Das große netzpolitische Thema im März war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur vermeintlichen Abschaffung der WLAN-Störerhaftung. Auch in den Medien rief der Vorstoß ein lautstarkes Echo hervor. Im Gesetzentwurf ging es aber nicht nur um das Thema der offenen WLAN-Zugänge, sondern auch um die Hostprovider-Haftung.
Auch einige Themen, die uns schon seit langem beschäftigen, sind wieder auf die Agenda gehoben worden. Unter anderem waren aus innenpolitischen Kreisen im vergangenen Monat erneut verstärkte Forderungen nach einem deutschen Alleingang bei der Vorratsdatenspeicherung zu vernehmen. Auf EU-Ebene ging es im März um die Datenschutzverordnung und um das Thema Netzneutralität, bei dem der Rat einen katastrophalen Vorschlag vorgelegt hat.
1. WLAN-Störerhaftung
2. Hostprovider-Haftung
3. Netzneutralität
4. EU-Datenschutzverordnung
5. Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten
6. Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten
7. Netzpolitischer Abend
8. Videos vom letzten Netzpolitischen Abend
9. DigiGes in den Medien
1. WLAN-Störerhaftung
Die WLAN-Störerhaftung stellt hierzulande noch immer eine der zahlreichen Hürden auf dem Weg in eine digitale Gesellschaft dar. Öffnen private Betreiber ihr Funknetz für die Allgemeinheit, so können sie wegen Rechtsverletzungen, die Dritte auf diesem Weg begehen, auf Unterlassung in Anspruch genommen und kostenpflichtig abgemahnt werden.
Nach langem Warten liegt nun endlich ein abgestimmter Regierungsentwurf zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung vor. Personen, die Anderen über ihr WLAN Zugang zum Internet gewähren, sollen danach nicht als Störer für Rechtsverletzungen Dritter haften, wenn sie “zumutbare Maßnahmen” zur Verhinderung solcher Verstöße ergriffen haben. Dazu müssen die Anbieter ihren Anschluss verschlüsseln und dürfen den Zugang nur solchen Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, die zuvor eingewilligt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Rein private, nicht geschäftsmäßige WLAN-Anbieter – wie z.B. die Freifunker – sollen laut Entwurf nur dann in den Genuss der Haftungsfreistellung kommen, wenn sie darüber hinaus auch die Namen der Nutzerinnen und Nutzer kennen. Statt rechtssicherer Bedingungen für freie Funknetze schafft die Bundesregierung mit ihrem Entwurf vielmehr neue Hürden für eine flächendeckende Versorgung mit offenem WLAN. Privaten Betreibern werden praktisch unerfüllbare Pflichten auferlegt, so dass sie auch in Zukunft ihr WLAN nicht für die Allgemeinheit öffnen werden.
Unsere Pressemitteilung zur WLAN-Störerhaftung: „Regierungsentwurf zur WLAN-Störerhaftung: Verharren in der digitalen Steinzeit“ (12. März 2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/03/stoererhaftung-steinzeit/
Unser Übersichtsartikel: „WLAN-Störerhaftung: Warum sie bedingungslos abgeschafft werden muss“ (4. März 2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/03/wlan-stoererhaftung-abgeschafft/
2. Hostprovider-Haftung
Die Bundesregierung will die Haftung für Hostprovider verschärfen. Das geht aus dem veröffentlichten Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes hervor. Bislang sind Cloud-Dienste wie Dropbox, Youtube oder Uploaded für rechtswidrige Inhalte ihrer Nutzerinnen und Nutzer nicht verantwortlich, solange ihnen die Rechtswidrigkeit nicht bekannt ist und sie die Inhalte umgehend entfernen, sobald sie Kenntnis davon erlangen. Der Regierungsentwurf sieht vor, dass diese Kenntnis bei sogenannten „gefahrgeneigten Diensten“ künftig vermutet werden soll. Der Entwurf würde für Hostprovider neue Rechtsunsicherheiten begründen, die ihrem Geschäftsmodell die Grundlage entziehen. In der Folge werden in Deutschland keine neuen Investitionen in solche Dienste mehr erfolgen. Die angestrebte Änderung des Telemediengesetzes würde die hiesige Online-Wirtschaft daher empfindlich treffen und im internationalen Wettbewerb weiter zurückwerfen.
