Wir basteln gerade an unserem Flyer gegen ACTA. Hier findet sich eine Alpha-Version, die für ein Flyer-Format viel zu lang ist. Aber bevor wir die Hälfte wegschmeißen müssen, damit keine Bleiwüste gedruckt wird, wollten wir den Zwischenstand hier dokumentieren. Den Flyer wollen wir in großer Auflage drucken und kostenlos verteilen. Dafür sammeln wir noch Geld über Betterplace oder unsere Spendenmöglichkeiten. Das Deckblatt kann noch mit bestimmt werden: Deine Anti-ACTA-Message in unter 140 Zeichen.

Was ist ACTA?

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ist ein internationales Abkommen, das internationale Standards für die Durchsetzung von Urheber- und Markenrechten vorschlägt.

ACTA wurde von wenigen Staaten und Akteuren, darunter die EU-Kommission für alle 27 EU-Mitgliedsstaaten, ausgehandelt und ist sowohl in seinem geheimen Entstehungsprozess als auch bezüglich des Inhalts umstritten. Ein Grundproblem ist, dass Problematiken von Markenrechten (kommerzielle Produktfälschungen) mit Urheberrechten (jeder kommt heute im Internet mit Urheberrechten in Konflikt) zusammen gemischt werden.

Ein weiteres Problem an ACTA ist, dass damit das dringend reformbedürftige Urheberrecht auf internationaler Ebene weiter zementiert wird. Gleichzeitig ist ACTA eine Richtungsentscheidung: Statt über eine Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter zu diskutieren, werden mit dem Abkommen weiter einseitig Nutzerinteressen beschnitten und die Durchsetzung mit teilweise unverhältnismäßiger Maßnahmen beschritten.

Geheimverhandlungen mit Lobbyisten hinter verschlossenen Türen

ACTA wurde seit 2007 im geheimen verhandelt. Normalerweise werden Abkommen, die Immaterialgüter wie Urheberrechte oder Markenrechte betreffen, auf internationaler Ebene im Rahmen der World Intellectual Property Organization (WIPO) diskutiert und verhandelt. Da diese sich allerdings in den letzten Jahren geöffnet hat und Verbraucher- und Bürgerrechtsgruppen dort mit am Tisch sitzen, sowie Schwellen- und Entwicklungsländer den Zugang zu Wissen zunehmend mehr als eine weitere Privatisierung von Wissen thematisieren wollen, wurde ein anderer Weg hinter geschlossenen Türen und mit einer „Koalition der Willigen“ gewählt.

Mit am Verhandlungstisch saßen ausschließlich Lobbyisten der Urheberrechts- und Markenrechtsindustrie, weder Vertreter der Nutzern und der Zivilgesellschaft, noch gewählte Parlamentarier erhielten Infos über den Prozess, noch waren sie an den Verhandlungen beteiligt. Die Zwischenstände der Verhandlungen kamen nur ans Licht weil sie „geleakt“ wurden und auf Wikileaks auftauchten.

Im Laufe der Verhandlungen stand die gesamte Wunschliste der Unterhaltungsindustrie im Verhandlungstext und die beinhaltete unter anderem folgende Forderungen: Der Aufbau einer Netzzensur-Infrastruktur, Sperrungen des Internetzugangs bei wiederholten Urheberrechtsverstößen, Grenzkontrollen bei MP3-Playern und Smartphones oder eine Echtzeit-Überwachung des Datenverkehrs. Kurz, vieles was man sich so wünscht, wenn keine kritische Öffentlichkeit mit diskutiert.

Erst auf Druck einer kritischen Zivilgesellschaft und gewählten Volksvertretern (Abgeordneten) wurden zum Schluß viele dieser Horrorforderungen aus dem Text gestrichen und die EU-Kommission hat nach Ende der Verhandlungen den ACTA-Text online gestellt.
Allerdings wird immer noch vermutet, dass nicht die wie versprochen größtmögliche Transparenz angewendet wurde: Was noch immer fehlt, sind Verhandlungsunterlagen, um die Texte besser bewerten zu können. Auch weigert sich das Bundesjustizministerium mit Verweis auf die Gefährdung Öffentlicher Sicherheit, auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes Bürgern mitzuteilen, wer als Vertreter der Bundesregierung für Deutschland an den Verhandlungen teilgenommen hat. Der Digitale Gesellschaft e.V. unterstützt einen durch Spenden finanzierten Klageweg, um mehr Informationen von der Bundesregierung zu erhalten.

Argumente gegen ACTA

ACTA ist die „Katze im Sack“: Viele schwammige Formulierungen in ACTA lassen viel Interpretationsspielraum.

Wenn man sich die Geschichte des Abkommens inklusive aller diskutierten Maßnahmen anschaut, wird man zwischen den Zeilen und in schwammigen Formulierungen vieles wieder erkennen, was nicht explizit und offensichtlich im Text steht. Je nach politischer Wetterlage wird ACTA unterschiedlich interpretierbar sein. Die EU-Kommission verspricht derzeit, ACTA nicht grundrechtseinschränkend anzuwenden. Diese Versprechen sind aber nicht-bindend und können jederzeit geändert werden, z.B. nach der nächsten Wahl. Europaabgeordnete stimmen daher über die berühmte „Katze im Sack“ mit ungewissem Ausgang ab. Rechtssicherheit sieht anders aus.

