Auf der heute im brasilianischen Sao Paolo beginnenden zweitägigen Konferenz NETmundial werden Interessenvertreter aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik und Technologie über die Zukunft des Internet beraten.
Die Erwartungen an die von der brasilianischen Präsidentin Dilma Roussef vor dem Hintergrund der Snowden-Enthüllungen angestoßenen Veranstaltung sind hoch. Neben einer Reform der Internet-Governance soll unter anderem auch über den Schutz der Privatsphäre vor anlassloser Überwachung diskutiert werden. Während ein Neuzuschnitt der Verantwortlichkeiten von koordinierenden Institutionen wie der ICANN oder des Internet Governance Forums der Vereinten Nationen weiterhin im Mittelpunkt steht, lässt ein vorab veröffentlichtes Papier der NETmundial allerdings erkennen, dass die globale Ausspähung der elektronischen Kommunikation nur am Rande behandelt werden wird.
“Wir freuen uns darüber, dass die Interessenvertreter auf der NETmundial die anlasslose Massenüberwachung durch Geheimdienste als gravierendes Problem einer weltweiten Öffentlichkeit benennen. Den Punkt aber lediglich auf die Tagesordnung zu setzen, wird weder der globalen Bedeutung des Themas noch dem ursprünglichen Anlass der Konferenz gerecht. Wir brauchen einen klaren Fahrplan, in dem konkrete Maßnahmen einschließlich des zeitlichen Ablaufs festgelegt werden, um der vollständigen Aushöhlung der Privatsphäre endlich wirksam entgegen zu treten.”, erklärt Markus Beckedahl, Sprecher des Vereins Digitale Gesellschaft.
Statt einer deutlichen Absage gegen jegliche Form anlassloser staatlicher Kommunikationsüberwachung findet sich in dem vorab veröffentlichten Papier der NETmundial lediglich die Forderung, Massenüberwachung unter Beachtung der Menschenrechte durchzuführen. Eine derart unbestimmte und wenig substantielle Positionierung ist angesichts der Gefahren der Überwachungstätigkeit von Geheimdiensten wie NSA und GCHQ viel zu schwach. Die flächendeckende, verdachtsunabhängige Ausspähung der elektronischen Kommunikation eröffnet ein totalitäres Kontrollpotential und erhebliche Missbrauchsrisiken, welche die Privatsphäre des Einzelnen ebenso bedrohen wie Geschäftsgeheimnisse und Marktchancen von Unternehmen und den freiheitlichen Charakter demokratischer Gesellschaften.
Markus Beckedahl fordert: “Telekommunikationsüberwachung, auch nachrichtendienstliche, muss auf konkrete Einzelfälle beschränkt werden. Dafür brauchen wir starke Gesetze und internationale Abkommen, die Überwachungsmaßnahmen nur auf richterlichen Beschluss und unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erlauben. Vorteile und Ziel einer Maßnahme müssen dabei gegen die Belastungen, die den Rechten Einzelner und anderen konkurrierenden Interessen zugefügt würden, sorgfältig abgewogen werden. Außerdem darf Kommunikationsüberwachung nur dann zum Einsatz kommen, wenn das Ziel auf andere Weise nicht zu erreichen ist.”