Unsere Pressemitteilung zur Hostprovider-Haftung: „ Hostprovider-Haftung: Neue Rechtsunsicherheit gefährdet deutsche Online-Wirtschaft“ (12. März 2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/03/hostprovider-rechtsunsicherheit/
3. Netzneutralität
Die Mitgliedstaaten der EU haben sich auf eine netzneutralitätsfeindliche Position verständigt. Statt die Lücken zu schließen, die nach der Entscheidung des EU-Parlaments noch bestanden, folgt der Rat nun vollkommen den Interessen der Providerlobby. So soll es künftig möglich sein, bestimmten Diensten im Internet eine Überholspur einzuräumen. Der Vorschlag sieht zudem die Möglichkeit von Netzsperren vor. Er manifestiert so die private Rechtsdurchsetzung und unterwandert Grundrechte. Zudem droht ein ernsthaftes Innovationshemmnis: Start-Ups und Anbieter nicht-kommerzieller Anwendungen werden durch langsame Zugänge ausgebremst, weil sie sich die Überholspuren nicht leisten können. Kein anderes Netzneutralitätsgesetz weltweit erlaubt derart unreglementierte Spezialdienste, die die Basis für ein Zwei-Klassen-Internet bilden. Die US-amerikanische Regulierungsbehörde FCC hat eine Abkehr vom Zwei-Klassen-Netz beschlossen – Europa geht nun in die Gegenrichtung. Die Gefahr, dass die europäische Digitalwirtschaft damit weiter ins Hintertreffen gerät, wird von der Politik nicht nur willentlich in Kauf genommen, sondern aktiv befördert.
Unsere Pressemitteilung zur Netzneutralität: „EU-Mitgliedstaaten torpedieren Netzneutralität“ (5. März 2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/03/rat-torpediert-nn/
4. EU-Datenschutzverordnung
European Digital Rights (EDRi) und andere Bürgerrechtsorganisationen haben interne Dokumente zum Verhandlungsstand der europäischen Datenschutzgrundverordnung veröffentlicht. Diese offenbaren eklatante Unterschreitungen des geltenden deutschen und europäischen Datenschutzniveaus. Die über 100 Seiten umfassenden Änderungsvorschläge des Rates sollen offenbar nicht öffentlich diskutiert werden.
Schon auf den ersten Blick sticht die Aufweichung grundlegender Datenschutzprinzipien heraus, darunter die Zweckbindung. Die Zweckbindung schreibt vor, dass Daten nur zu ganz bestimmten, vorher festgelegten Zwecken erhoben und verarbeitet werden dürfen. Aus den öffentlich gewordenen Verhandlungsdokumenten geht hervor, dass dieser Grundsatz nicht mehr gelten soll, solange der Datenverarbeiter irgendeine geeignete Rechtsgrundlage vorweisen kann. Als geeignete Rechtsgrundlage soll auch das “berechtigte Interesse” des Datenverarbeiters (z.B. eines Unternehmens) und sogar einer dritten Stelle gelten. Überwiegen also Unternehmensinteressen gegenüber denen der Nutzerinnen und Nutzer, darf die Zweckbindung aufgehoben werden. Problematisch ist dabei insbesondere, dass diese Abwägung zunächst stets die Datenverarbeiter selbst treffen. Medienberichte sprechen in diesem Zusammenhang zurecht von einem “Freibrief zum Datensammeln”. Verbraucherinnen und Verbraucher können deshalb kaum nachvollziehen, wer ihre Daten zu welchen Zwecken verarbeitet. Damit wird ein Grundkonzept des Datenschutzes – offenbar ersatzlos – gestrichen.
Unsere Pressemitteilung zur EU-Datenschutzverordnung: „EU-Datenschutzverordnung: Bundesregierung opfert Datenschutz zugunsten dubioser Geschäftsmodelle“ (4. März 2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/03/datenschutzverordnung-bundesregierung-opfert/
5. Vorratsdatenspeicherung
Die Bundesregierung plant einen nationalen Alleingang bei der Vorratsdatenspeicherung (VDS). Nachdem die EU-Kommission signalisiert hatte, vorerst keine neue Richtlinie zur anlasslosen Vorhaltung von Kommunikationsdaten vorzulegen, sollen sich Innen- und Justizministerium derzeit in Gesprächen über einen neuen Anlauf für ein entsprechendes Gesetz befinden. Bislang hatte Justizminister Maas das Vorhaben unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) strikt abgelehnt, sein Parteichef Sigmar Gabriel hat sich aber in jüngster Zeit für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung stark gemacht und Maas dazu gedrängt, einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten.
