„Der Regulierungsvorschlag des Rates zur Netzneutralität sieht die Einführung eines Zwei-Klassen-Netzes vor, führt für Verbraucherinnen und Verbraucher zu einem unübersichtlichen Tarifdschungel und fügt der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Digitalwirtschaft weiteren Schaden zu“, erklärt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Die Mitgliedstaaten der EU haben sich auf eine netzneutralitätsfeindliche Position verständigt. Statt die Lücken zu schließen, die nach der Entscheidung des EU-Parlaments noch bestanden, folgt der Rat nun vollkommen den Interessen der Providerlobby. So soll es künftig möglich sein, bestimmten Diensten im Internet eine Überholspur einzuräumen. Der Vorschlag sieht zudem die Möglichkeit von Netzsperren vor. Er manifestiert so die private Rechtsdurchsetzung und unterwandert Grundrechte. Zudem droht ein ernsthaftes Innovationshemmnis: Start-Ups und Anbieter nicht-kommerzieller Anwendungen werden durch langsame Zugänge ausgebremst, weil sie sich die Überholspuren nicht leisten können. Kein anderes Netzneutralitätsgesetz weltweit erlaubt derart unreglementierte Spezialdienste, die die Basis für ein Zwei-Klassen-Internet bilden. Die US-amerikanische Regulierungsbehörde FCC hat vor kurzem eine Abkehr vom zwei Klassen-Netz beschlossen – Europa geht nun in die Gegenrichtung. Die Gefahr, dass die europäische Digitalwirtschaft damit weiter ins Hintertreffen gerät, wird von der Politik willentlich in Kauf genommen.

Die Folge für Verbraucherinnen und Verbraucher ist ein unübersichtlicher Tarifdschungel. Statt echtes Netz zu erhalten, müssen sie aufwendig danach suchen, welche Zusatzdienste benötigt werden, um den bisher bekannten Zugang zum Netz zu erhalten. Darüber hinaus werden bereits aus dem Mobil-Bereich bekannte Geschäftsmodelle wie zero-rating zur gängigen Praxis.

Mit der nun vorgelegten Position wird der Rat in das Abstimmungsverfahren zwischen Rat, Parlament und Kommission (Trilog) eintreten. Am Ende müssen sich die drei Organe auf einen gemeinsame Position verständigen oder die gesamte Regulierung wird scheitern. Insbesondere Deutschland trägt hier Verantwortung: Mit seinem „Kompromissvorschlag“ hat es die Netzneutralitätsdebatte deutlich in Richtung der Industrie gelenkt und damit eine sinnvolle Einigung im Rat blockiert.

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2 Meinungen zu “EU-Mitgliedstaaten torpedieren Netzneutralität

  1. Nikolai Schulz sagt:

    Was lässt sich dagegen unternehmen? Speziell für Start-ups und NGOs/gemeinnützige Projekte? Petition starten? So etwas richtig Lautes, was auch in Brüssel gehört und beachtet wird? Alle laufen mit einem Smartphone vor der Nase durch die Welt, sind also betroffen…

    Gruß Niko

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