ACTA kann Internet-Provider zu einer privaten Urheberrechtspolizei mit gefährlichen Auswirkungen auf Meinungsfreiheit und Datenschutz machen.

Die größte Bedrohung im Vertrag sind zivil-und strafrechtliche Sanktionen, die Internet-Service-Provider zwingen könnten, mit den Rechteverwertern zu „kooperieren“. Explizit soll durch ACTA eine sogenannte Kooperation zwischen Rechteverwertern und Internetzugangsanbietern (ISPs) gefördert werden. Das führt zu einer Privatisierung von Ermittlungsverfahren und Rechtsprechung mit negativen Auswirkungen auf Meinungs- und Pressefreiheit sowie auf den Schutz von personenbezogenen Daten. Diese Privatisierung der Rechtsdurchsetzung kann zu einer Echtzeitüberwachung des Datenverkehrs, 3-Strikes-Maßnahmen und Netzsperren führen, wie bereits im europäischen Ausland zu beobachten ist. Mit ACTA würde dieser Weg zu einer Norm mit Vorbildcharakter für zukünftige Gesetzesvorhaben. Dadurch werden unsere Grundrechte in die Hände der Wirtschaft gegeben.

ACTA gefährdet Menschenleben

Harte Sanktionen im Transit sollen den Zugang zu kostengünstigen Medikamenten (Generika) erschweren. Die Leidtragenden sind zumeist Menschen in Entwicklungsländern, welche sich die teure Medizin aus den Industriestaaten nicht leisten können.

ACTA ist eine Richtungsentscheidung. Das alte Urheberrecht wird damit weiter zementiert, anstatt über eine Reform zu diskutieren.

Das Urheberrecht muss stattdessen einfacher und mit den alltäglichen Nutzungspraktiken im Internet kompatibel gemacht werden. Ein faires Urheberrecht im digitalen Zeitalter muss außerdem neue Wege für einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen von Urhebern und Nutzern finden. Kriminalisierung von Endverbrauchern, wie in ACTA angelegt, sind dabei kein gangbarer Weg. Der beste Weg gegen Online-Piraterie ist hingegen die Schaffung eines vielfältigen und niedrigschwelligen legalen Angebotes.

In diesem Sommer: Showdown im Europaparlament

ACTA ist fertig verhandelt und von den meisten Staaten bereits unterschrieben. Was fehlt, ist die Ratifizierung. Dazu muss ACTA durch das Europaparlament und alle nationalen Parlamente. Änderungen sind nicht mehr möglich, jetzt geht es nur noch um die die Frage Zustimmung oder nicht?

Es war geplant, dass ACTA im Frühjahr 2012 seinen Weg ohne große Debatte und mit so wenig öffentlicher Aufmerksamkeit wie möglich durch das EU-Parlament geht und im Sommer darüber abgestimmt wird. Dann kamen die internationalen Proteste am 11. Februar die alleine in Deutschland 100.000, meist jungen Menschen, bei Minustemperaturen auf die Straße brachten – das veränderte alles.

Aufgrund der unerwarteten Massenproteste entwickelte die EU-Kommission eine neue taktische Strategie: Wenn man ACTA zur Überprüfung zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) schickt, dann dauert das ca. 18-24 Monate – genug Zeit um ACTA aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden zu lassen. Bis dahin gibt es keine Massenproteste mehr und ACTA kann ohne viel Widerstand zur Abstimmung gestellt werden.
Zum Glück fanden sich zahlreiche EU-Parlamentarierer, die bei diesem taktischem Trick nicht mitspielen wollen. Damit stehen die Chancen gut, dass das EU-Parlament doch bereits Anfang Juli 2012 über ACTA abstimmt. Das bedeutet der Kampf gegen ACTA geht in die entscheidende Runde und wir müssen uns jetzt dafür einsetzen, dass die Mehrheit im EU-Parlament gegen ACTA stimmt!

Du gegen ACTA

Informier Dich:

Viel mehr Informationen, Videos und Argumente findest Du auf unserer Webseite unter http://www.digitalegesellschaft.de/acta

Geh auf die Straße:

Am 09. Juni findet der dritte europäische Aktionstag gegen ACTA mit Demonstrationen in zahlreichen Städten statt. Informiere Dich auf http://wiki.stoppacta-protest.info/ über Aktionen und Demonstrationen in Deiner Nähe und geh gemeinsam mit vielen anderen auf die Straße.

Kontaktiere Deine Abgeordneten:

Die Mitglieder des Europaparlaments entscheiden in diesem Sommer über ACTA. Wenn eine Mehrheit dagegen zustande kommt, ist das Abkommen am Ende. Informiere Dich, welche Abgeordneten noch unentschieden oder immer noch Befürworter sind und kontaktiere sie über unsere Webseite: http://acta.digitalegesellschaft.de

Den Geist von ACTA verhindern

ACTA ist erst der Anfang einer langen Debatte. Den Geist des Abkommens mit der Förderung einer Kooperation zwischen Rechteinhabern und Internetprovidern zum Zwecke einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung sehen wir in ähnlichen Debatten auf EU- und nationaler Ebene. Auch wenn ACTA jetzt verhindert werden sollte, gilt es, wachsam zu bleiben, die vielen kleinen Schwestern zu bekämpfen und unsere Grundrechte zu sichern.

Kontakt:

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