Unsere Pressemitteilung Gabriels Forderungen: „VDS: Gabriel führt Partei und Öffentlichkeit in die Irre“ (24. März 2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/03/vds-gabriel/
Unsere Pressemitteilung zur Vorratsdatenspeicherung: „VDS: Nationaler Alleingang wäre grober politischer Unfug“ (9. März 2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/03/vds-grober-unfug/
6. Keine Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten – Demo am Flughafen Tegel
Wir haben am 28. März am Flughafen Tegel gegen die Pläne einer EU-weiten Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten demonstriert.
Auch in anderen Städten wurde am 28. März gegen die Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten demonstriert. Verschiedene Gruppen engagieren sich innerhalb der Kampagne: “Verfolgungsprofile. Kapier das Spiel – WIR sind das Ziel!” und organisierten die Demos.
Am 11. April gehen die bundesweiten Demos gegen die Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten in die zweite Runde. Wir sind natürlich auch dabei, wieder am Flughafen Tegel. Weitere Infos findet ihr auch bei http://verfolgungsprofile.de/
7. Netzpolitischer Abend
Unser nächster findet am Dienstag, 7. April, wie gewohnt um 20.00 Uhr, in der c-base in Berlin statt.
#35npa ist der Hashtag für den Abend – gebraucht ihn gerne und reichlich, auch für Feedback und Fragen, wenn Ihr nicht vor Ort sein könnt!
Unser Programm:
Markus Beckedahl – “Selbstfahrende Netzneutralität 4.0”
Sandra Mamitzsch – “re:publica 15 – Was wird uns erwarten?”
Alexander Sander – “Aktionen gegen die Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten (PNR)”
Ihr findet die c-base in der Rungestraße 20, 10179 Berlin. Einlass ist wie immer ab 19 Uhr, los geht’s gegen 20 Uhr, selbstverständlich auch im Stream unter http://c-base.org. Wie immer ist der Eintritt frei.
8. Videos vom 34. Netzpolitischen Abend
Videos vom Netzpolitischen Abend:
Leonie Tanczer: Caution! Hackers Ahead. – The Securitisation of Hacking and Hacktivism
Leil-Zahra Mortada: OpAntiSH, the hashtag that became a movement
9. DigiGes in den Medien
TAZ:
Grundverordnung der EU – Weichspüler für den Datenschutz (04. März 2015)
http://www.taz.de/!155814/
heise:
Mail-Verschlüsselung: Verhaltene Reaktion auf PGP für De-Mail-Nutzer (09. März 2015)
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Mail-Verschluesselung-Verhaltene-Reaktion-auf-PGP-fuer-De-Mail-Nutzer-2571170.html?wt_mc=rss.ho.beitrag.rdf
tagesschau.de:
Neuer Gesetzentwurf vorgelegt – Regierung will freies WLAN ausbauen (12. März 2015)
http://www.tagesschau.de/inland/wlan-entwurf-101.html
ZDF:
heute-Sendung (12. März 2015)
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-verpasst#/beitrag/video/2360960/ZDF-heute-Sendung-vom-12-M%C3%A4rz-2015
DRadio Wissen:
Update – Bundesregierung will Ausbau öffentlicher WLAN-Hotspots vorantreiben (12. März 2015)
http://dradiowissen.de/beitrag/update-mehr-freies-wlan-f%C3%BCr-alle
Deutsche Welle:
Raus aus der WLAN-Steinzeit (13. März 2015)
http://www.dw.de/raus-aus-der-wlan-steinzeit/a-18315383
Carta:
Freiheit statt Kontrolle! Deshalb brauchen wir ein Recht auf Remix! (13. März 2015)
http://www.carta.info/77524/freiheit-statt-kontrolle-deshalb-brauchen-wir-ein-recht-auf-remix/