die Ratifizierung des Vertrages.

Derzeit werden in Deutschland nur circa 5% aller Bücher in für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen wahrnehmbaren Formaten angeboten, vor allem als Audio-Bücher und als Bücher in Braille-Schrift. Der Vertrag soll diesen Missstand beseitigen, indem die unterzeichnenden Staaten eine Ausnahme in ihrem jeweiligen Urheberrecht einführen, die es blinden und sehbehinderten Menschen erlaubt, entsprechende Sonderformate ohne Einwilligung des Rechteinhabers zu erstellen oder erstellen zu lassen. Weiterhin sollen „befugte Stellen“ geschaffen werden, zum Beispiel Blindenbibliotheken, die Werke in solchen Sonderformaten für berechtigte Personen bereitstellen. Dies soll vor allem auch über das Internet und über Ländergrenzen hinweg möglich sein, und zwar zwischen diesen befugten Stellen wie auch direkt zwischen den Stellen und den berechtigten Personen.

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